NEWSLETTER 31.10.2025
Vom Kolpingplatz zum Kanzlerwort und den Kleidern des neuen Kölner Oberbürgermeisters
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
als das Restaurant „Piazzas“ vor zehn Jahren in der Drususgasse öffnete, war Chefin Fatima Kaymakoglu optimistisch. In Kürze würden Oper und Schauspiel sowie Dom-Hotel fertig sein, die City einen Aufschwung nehmen und ihr Lokal, das mediterrane Küche anbietet, ebenfalls. Tatsächlich fand das „Piazzas“ rasch seinen festen Platz in der Kölner Gastrowelt und wurde ein beliebter Treffpunkt, wozu auch der benachbarte WDR beiträgt.
Doch der Erfolg ist weniger der Innenstadtlage als dem beinharten Willen der Chefin zuzuschreiben. Oper und Dom-Hotel dämmern immer noch der Öffnung entgegen. Gegenüber dem „Piazzas“ zerfällt das Museum für Angewandte Kunst. Maschendrahtzäune müssen die Allgemeinheit vor herabfallenden Bauteilen schützen. Ewig schon steht zwischen MAKK und dem WDR eine hässliche Containerwand. So sieht der früher beschauliche Bereich vor dem angrenzenden Kolpingplatz eher wie eine Rumpelkammer aus.
Das „Piazzas“ bündelt nicht nur im Kleinen, was Köln den Kölnern schwer macht. Seit Bundeskanzler Friedrich Merz die Stadtbild-Debatte auslöste, steht das Restaurant von Fatima Kaymakoglu auch für das Große, das Titelseiten von Zeitungen und Top-Nachrichten in der Tagesschau prägt. Der Platz gegenüber ihrem Lokal ist seit mehr als einem Jahr zum Treffpunkt junger Männer geworden, die aus umliegenden Städten nach Köln kommen. Dort geht es, wie ich selbst erleben durfte, hoch her bis spät in die Nacht. Es wird geschrien, getobt, getrunken, geraucht, gegrölt, gebaggert. Gerät man zufällig in die Menschenmenge, ist man froh, wenn man wieder draußen ist. Anwohner stöhnen.
Und Restaurantbesucher? Die könnten woanders hingehen und wegbleiben, fürchtet die Chefin, die sich so schnell nicht unterkriegen lässt. Auch ihr Restaurant führt sie freundlich im Ton und konsequent in der Sache. Doch war ihre Klage jetzt so eindringlich, dass ich mich zu schreiben entschloss, denn auf dem Kölner Kolpingplatz zeigt sich, dass das einfach strukturierte Schlagwort vom Stadtbild der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Die dort lärmen, sind junge Ukrainer, sich selbst überlassene Jugendliche, doch mit gesichertem Status. Ein Problem, das sich nicht durch Abschieben lösen lässt. Und Polizei und Ordnungsamt? Verweisen hier jeweils auf den anderen, wie berichtet wird. Das kennt man vom Neumarkt.
Als ich mit Fatima Kaymakoglu über die Misere sprach, war die Stadtbild-Debatte bei ihr noch nicht angekommen. Zu viel um die Ohren. Nun hat das missverständliche Kanzler-Wort auch sie erreicht und ausgelöst, was ich von vielen Freunden und Freundinnen höre, die mindestens ein Elternteil haben, das aus Italien, Griechenland, der Türkei, Jugoslawien in aller Vielfalt oder weiteren Ländern stammt. Sie haben ein Störgefühl. Die Selbstverständlichkeit, in der sie hier leben, hat einen Riss bekommen. Besser ist wenig geworden, schlechter vieles, insbesondere in einer von Migration geprägten Stadt wie Köln.
Wie verletzend Alltagsrassismus sein kann, erlebte ich jüngst in einer Bäckerei. Eine junge Servicekraft, offenbar mit Wurzeln in Syrien oder der Türkei, verwies eine Kundin des Verkaufsraums – höflich, aber bestimmt. Die Frau soll gestohlen haben. „Du hast ja nicht einmal einen deutschen Pass. Was glaubst du, wer du bist?“, zischte die andere und ging. Die junge Frau bediente mich weiter, dann brach die Fassung. „Ich zittere ja am ganzen Körper“, sagte sie ungläubig, als ginge es nicht um sie selbst. Ihr Herz rase. Dann kämpfte die tief Verletzte mit den Tränen. Das sah ich selbst. Ich ging hilflos und beklommen.
Nun zu einem ganz anderen Thema. Kleider machen Leute. Die Novelle von Gottfried Keller schuf ein geflügeltes Wort. Das kam mir in den Sinn, als ich unseren künftigen Oberbürgermeister (OB) Torsten Burmester auf Instagram sah – lässig in Anzug mit weißen Turnschuhen. So war er zum Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Hendrik Wüst erschienen. Ob das nicht ein wenig zu lässig sei, fragte ich mich, zumal Wüst für seinen klassischen Stil bekannt ist. Anzug, weißes Hemd, Krawatte, schwarze Schuhe, gut geputzt.
Bin ich zu altmodisch? Um sicherzugehen, fragte ich Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate, den Autor des Bestsellers „Manieren“. Freunde des Kölner Presseclubs kennen ihn von unseren Veranstaltungen. Nein, meinte der 78-Jährige, die Kleidung des neuen OB sei nicht in Ordnung. Doch sei es andererseits normal geworden, auf Förmlichkeit zu verzichten – auf den Anzug mit Krawatte, den man auch wählt, um seinem Gegenüber Respekt zu zeigen.
Mit wehmütigem Unterton legte er nach. Angemessene Kleidung signalisiere dem Mitmenschen, etwas Besonderes zu sein. Sie sei ein Statement. So, wie Arbeiter früher an Sonn- und Feiertagen großen Wert darauf legten, gut gekleidet zu sein. Der „Sonntagsstaat“, der häufig vererbt wurde, sollte oberen Schichten zeigen, dass sie nicht besser seien und man selber für die eigene Familie sorgen könne. Heute sehen selbst Firmenchefs nicht aus wie Arbeiter früher am Sonntag, muss ich feststellen.
Dieser Tage erläuterte Kölns Kämmerin Dörte Diemert in der FAZ im Detail die Finanzkrise der Kommunen und Kölns. Vor Vertretern der Politik liegen ernste Aufgaben – ob in Berlin oder am Rhein. Den Respekt vor der Lage kann bereits Kleidung ausdrücken. Anders gesagt: Wenn man Entscheidungen vertreten muss, die in das Leben anderer einschneiden, sollte man nicht aussehen, als komme man von der Cocktail Bar oder dem Beach Club.
All das wollte und will der künftige OB wohl auch nicht. Vermutlich möchte er als Bürger rüberkommen, als Torsten von nebenan. So liest die Kleidung sich – so fein wie nötig und so erdverbunden wie möglich. Das hört man auch von denen, die ihn als Kumpel kennen. Den Torsten von nebenan. Der laut Zeitung mit dem Bus zur Arbeit fahren will. Die KVB hat schon ganz andere gute Absichten pulverisiert.
Hauptsache, Burmester geht die drängenden Probleme an. Auch so erweist man den Mitmenschen seinen Respekt.
Herzlich grüßt
Ihr
Peter Pauls