NEWSLETTER 11.04.2025

Bürokratiemonster aus Brüssel lähmt noch den Mittelstand – Ein Schuss am Eigelstein, der sitzen muss?

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

mit 38 Angestellten ist die Firma Rasch Maschinenbau in Hürth übersichtlich. Doch steckt in ihr, was Deutschlands Wirtschaft groß gemacht hat. Unternehmertum, Innovation, Teamgeist, Präzision, Termintreue und die Bereitschaft, eigene Maschinen in alle Welt zu liefern. Wo immer Hohlkörper aus Schokolade – zurzeit sind das Hasen – in Aluminiumfolie einwickelt werden, erledigt das wahrscheinlich eine Maschine der Firma Rasch.

Chefin Tina Gerfer fiel mir auf, als sie Kanzler Olaf Scholz auf dem IHK-Jahresempfang mit dem Hinweis konfrontierte, Bürokratie lähme zunehmend ihre Geschäfte. Rasch Maschinenbau ist auf Kante genäht. Empfang? Ein Hauselektriker, der zufällig am Eingang stand, brachte mich auf die Chefetage, als ich die Managerin besuchte. Das Chef-Sekretariat hat andere Aufgaben, als Besuchern Kaffee zu kochen. Gerfer macht das selber und nebenher.

So, wie sie sich auch um das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ kümmert, das seit 2024 in der EU gilt. Es richtet sich an Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitern und soll Menschenrechte in Entwicklungs- und Schwellenländern sichern. Für die Kakaobohnen in unserer Schokolade zum Beispiel, die aus Sierra Leona kommen, soll man sich nicht schämen müssen, weil sie unter miserablen Bedingungen produziert wurden. Das gilt auch für viele andere Waren.

Mit diesem Gesetz hat Tina Gerfers Betrieb aufgrund seiner Produkte und der Betriebsgröße nichts zu tun. Doch rasch hat es sich zu einem Bürokratiemonster für fast jedes zweite deutsche Unternehmen entwickelt, denn Rasch Maschinenbau muss alle Berichtspflichten erfüllen, weil die Firma für ein großes Unternehmen produziert. Das wiederum muss seine Lieferkette deklarieren und reicht die Pflicht an die Zulieferer weiter. Egal, wie klein diese sind. Selbst in der Gruppe von Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern – in diese gehört Rasch Maschinenbau – sind die Hälfte aller Firmen vom Gesetz betroffen, stellt Dr. Adriana Neligan vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln fest. „Gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht“, urteilt sie nüchtern.  Die große Koalition in Berlin hat sich auf das Aus für das Gesetz verständigt. Mal schauen, ob und wann Tina Gerfer Vollzug meldet.

Wie die örtlichen Institutionen IHK oder die Handwerkskammer zu Köln kritisiert die Wissenschaftlerin, der Standort werde durch das Gesetz nicht nur teurer und weniger wettbewerbsfähig. Selbst sein Nutzen sei zweifelhaft. Für Kleinbetriebe, etwa in der Kakaoproduktion, sei die Materie zu komplex. Sie begünstige vielmehr Konzerne. Doch auch ganze Nationen, denen geholfen werden sollte, geraten dadurch ins Hintertreffen.

Aus Ländern wie Bangladesch oder Pakistan seien die deutschen Bekleidungsimporte 2023 um mehr als ein Fünftel eingebrochen, merkt Dr. Neligan. Dort habe man Probleme, sich mit den komplexen Vorgaben aus Brüssel auseinanderzusetzen. Der Handel ordere lieber gleich aus Ländern mit verlässlicher Verwaltungssorgfalt, um Strafen zu vermeiden. Mit all dem hat Tina Gerfers Maschinenbau-Betrieb nichts zu tun. Doch selbst das Offensichtliche muss sie schriftlich erklären. Jüngst erst hat sie 250 Seiten durchgeackert, um auf dem Gros der Blätter schriftlich zu notieren, dass diese oder jene Regelung auf sie nicht anwendbar ist.  

„Alle Beteiligten wussten von Anfang an, dass die Schutzziele mit dem Gesetz nicht zu erreichen sind“, moniert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein. Stattdessen würde den Unternehmen staatliche Verantwortung aufgebürdet. Eine Kritik, die sinngemäß auch von Hans Peter Wollseifer kommt, dem Präsidenten der Handwerkskammer zu Köln. Dabei seien dem Handwerk durchaus Aspekte wichtig, die Ressourcen, die Ökologie oder das soziale Miteinander fördern, sagt Wollseifer. Es sei ein Wettbewerbsvorteil, Nachhaltigkeit sichtbar darzustellen. Daher biete die Handwerkskammer Betrieben einen kostenfreien Nachhaltigkeitscheck.

Tina Gerfer hat klare Werte – auch ohne die EU. Dafür steht ein Gemälde ihres Großvaters, des Firmengründers Wilhelm Rasch. Es hängt in ihrem Büro. Er vermittelte der Enkelin, dass Respekt ein universeller Wert sei. Und er impfte ihr ein, laut zu lachen, wenn ihr jemand sage, sie sei „nur“ ein Mädchen. Zwei Erkenntnisse aus Tina Gerfers weltweiten Kontakten habe ich notiert. Werte wie Treu und Glauben gälten in Familienbetrieben und bei arabischen Kunden viel. Und wenn ein Argentinier einem die Hand darauf gebe, sei das so gut wie ein schriftlicher Vertrag. Wenn Brüssel das wüsste.

Szenenwechsel. „Wir haben noch einen Schuss . . . und der Schuss muss sitzen“, heißt es martialisch in einer WhatsApp, die am Eigelstein kursiert. „Wir haben nur diesen einen Schuss!“  Nein, es geht nicht um den Ukraine-Krieg. Es geht um die türkischen Grills in der Weidengasse. Seit Ende 2024 liegt ein Verwaltungsgerichtsurteil vor, das die Wirte verpflichtet, bis Ende April 2025 Grillgerüche aus der Luft zu filtern. Eine Gesundheitsgefahr sah das Gericht nicht. In Kürze wird das überprüfbar sein und die Angelegenheit geklärt.

Doch das wollen die Verfasser der Nachricht nicht abwarten. Sie setzen auf einen weiteren Prozess, ein Zivilverfahren, und sammeln Geld, von dem viel bereits geflossen zu sein scheint. Eine juristische „gute Ausgangsposition“ habe „rund 10.000 € zusätzlich gekostet“, heißt es. Zudem werden Einzelspender hervorgehoben, weil sie bereits 3000 € bzw. 2000 € „beigetragen“ haben. Arme Menschen sind hier nicht unterwegs. Ob sie „hochgiftige Gase“ in der Grill-Abluft vermuten, wie es der Bürgerverein Eigelstein tut? Der wolle wohl reine Alpenluft im innerstädtischen Viertel mit dichtestem Schienen-, Auto- und Schiffsverkehr, und schiebe türkischen Grills die Verantwortung zu, lästert ein Umweltexperte.

Jüngst hat der Vize-Vorsitzende des Bürgervereins, Atakan Taner, sein Amt niedergelegt. Seinem Ziel, am Eigelstein die Menschen zusammenzubringen, konnte er nicht nähergekommen, ein Alibi-Türke wollte er nicht sein. Wenn er erzählt, verstehe ich ihn.

Es gibt einen bürgerlichen Rassismus außerhalb dem der Straße. Er wehte auch in der Wahl zum Kölner CDU-Vorsitz, als die türkischstämmige Serap Güler von einem Gegenkandidaten unter Islamismus-Verdacht gestellt wurde. Nicht zum ersten Mal und nicht zum ersten Mal aus der eigenen Partei. „Ich habe immer gehofft, integrierte Türken würden zum Normalfall in Deutschland,“ sagt die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün ernüchtert. „Stattdessen wird die AFD immer stärker zur Normalität.“ Immerhin setzte Serap Güler sich trotz der Schläge unter die Gürtellinie als Parteichefin durch.

Ich wünsche uns Regen und ein schönes Wochenende

Ihr

Peter Pauls