NEWSLETTER 07.02.2025
„Wer Köln liebt, muss den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen!“ – Konrad Adenauer über die endlosen Diskussionen in der Politik.
Liebe Mitglieder des Kölner Presseclubs,
liebe Freundinnen und Freunde,
Konrad Adenauer – nicht der erste Bundeskanzler und Oberbürgermeister unserer Stadt, sondern sein Enkel – ist längst eine Institution in Köln. Viele schätzen ihn, manche fürchten ihn. Weil er ausspricht, was andere nur denken. Die Stadt, die sein Großvater einst vorangebracht hat, sieht er oft im Stillstand. Und das sagt er auch offen. So wie in seinen Kolumnen als Vorsitzender von Haus & Grund in der Zeitung Eigentum aktuell: Sie waren streng, unerbittlich, aber immer mit einer Botschaft: Köln kann es besser – und Köln muss es besser machen! Auch im Interview für meinen Newsletter hat er erwartungsgemäß kein Blatt vor den Mund genommen.
„Köln hat große Probleme“, sagt er mir in seinem Zuhause in Köln-Hohenlind. Schlechtes Management, ineffiziente Verwaltung, fehlender Mut. Dinge, die eine Stadt ausbremsen. Oberbürgermeister kamen und gingen – Schramma, Roters, Reker – doch an den Grundproblemen hat sich kaum etwas geändert, stellt er fest. Sie alle bekamen regelmäßig Post von ihm ins Rathaus. „Ein Bürger muss sich wehren können. Er muss sagen: Das passt mir nicht! Und er muss den Mut haben, das aufzuschreiben und öffentlich zu sagen“. Dieses Selbstverständnis als mündiger Bürger sieht er heute schwinden. „Viele sind zu bequem oder fürchten sich davor, anzuecken. Doch eine Stadt lebt von denen, die ehrenamtlich Verantwortung übernehmen.“
Verantwortung? Die trägt Konrad Adenauer im Übermaß – nicht selten zum Leidwesen seiner Familie. Ob Kulturprojekte, Denkmalschutz aber auch viele soziale Initiativen – wenn es ums Helfen und um den Erhalt von Geschichte geht, war und ist der ehemalige Notar und Jurist zur Stelle. 2015 übernahm er den Vorsitz der Stiftung Stadtgedächtnis in Köln, die Geld für die Rettung der beim Archiveinsturz 2009 zerstörten Dokumente sammelt. Seitdem hat er die Stiftung auf Kurs gebracht, Kosten gesenkt und eine wegweisende Entscheidung getroffen: Aus der Ewigkeitsstiftung wurde eine Verbrauchsstiftung. Das Geld wird gezielt für die Restaurierung ausgegeben – 2042 ist Schluss.
Als ich ihn fragte, welche Projekte ihm besonders am Herzen liegen, nennt er auch das jüdische Museum MiQua. „Viele Kölner wissen nicht, dass es sich um ein historisches jüdisches Viertel handelt“, sagt er. „Diese Stadt vergisst manchmal, was wirklich wichtig ist.“
Dazu führt er auch die Umbenennung des Kleinen Offenbach-Platzes in den Dirk-Bach-Platz an. „Das ist der falsche Ort für eine solche Ehrung“, kritisiert Adenauer. Köln hatte herausragende Künstler mit internationalem Ruf wie den Schauspieler Kaspar Brüdinghaus oder Schauspielerin Gisela Holzinger, zählt er auf. An die Oper gehöre Hochkultur, so seine feste Überzeugung. Dirk Bach sei – wie Trude Herr – mehr in der Severinsvolksseele verankert. Diese Namen hätten ihren Platz im Veedel, nicht an der Oper. Sein Vorschlag? Die Bildung eines Ehrenrates, der über Platz- und Straßennamen sowie Ehrenbürgerschaften entscheidet. „Es darf nicht nur um Geschlecht oder Zeitgeist gehen. Entscheidend ist der tatsächliche Verdienst um die Stadt.“
Was ihn besonders an Köln ärgert, wollte ich wissen. „Die Stadt verliert ihren Charakter. Statt Mut zu zeigen, verstrickt sich die Politik in endlose Diskussionen. Wer Köln liebt, muss auch den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen.“ Sein Großvater wollte einst den Hauptbahnhof nach Deutz verlegen. Heute, Jahrzehnte später, sind es Architekten wie Paul Böhm, die ähnliche Visionen weiterdenken. Doch was passiert stattdessen? „Nichts. Die Verantwortlichen haben keine Fantasie. Alles in Köln bleibt Stückwerk.“
