Newsletter 12. Juni 2020

Newsletter vom 12.06.2020

Die Metropolregion – zu stark, um zu laufen?
Wenn die Corona-Pandemie vorüber ist, machen wir dann da weiter, wo wir Mitte März aufgehört haben, als der Stillstand begann? Keineswegs. Deutschland ist nicht in einen Dornröschenschlaf gefallen, der die Jugend bewahrt. Kein Virologe und keine Kanzlerin wird diese Gesellschaft einfach so wachküssen können.

Das Land, seine Leute und die Wirtschaft haben sich drastisch verändert. In welchem Maß, das werden wir erleben, aber vieles kennen wir bereits. Deutschland kauft Online ein. Ständig kurven Paketdienste durch die Straßen. Was bedeutet das für unsere Einkaufsstraßen, allen voran Hohe Straße und Schildergasse? Ketten, Ramschläden, Leerstände? Und Deutschland zahlt kontakt- und bargeldlos. Erinnern Sie sich? Gern würden staatsgläubige Teile der Politik das Bargeld abschaffen.

Warum waren Metropolen wie New York, Paris und London besonders von Covid-19 heimgesucht? Weil U-Bahnen effektive Virenschleudern sind. Was bedeutet das für unseren öffentlichen Personen-Nahverkehr? Fahren wir lieber mit Fahrrad oder Elektromobil in die City? So möchte es die Politik. Welche Antwort hat die Stadt Köln, die Individualverkehr generell wenig schätzt, Parkplätze streicht und Tempo 30 weitflächig einführt?

Allmählich ist es genug mit Online-Konferenzen? Aber vieles kann man doch auf diese Weise erledigen. Es ist praktisch. Das gilt auch für das Home-Office. Wie verändert sich dadurch unsere Arbeitswelt? Werden die Verkehrsströme schwächer? Sinkt der Bedarf an Bürofläche?

Es gibt Arbeitgeber – sicher nicht alle -, die muss man gar nicht per Gesetz zwingen, Home-Office einzuführen. Die jährlichen Kosten pro Büro-Arbeitsplatz summieren sich schnell auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Wenn 20 Arbeitskräfte Home-Office machen, spart das bis zu einer Million Euro.

Es sitzt in Köln eine Institution, die sich für Nach-Corona-Wandel besonders interessieren muss: die Metropolregion Rheinland. Sie ist der freiwillige Zusammenschluss von Städten wie Köln, Düsseldorf, Aachen, Wuppertal und Mönchengladbach, von Landkreisen und Wirtschaftsverbänden, insgesamt 35 an der Zahl. 8,6 Millionen Menschen leben in ihr. Bestenfalls würde der eingetragene Verein, der an ihrer Spitze steht, Lösungen für diese neuen Herausforderungen und Fragen entwickeln, zumindest aber vermitteln.

Die Metropolregion hat einen Internetauftritt, der gleichsam eine Art Visitenkarte ist. Leider ist er überkommen in der Form und im Wortsinn ungepflegt bis vernachlässigt im Inhalt. Der noblen Unterbringung in einer der besten Büroadressen – im 18. Stock des Kölner Triangle Hochhauses in Deutz – entspricht er nicht. Noch jetzt, Mitte Juni, wird im Netz auf die Bewerbungsfrist zum „Rheinischen Kultursommer“ hingewiesen, die am 20. März endete. Wer den Newsletter bestellt, bekommt eine Bestätigungsmail, deren erstes Wort falsch geschrieben ist. Auf der Startseite finden sich in der Rubrik „Aktuelles“ für die vergangenen acht Monate ganze drei Einträge, von denen einer keine Überschrift hat und zwei völlig nichtssagend sind. Und so weiter. Geschäftsführerin Kirsten Jahn, die frühere Fraktionschefin der Kölner Grünen, verweist auf den „kompletten Relaunch“, der bald kommen soll.

Dabei mag der Eindruck täuschen, dass wenig bis nichts passiert. Der Verein ist wie ein Tausendfüßler. Allein 210 Delegierte sind zu den Mitgliederversammlungen eingeladen. Sie bilden „die politische Landschaft breit ab“, wie Kirsten Jahn es formuliert. Sie wirken aber auch wie der Versuch, möglichst jeden mit einem Pöstchen zu versorgen, damit niemand Angst um seine Interessen hat. Das Kernproblem des Vereins steht in keinem Arbeitsvertrag: Er muss erst einmal dafür sorgen, dass alle Beine dieses Tausendfüßlers in dieselbe Richtung laufen. Gerade jetzt könnte er dann – der Pandemie wegen – einen wertvollen Beitrag leisten.

Hat er dafür die Mittel? Rund 1,1 Million Euro darf der Verein in 2020 ausgeben. Wer das zahlt? Am Ende der Steuerzahler. Zieht man die üppigen Personalkosten (533.000 €) und die Miete für das Nobel-Büro (150.000 €) ab, ist bereits mehr als die Hälfte des Budgets verbraucht. Für die originäre Arbeit (Projekte, Werbekosten, Messen etc.) bleibt nur noch knapp ein Drittel des Etats.

Vermutlich wäre auch das auskömmlich, wenn die Führung geschickt arbeitet. Tut sie das? Aus dem Delegiertenfeld wird kritisiert, Jahn und ihre Kollegin Thönnissen hätten Probleme, ihre Ziele in konkrete Arbeitsschritte umzusetzen, sie zu operationalisieren. Die Leistungsbilanz sei tatsächlich so ärmlich wie es die Internetpräsenz nahelegt.

Knapp dreieinhalb Jahre nach seiner Gründung kann der Verein zeigen, was er kann. Oder auch nicht. Aber wozu braucht man ihn dann?

Nachdenkliche Grüße sendet

Peter Pauls

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