NEWSLETTER 29.11.2024

Wie kann Köln wachsen und mehr Steuern einnehmen? Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft rät der Stadt zu mehr Ehrgeiz!

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

was meinen Sie? Ist Köln unregierbar? Oder wird der Begriff leichtfertig verwendet, weil er sich als pauschale Erklärung eignet und an den freundlich-chaotischen Grundton dieser Stadt anknüpft? Lange schon hat sich das Bild von der Unregierbarkeit verselbständigt und ist zum Alltagsgift geworden, das sich zu den Schwaden des Haschisch-Rauchs in der Stadt gesellt.

Bislang lebte es sich bequem mit dieser Entschuldigung. Doch nun ist es globaler Stress, der die Welt, Deutschland und damit auch Köln erfasst. Von der Herausforderung durch die vier großen D spricht der Wissenschaftler Hanno Kempermann: Dekarbonisierung (Reduzierung von Treibhausgasen), Deglobalisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel. International verliert Deutschland den Anschluss: Es fiel in einem internationalen Wettbewerbsindex auf den 24. Platz und mit seinen Wirtschaftsdaten in der Europäischen Union (EU) auf den vorletzten Platz zurück.

Wer möchte vor diesem Hintergrund in einer unregierbaren Stadt leben? Tatsächlich muss das niemand. Faktisch ist Oberbürgermeisterin (OB) Henriette Reker Dienstvorgesetzte von 22.900 aktiv Beschäftigten. Ihnen gegenüber hat sie ein Weisungsrecht. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten kann sie eine eigene Verwaltung formen.

Zurzeit führt Henriette Reker damit das größte Unternehmen Kölns. Vergangen die Zeiten, in denen das der Autobauer Ford war, ein produzierender Industriebetrieb. Erst nach der Rewe-Gruppe mit 22.000 weitgehend im Handel Beschäftigen im Raum Köln taucht Ford mit 12.300 Beschäftigten in einer Liste der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln auf. Anders als die Verwaltung zahlt Ford Gewerbesteuer.

Eben das markiert nach Ansicht Hanno Kempermanns die Schwäche Kölns, wie er als einer der Autoren in der Studie „Starke Wirtschaft, starkes Köln“ ausführt. Der Geschäftsführer der „Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Consult“ führt aus, dass 90 Prozent des städtischen Steueraufkommens wirtschaftsrelevant seien, also an Produktion, Veredelung und Wertschöpfung gebunden seien. Davon habe Köln aber zu wenig.

Das ist der Haken an einer Dienstleistungsgesellschaft: Naturgemäß fehlt es an Wertschöpfung. Stark vereinfacht könnte man sagen, wir schneiden einander die Haare, arbeiten somit zwar, schaffen aber keine Werte. In Köln ist der Anteil der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe in den vergangenen Jahren – „besonders stark“, wie das Papier sagt – auf neun Prozent gefallen.

Durch einen Zuwachs solcher Arbeitsplätze in der Industrie könnte die Stadt höhere Steuereinnahmen erzielen. Mit Ehrgeiz und Strategie, das ist die Grundthese hinter der Studie, würde Köln ökonomisch erfolgreicher sein als jetzt – da liegen Stadt und Umland derzeit abgeschlagen auf Rang 201 von 400 Kreisen und kreisfreien Städten. Weit hinter München (Platz 25), Frankfurt (Platz 81) und Berlin (Platz 99) als Referenzstädte.

Indirekt lobt die Studie auch. Köln und sein Umland verfügen über ein gutes Image und eine große Strahlkraft. Lage und Verkehrsanbindung der Universitätsstadt sind exzellent wie auch die Forschungslandschaft. Diese Faktoren hätten bereits überdurchschnittlich viele Unternehmen mit digitalem Profil angezogen. Aber um etwas daraus zu machen, müssten Stadt und umliegende Kreise entschlossener vorgehen.

„Ohne Ehrgeiz verliert Köln den Anschluss“, formuliert Hanno Kempermann ohne Umschweife und erläutert am Modellfall, wie ideale Wirtschaftspolitik aussehen könnte. Auf einer Fläche von 30 Hektar (entspricht 40 Fußballfeldern) werden systematisch Unternehmen und Start-ups aus den Bereichen neue Mobilität oder Bio-Medizin angesiedelt und mit Forschung sowie Wirtschaft verknüpft, damit konzentriert Innovationen entstehen. Und wo? Vielleicht auf dem Ford-Gelände, denn die  Autofirma produziert in Köln nur noch Elektrofahrzeuge. Sie sind einfacher herzustellen als Verbrenner. Daher macht das Unternehmen Flächen frei. Die Herausforderung sei, Projekte rasch anzugehen, neu zu denken und zu planen, sagt Kempermann.

Denn bisher, so die IW-Studie, kann die Wirtschaft in Köln sich nicht voll auf die Verwaltung verlassen. Nur ein Fünftel befragter Unternehmer sieht sich unterstützt. In München und Frankfurt sind es fast doppelt so viele. Gleichzeitig geben 73 Prozent der Kölner Unternehmen an, dass die Verwaltung ihre eigenen Interessen wahrt, während das nur rund 45 Prozent der Münchner und 61 Prozent der Frankfurter Unternehmen bei ihren Verwaltungen feststellen. München und Frankfurt tun also nach dieser Befragung mehr für die Unternehmen und weniger für sich selbst als Köln.

Das IW rührt hier an ein leidiges Thema: Die Verwaltung. Henriette Reker war als Oberbürgermeisterin angetreten mit dem Ziel, sie so zu reformieren, dass aus ihr eine schlagkräftige Truppe wird, die effektiv und entschlossen arbeitet. Doch zog erst das städtische Rechnungsprüfungsamt eine verheerende Bilanz dieser Reform. Nun kommt auch das Institut der deutschen Wirtschaft zu einem ernüchternden Urteil.

Übrigens wandern aus Köln auffällig viele ökonomisch aktive Menschen im Alter von 30 bis 50 Jahren ab. Die Konsequenz aus hohen Immobilienpreisen, wenigen Baugenehmigungen und geringeren Gehältern als im erfolgreicheren München oder Frankfurt.

Die Studie ist frei zugänglich und hier einsehbar. Sie ist Bestandsaufnahme wie Mahnung und wurde der Kölner Politik übergeben. Hoffen wir, dass sie sie liest. Wir fragen beizeiten nach.

Zum Schluss: Wir laden ein zum Jahresabschluss-Gespräch mit Forsa-Chef Manfred Güllner am Dienstag, 11. Dezember, 19.30 Uhr, im Excelsior Hotel Ernst. Anmeldung: info@koelner-presseclub.de. Wir freuen uns auf Sie!

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Pauls