NEWSLETTER 07.03.2025

Was das Kölner Kulturdezernat mit Verwahrlosung zu tun hat und an welcher Stelle der Stadt ein Gedächtnis fehlt   

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

eine Abwesenheit von Kultur, die an Verwahrlosung grenzt, entdeckte ich Ende des vergangenen Jahres beim Schlendern durch die Innenstadt. An der Richartzstr. 2 – 4, wo das Kulturdezernat seine Räume hatte, wies es auf seinen Umzug ins Deutzer Stadthaus auf die andere Rheinseite hin. Es tat das, als ginge es um eine halblegale Würstchenbude (siehe Foto) und als gebe es kein städtisches Gestaltungshandbuch, in dem detaillierte Empfehlungen für alles Erdenkliche stehen wie Straßenschilder, Bänke, Abfallbehälter oder Technikelemente.

„Der öffentliche Raum ist die Visitenkarte einer Stadt“, heißt es im Gestaltungshandbuch. Doch die amtliche Bastelei findet sich Monate später immer noch am Hauseingang, einsehbar von Passanten und Touristen. Wenn diese Hinterlassenschaft eine Visitenkarte des Dezernates ist, muss man sich über den schlechten Zustand von Kunst und Kultur in dieser Stadt nicht wundern. Zumal ohnehin von dicker Luft im Amt gesprochen wird. Kulturdezernent Stefan Charles, dem Deutz als Dienstsitz nicht zusage, habe sich citynahe städtische Räume gesichert, um weiter in der Innenstadt präsent sein zu können, heißt es.

Vor kurzem hatte Henriette Reker im Kölner Stadt-Anzeiger vor der zunehmenden Verwahrlosung Kölns gewarnt. Gleichzeitig stellte sie fest, der Einfluss einer Oberbürgermeisterin werde überschätzt. Das stand zwar in Widerspruch zu dem großen öffentlichen Aufschrei, den sie entfachte. Doch ganz klar zeigen die mit braunem Paketband notdürftig verklebten Alt-Briefkästen des Kulturamtes die Folgenlosigkeit der Debatte auf, welche die OB auslöste. Sie überstanden den kurzen Sturm und fielen nicht weiter auf.

Hilft Erkenntnis überall – nur nicht in Köln? Das habe ich Andreas Grosz vom KAP-Forum für Architektur & Stadtentwicklung gefragt. Anlass war eine Veranstaltungsfolge – „Kölner Perspektiven“ – zu einer möglichen Mobilitätsstruktur in Köln, die zehn Jahre zurückliegt. Herausragende Verkehrslösungen in europäischen Städten wurden damals präsentiert, hochkarätige Experten aus Kopenhagen, Stockholm, Wien, Mailand und Zürich stellten in Köln detailliert vor, wie zeitgemäße Verkehrspolitik aussehen kann.

Auch diese Initiative von „KAP-Forum“, Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln und Stadt blieb folgenlos. Bedauerlich, denn im Internet las man, wie nüchtern Kopenhagen trotz leerer Kassen seine Metro plante und finanzierte. Oder welche Rahmenstrategie in Wien formuliert wurde, um auf die Viertel heruntergebrochen zu werden. Man erfährt, wie strategisch Planer in Mailand vorgingen und wie konsequent Zürich auf effizienten öffentlichen Nahverkehr setzt. Verbindendes Element war, Lösungen mit allen am Straßenverkehr Beteiligten zu finden. In den Kölner Verkehrsversuchen, die oft zur reinen Machtdemonstration wie auf der Trankgasse verkamen, misslang das spektakulär. Schade. Die Erkenntnis hatte sich offenbar in den Falten des Internets verloren.

Andreas Grosz erkennt ein Muster darin. Ein Thema ploppe hoch, werde mit viel Diskussion verfolgt – nur um fallengelassen zu werden, sobald der nächste Aufreger wartet. Der neue Hype ist immer der bessere Hype. Allgemein formuliert: Es gibt in dieser Stadt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Andreas Grosz, dessen viel beachtete Veranstaltungen Ergebnisse wie sonst ein Think Tank lieferten, wird nach Lage der Dinge den Erkenntnisstand nicht mehr erweitern. Die Stadt sagte die „Kölner Perspektiven“ – diesmal zu zirkulärem, also nachhaltigem Bauen – ohne jede Vorwarnung aus Kostengründen ab.

Eine weitere Grundlagenarbeit, diesmal zu Kunst im öffentlichen Raum, lieferte 2015 neben anderen Kay von Keitz mit „Der urbane Kongress“. Als ich in dem Buch blätterte, fiel mir auf, wie viele Kunstobjekte im Alltagsbild der Stadt präsent sind. Sie tun dem Auge gut und oft erzählen sie bei näherer Betrachtung Geschichten. Wie viel ärmer wäre Köln, gäbe es diese Kunst nicht. Es wäre, als würden in einem Wald die Vögel nicht mehr singen. Lieblingsorte sind für von Keitz das Büdchen-Denkmal am Kaiser-Wilhelm-Ring, ein unscheinbares Bodenmosaik oder die kinetische Skulptur an der Hohe Straße 124-126 am früheren Wormland-Haus.

In geführten Touren durch Köln, Dortmund oder Gelsenkirchen will er den Blick seiner TeilnehmerInnen schulen und Ihnen eine Stadt als Ganzes vorstellen. „Manchmal bin ich selber erstaunt, was es zu sehen gibt, wenn man nur an einer Fassade emporblickt,“ sagt er. Das Buch enthält eine Fülle von praktischen Beispielen und Handlungsempfehlungen. Damit lädt es ein, regelmäßig in die Hand genommen zu werden, um Kunst im öffentlichen Raum Beachtung und Respekt zu sichern.

Einiges aus dem Buch habe sich verstetigt, sagt der 59jährige. Aber so viel wird es doch nicht gewesen sein, denn Ende 2024 trat der Kunstbeirat der Stadt Köln, dessen Vorsitzender von Keitz war, geschlossen zurück. Der Beirat werde übergangen und ignoriert, sagte er bitter. Kritikpunkt war auch, zum Umgang der Stadt mit dem Objekt „Standortmitte“ am Kölner Verteilerkreis nicht gehört worden zu sein. Statt eine geplante Straßenbahnerweiterung dem Straßenverlauf anzupassen, hat das Kölner Mobilitätsdezernat geplant, als gäbe es dort die Kunst nicht.

Fehlenden Respekt in diesem wie in anderen Fällen beklagt eine Kulturinitiative (www.standortmitte.de). Am Sonntag, 30. März, 11.30 Uhr, wird im Odeon Kino der Film „Standortmitte, Die Erkundung der Strecke zwischen Köln und Bonn“ von Gerhard Schick gezeigt (Dauer 45 Minuten, Eintritt zehn Euro). Im Anschluss findet ein Gespräch mit dem Künstler statt. Auch diese Stele ist ein Lieblingsort von Kay von Keitz.

Respekt ist wichtig. Auch vor der eigenen Aufgabe. Das zeigt das Kulturdezernat. Die Form von Respektlosigkeit gegenüber der eigenen Institution zeigt, wohin das führen kann.

 

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls