NEWSLETTER 08.11.2024

Der Duft von Köln, Baustellen und TikTok: Wie eine junge Kölnerin das älteste Parfümhaus der Welt modernisiert

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

Amerikas Wahl, Deutschlands Ampel-Aus – das Gefühl von Sicherheit und Optimismus wird derzeit stark strapaziert. Statt Vertrauen zu schaffen, tragen die aktuellen politischen Entwicklungen eher zur Verunsicherung bei. Familienunternehmen in Deutschland stehen nicht allein dadurch vor einer enormen Belastung. Fast die Hälfte dieser Betriebe sieht sich in naher Zukunft mit einem Generationenwechsel konfrontiert, doch die Bereitschaft des Nachwuchses, das Ruder zu übernehmen, sinkt. Viele junge Menschen meiden das Risiko der Selbstständigkeit und setzen auf sicherere Alternativen. Doch es gibt Ausnahmen: Beim Kölner Unternehmen Farina 1709 – dem ältesten Parfümhaus der Welt – übernimmt Louise Farina, 24 Jahre jung, nach und nach die Leitung des Traditionshauses in der Kölner Altstadt. Dort, wo das weltberühmte „Eau de Cologne“ vor mehr als 300 Jahren erfunden wurde.

Im Erdgeschoss des Hauses gegenüber dem Jülichs-Platz bin ich mit ihr verabredet. Ein lebendiges Sprachengewirr umgibt mich – Touristen aus aller Welt schnuppern an den verschiedenen Eau-de-Cologne-Sorten. Rot ist hier die dominierende Farbe. Der Duft von Zitrus erfüllt die Luft, während im Museum unter uns die Geschichte dieses Hauses erzählt wird. Besuchergruppen lauschen den Erzählungen über die mehr als 315-jährige Historie und die Herausforderungen, die diese weltberühmte Marke prägten und mit deren Duft sich schon der Zar, Kaiserinnen, Könige, Feldherren, berühmte Schauspielerinnen und Dichter sowie politische Persönlichkeiten besprüht haben.

Als Louise schließlich eintritt, wird klar: Hier weht ein anderer Wind. Sie bringt nicht nur ihren fundierten wissenschaftlichen Hintergrund als Chemikerin ein, sondern auch ein modernes Verständnis von digitaler Markenführung. Als „Head of Innovation and Development“ arbeitet sie daran, die Marke „Farina – Eau de Cologne“ neu aufzustellen. Instagram, TikTok und Co. sind für sie essenziell, um die Geschichte von Farina  für eine junge Zielgruppe zu erzählen. Da hat die Kölnerin den richtigen Riecher  (ich verspreche, das werden die einzigen Kalauer in dem Newsletter bleiben) und ist ihrem Vater eine Nasenlänge voraus. Denn Johann Maria Farina stammt mit 66 Jahren noch aus einer „Vor-Social Media“ Welt.

Zwar ist Louise in der 9.Generation die erste Frau in der direkten Nachfolge, die die Leitung übernehmen wird, aber Frauen waren schon immer ein fester Teil des Unternehmens, betont  sie. „Meine Großmutter Tina Farina, zu der ich ein sehr enges Verhältnis hatte, und die Witwe Farina in der zweiten Generation, die von 1792-1800 Eigentümerin der Firma war und den Weg für ihre drei Söhne geebnet hat, haben das Unternehmen entscheidend geprägt. Unsere lange Tradition sowie die Familie sind das Fundament für unsere Unternehmenszukunft.“ So bleibt Johann Maria Farina vorerst Geschäftsführer. In fünf Jahren will Louise die Hauptverantwortung übernehmen. Auf die harmonische Zusammenarbeit mit dem Vater legt die Tochter großen Wert: „Uns verbindet eine gemeinsame Vision, und ich schätze es sehr, dass er mir in neuen Bereichen wie beispielsweise Social Media die Freiheit gibt, den Außenauftritt weiterzuentwickeln.“ 

Zur Zeit plant Louise den Umbau der Geschäftsräume – mehr Platz für Duftseminare und einen Relaunch des Duftmuseums. Ein Herzstück der Kölner Altstadt, das regelmäßig auf Monate ausgebucht ist. Während Touristen aus aller Welt und viele internationale Gruppen die lange Geschichte des berühmten Eau de Cologne erfahren wollen, bleiben die Kölner selbst oft fern. Ich frage mich, woran das liegt. Die Kölner feiern doch ihre Stadt bei jeder Gelegenheit und lieben ihre Traditionen. Auf der anderen Seite sind sie aber oft zurückhaltend, wenn es um Sehenswürdigkeiten in der eigenen Nachbarschaft geht. Das Farina-Duftmuseum ist da nur ein Beispiel von vielen. Ob hier nicht auch die umstrittene Verkehrsplanung der Stadt eine Mitschuld trägt?