Wer Konrad Adenauer kennt, weiß, einmal in Fahrt, ist er kaum zu bremsen. „Früher wurde in der Stadtverwaltung mit weniger Leuten mehr gearbeitet. Heute gibt es zu viele Mitarbeiter – und trotzdem dauert alles ewig.“ Köln sei zu langsam, zu zögerlich, zu bequem. Dabei brauche die Stadt keinen behäbigen Verwaltungsapparat, sondern einen mit Biss. „Die Bürger wollen eine starke Stadt – keine, die kraftlos vor sich hin dümpelt!“ Köln sei aber gelähmt von politischen Diskussionen und Prozessdenken. „Mein Großvater als Oberbürgermeister wusste, dass schnelle Entscheidungen den Unterschied machen. Heute wird alles aufgeschoben und verwaltet, anstatt mutig gestaltet.“
Er warnt in diesem Zusammenhang vor einem „Bazillus Coloniensis“ – einen Begriff, den Adenauer im Gespräch prägt. „Klingt gefährlich und hoch ansteckend“, meinte ich. „Ist es auch“, erwidert er schmunzelnd, um dann sofort ernsthaft fortzufahren: Führungskräfte kommen voller Elan nach Köln – und verfallen schnell in eine Art Lethargie, stellt er fest. Nach dem Motto: Reg dich nicht auf, es geht alles seinen gewohnten langsamen Gang. Doch das Problem sitzt seiner Meinung nach tiefer – und reicht bis in die Politik. Der Rat kümmere sich um jedes einzelne Detail, wie etwa Bürgersteige, anstatt die großen Linien vorzugeben. Das lähme die Stadt. Adenauer räumt jedoch ein, dass viele Ratsmitglieder sich ehrenamtlich engagieren, oft neben ihrem eigentlichen Beruf. Doch genau darin sieht er auch eine Schwäche des Systems. „Wer tagsüber sein Geld verdient und abends Politik macht, hat weder die Zeit noch die Kraft, langfristige Strategien für eine Metropole wie Köln zu entwickeln.“ Statt visionärer Stadtplanung dominieren kleinteilige Debatten, und am Ende werde oft gar nichts entschieden.
Wenn dann doch einmal eine Entscheidung fällt, ist es in seinen Augen ausgerechnet eine, die den Bürgern schadet. Als Beispiel führt er die Pläne des 1. FC Köln heran, mitten im Grüngürtel zu expandieren. „Köln gehört nicht dem FC! Sondern der FC gehört zu Köln“, sagt Adenauer. Doch der Verein, der für viele die kölsche Seele verkörpert, beansprucht für sich, was nicht ihm gehört: Naturraum, der für die ganze Stadt von Bedeutung sei. „Jetzt wird der Grüngürtel, den mein Großvater hat anlegen lassen, mit einem Betonklotz verbaut. Der FC kann überall trainieren – aber nicht auf Kosten des Grüngürtels.“
Für Adenauer ein weiteres Zeichen dafür, dass Köln an der falschen Stelle Prioritäten setzt. Wer bestimmt, was wirklich wichtig ist für unsere Stadt? Adenauer ist überzeugt, dass Köln eine Führungspersönlichkeit braucht, die mehr macht als nur zu moderieren. „Ein OB muss nicht nur verwalten, sondern umsetzen. Und da kommt es auf das WIE an. Es reicht nicht, nur auf Karneval und Kölsch zu setzen. Köln braucht mehr Ratio und weniger Gefühl.“
Solche Worte mögen manchen unbequem erscheinen, doch das ist genau der Punkt: Köln braucht Klarheit, Entschlossenheit – und Menschen, die Missstände nicht nur erkennen, sondern auch benennen. Doch solche Mahner werden seltener. Es fehlen Menschen, die laut und klar sagen: Das reicht uns nicht! Ja, die Adenauers haben Ecken und Kanten. Kritiker werfen Konrad vor, er sei zu direkt und manchmal über das Ziel hinausgeschossen. Vielleicht. Aber ohne solche Stimmen bleibt vieles still.
Ältere Kölner wie er sehen ihre Stadt aus einer historischen Perspektive – einer, die zeigt, wie viel möglich war, wenn Entschlossenheit und Wille aufeinandertrafen. Die junge Generation hingegen tickt anders. Sie ist oft wilder, kompromisslos in ihren politischen Überzeugungen, aber auch eindimensional, wenn es um pragmatische Lösungen geht. Sie fordert Veränderung, aber nicht immer mit Blick auf das, was Köln ausmacht: auf seine Identität, seine Geschichte und das, was Bestand haben sollte.
Die einen mahnen, weil sie sich sorgen. Die anderen protestieren, weil sie etwas bewegen wollen. Beides kann richtig sein. Konrad Adenauer will immer noch mit 80 Jahren das Beste für seine Stadt. So wie alle Kölner mit Verstand, Herz und Liebe zu ihrer Heimat. In seiner Familie ist das nie eine Frage des Wollens – es ist Pflicht. Vielleicht sollten sich die Generationen genau darin treffen: in der Verantwortung für Köln.
Mit besten Grüßen
Ihre Claudia Hessel