NEWSLETTER 8.09.2023

Warum die Berliner Ampelkoalition auf Friedrich Merz hofft und in Düsseldorf der Mann aus dem Schatten ans Licht drängt

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wie erklären sich die hohen Umfragewerte der AFD? Oder anders formuliert: Warum erzielt die größte Oppositionspartei CDU/CSU aus der offenbaren Unzufriedenheit mit der regierenden Ampelkoalition keine höhere Zustimmung? Laut Umfragen wachsen die Werte der Union im Vergleich zur Bundestagswahl vom September 2021 nur gering. Die AFD hingegen hat ihren Stimmenanteil etwa verdoppelt, wäre zurzeit sogar zweitstärkste politische Kraft.

Damit hat diese Partei dann eine „kritische Masse“ erreicht, erklärt mir Manfred Güllner, Chef des Umfrageinstituts „Forsa“. Das klassische rechtsradikale Potential von zehn Prozent der Wählerstimmen habe die AFD bereits ausgeschöpft. Aktuell bietet sich die Partei aber auch denen an, die von Regierungspolitik und Opposition gleichermaßen enttäuscht sind. Ohnehin ist die AFD mit ihren gestiegenen Werten nicht nur fester Bestandteil von Nachrichten, Kommentaren und Warnungen. Je vielstimmiger die Proteste eines vermeintlich intellektuellen Establishments sind, umso stärker gilt das manchen als Qualitätserweis. Ungewollt macht man die Partei dadurch größer.

Friedrich Merz könnte sich als die zweite Fehleinschätzung der Union nach Armin Laschet entpuppen, dem glücklosen Kanzlerkandidaten, formuliert Güllner. Merz sei als Person unbeliebt und verfolge eine falsche Konfrontations-Strategie. Sie erreiche das konsensorientierte Publikum nicht. Aber auch eine Bundesregierung, die sich mehr um Minderheiten als um Mehrheiten kümmere, arbeite an der Bevölkerung vorbei. Die Erhöhung des Bürgergelds etwa hat für den kantigen Güllner Signalcharakter. Nicht nur sei der Abstand zu regulären Löhnen zu gering. Auch wisse jeder um Missbrauch solcher Leistungen. Oder die Debatten um den Mindestlohn. Um sich als Kanzler behaupten zu können, müsse Olaf Scholz im Grunde hoffen, dass Friedrich Merz bleibt, sagt der 81-jährige sarkastisch.

In Nordrhein-Westfalen allerdings ist es anders. 2017 hat hier die CDU geerntet, was die SPD mit ihrer Landespolitik an Unzufriedenheit säte: eine CDU, die Beobachtern als „Intrigantenstadl“ galt, der in fast legendärer Oppositionsgemütlichkeit verharrte. Die Formulierung habe ich aus der immer noch lesenswerten Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche“ meiner Kollegen Tobias Blasius und Moritz Küpper.  Sie benennen einen Mann, der den Machtwechsel vor sechs Jahren im Hintergrund organisierte: Nathanael Liminski. Der „Mechaniker der Macht“, die „Präzisionsmaschine“. Er ordnete und organisierte die Opposition, benannte Themenfelder und entwickelte die „Schlusslicht-Bilanz“ der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Seither hat Liminski einen atemberaubenden Aufstieg genommen, ist einer der einflussreichsten deutschen Politiker geworden, sagt Moritz Küpper. Mittlerweile als NRW-Minister unterwegs, sei der heute 37jährige Dreh- und Angelpunkt der Landesregierung von Hendrik Wüst. Geräuschlos habe er den Koalitionsvertrag mit den Grünen im Detail verhandelt, arbeite mit Fleiß, Hingabe und Gewissenhaftigkeit, sei ein Machtfaktor im Kabinett. Mit Wüsts Vorgänger Laschet hatte er gleichsam symbiotisch gearbeitet. Heute bilden der Ministerpräsident und er gleichgewichtige Kraftzentren.

Der Schattenmann drängt ans Licht, hieß es jüngst in der Ruhrgebietszeitung WAZ. Da reiste Minister Liminski nach Polen. Und in der Ukraine war er als erstes Düsseldorfer Kabinettsmitglied. Da er auch das Thema „Medien“ verantwortet und sich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kümmert, hört und liest man regelmäßig von ihm. Ich freue mich, dass dieses Schwergewicht unsere Einladung in den Kölner Presseclub angenommen hat. Am Dienstag, 26. September, 19.30 h, können Sie ihn im Excelsior Hotel Ernst erleben. Anmeldung unter info@koelner-presseclub.de.

Um zum Beginn dieses Newsletters zurückzukehren: Das Duo Liminski-Wüst könnte das Blatt für CDU/CSU im Land noch wenden. Oder einer von beiden. Was Folgen für NRW hätte. Das ist jetzt zwar Kaffeesatz-Leserei – aber reden werden wir an dem Abend auch darüber. Moritz Küpper kennen Sie aus seiner langjährigen Vorstandsarbeit im Kölner Presseclub oder Sie hören ihn im Deutschlandfunk.  Immer noch beobachten er und Tobias Blasius die Landespolitik. Daher warte ich gespannt auf ihr zweites Buch „Hendrik Wüst – Der Machtwandler“.

In der aktuellen Folge ihres Poetry-Podcasts mit dem Titel „Auf einem anderen Planeten“ vergleicht Susanne Hengesbach zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein können: Im Gespräch mit ihrer Freundin Silke stellt sie die Pflege eines alten Menschen mit Demenz den vielfach auf Erfolg und persönliches Weiterkommen basierenden Posts einer LinkedIn-Welt gegenüber. Sie hören den Podcast hier.  Selten haben Worte mich so berührt, wie diese. Leichte Kost wartet nicht auf Sie.

Mitte Mai berichteten wir von der verzweifelten Lage des RSV Rath/Heumar . Ein Fußballverein mitten im Dorf, Treffpunkt, Integrationsmaschine. Kinder lernen hier fürs Leben. Aber: Der Sportplatz ist ein Sanierungsfall. Spielabbrüche, Pacht gekündigt. Nun hat die Kölner Politik das Thema als „dringlich“ erkannt. Ertüchtigung des Platzes steht in einer Ratsvorlage an erster Stelle. Dann geht es darum, den Verein langfristig zu sichern. Die Blaupause liegt vor. Es geschieht etwas! Eine gute Nachricht nicht nur für Rath, sondern für alle Ehrenamtler.

Ich wünsche Ihnen ein schönes, spätsommerliches Wochenende,

Ihr

Peter Pauls