Seit 17 Jahren dominiert eine Baustelle das Straßenbild vor dem Geschäft. Direkt gegenüber wird das MiQua-Museum gebaut, und ein Ende ist nicht in Sicht. In Köln dauert halt alles länger (und wird teurer). „Viele Kölner und vor allem ältere Leute erreichen unser Geschäft nicht mehr. Wer mit dem Auto kommt, ist im Verkehrschaos gefangen“, erklärt Louise. Hinzu kommt das absolute Halteverbot in der Altstadt, das den Zugang für Kunden fast unmöglich macht. „Wir haben keine Ladezone für Anlieferungen, keine Kundenparkplätze. Selbst unsere Lieferanten bekommen Knöllchen.“ Mit Kritik an politischen Entscheidungen in der Stadt steht sie ihrem Vater also in nichts nach. Johann Maria Farina vertritt seit Jahren die Anliegen der Innenstadt-Unternehmen und kritisiert die schwierigen Bedingungen durch Baustellen, Verkehrsverbote und eine autofeindliche Politik – zum Nachteil der Kunden und Geschäftsinhaber.

Die festgefahrene Kölner Verkehrssituation ist nicht das Einzige, in das Louise Bewegung bringen möchte: Die letzte Duftlinie, die Farina auf den Markt brachte, stammt aus den 1980er Jahren und wurde von Louises Großmutter, Tina Farina, entwickelt. Seitdem hat sich im Sortiment nicht viel getan. Nun steht ein weiteres, bislang geheimes Projekt in den Startlöchern, das die Handschrift von Louise tragen wird. Die Kunst und das Handwerk des Duftdesigns hat sie in Paris erlernt. Von der Seine zog es sie wieder an den Rhein. Louise als echtes Kölner Mädchen hat die lokale Verankerung der Marke stärker im Blick. Während Konkurrenten wie 4711 längst in Karnevalsliedern verewigt sind, bleibt Farina als Parfümlegende weitgehend unbesungen. Louise träumt davon, irgendwann mit einem eigenen Farina-Hit im Karneval präsent zu sein. „Ich würde nicht selbst singen, aber eine Initiative unterstützen“, verrät sie schmunzelnd. „Es wäre schön, wenn die Leute beim Wort Kölnischwasser an Farina denken – das Original, und nicht an 4711.

Ursprünglich bedeutete Farina auf Italienisch schlicht „Mehl“, doch die Familie verwandelte diesen Namen mit der Erfindung des Eau de Cologne in einen weltweit bekannten Begriff. Ein Stück Stadtgeschichte, auf das Köln selbstbewusster blicken könnte – schließlich ist es der Duft, der Köln zur Duftmetropole macht. So wie Louise Farina sehen viele Köln als eine Stadt voller Potenzial, die jedoch durch starre Strukturen, schleppende Projekte und eine oft chaotische Verkehrspolitik ihr eigenes Wirtschaftswachstum behindert. „Ich liebe meine Stadt, aber manchmal macht sie es einem wirklich schwer“, sagt sie abschließend. Und das ist vielleicht die größte Herausforderung für ein Unternehmen wie Farina : Zwischen Tradition und Innovation einen Weg zu finden – in einer Stadt, die sich oft selbst im Weg steht.

Mein Newsletter endet jetzt nicht mit einem „starke Frauen“-Narrativ, um den Wert und die Leistung von Frauen sichtbar zu machen. Auch junge Frauen wie Louise Farina sollten bereits als Persönlichkeiten wahrgenommen werden, die mit klarem Ziel in ihren Bereichen Verantwortung übernehmen und Veränderung vorantreiben wollen – besonders in stark männlich geprägten Feldern wie Wirtschaft und Finanzpolitik. Eine dieser Frauen ist auch  Anne Brorhilker, die ehemalige Cum-Ex-Ermittlerin, die mehr Konsequenz und Härte im Umgang mit Steuerbetrug fordert. Gemeinsam mit David Rühl und Peter Pauls (Vorstand des Kölner Presseclubs) wird sie darüber sprechen, wie Steuerkriminalität konsequenter bekämpft werden kann. Am Dienstag, 19. November 2024 um 19:30 Uhr im Hotel Excelsior – eine Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, ob die großen Betrüger zu oft ungeschoren davonkommen.

Melden Sie sich schon jetzt an unter: info@koelner-presseclub.de. Wir freuen uns auf Sie.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Claudia Hessel