NEWSLETTER 24.01.2025
Die Stadt will dort sparen, wo es nur zusätzlich teuer werden kann. Viele Ehrenamtler wissen nicht weiter.
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
selten habe ich in meinem Umfeld so viel Entrüstung über Pläne aus der Kommunalpolitik erlebt wie in den vergangenen Wochen. Die Stadtverwaltung um Oberbürgermeisterin Reker hat einen Haushaltsplan veröffentlicht, der starke Kürzungen vorsieht – und das in einem Bereich, der zur ehemaligen Beigeordneten für Soziales und Integration überhaupt nicht passt. Es betrifft einen Bereich, der in vielerlei Hinsicht schon Aufgaben des Staates übernimmt, die der Staat aber selbst gar nicht bewältigen könnte: den Sport.
Viele politische Themen sind wichtig, aber erreichen selten ihre Zielgruppe oder die nötige Aufmerksamkeit. Der Besuch der ehemaligen Oberstaatsanwältin Brorhilker, die den Cum-ex-Skandal aufgearbeitet hat, bestätigte im November im Gespräch mit dem Presseclub, wie mühsam es sein kann, selbst bei großen Skandalen der Bevölkerung zu erklären, in welchem Umfang sie betroffen ist und sich auch empören sollte. Die Kölner Stadtverwaltung hat es jedenfalls geschafft, die Vereinsleute auf den Baum zu bringen. Es geht um 20 Millionen Euro, die bislang für Sportförderung im Haushalt einplant waren. Sie sollen wegfallen.
Ausgerechnet im Sport also. Die Lage ist schon jetzt nicht gut. In den vergangenen Tagen haben zahlreiche Medien darüber berichtet, wie viele Sportstätten aussehen: kaputt, dreckig oder verwahrlost. Renovierungen wurden manchmal schon zusagt, aber seit Jahren nicht umgesetzt. Die Streichung der Förderung sollte also nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gesamte Lage schon vorher prekär war. Die Vereinsvertreter, mit denen ich gesprochen habe, konnten sich kaum zurückhalten. Die Emotionen hatten freien Lauf. Die Argumente liegen für sie auch der Hand. Die meisten Antworten auf meine Fragen bringen Enttäuschung, Wut und Verzweiflung mit sich. Es geht auch um Wertschätzung und die Frage, ob Politik und Verwaltung noch ein Gefühl dafür hat, was sie da entscheidet.
Emotionen haben immer einen Grund. Deshalb habe ich mal geschaut, was denn die Versprechen und Pläne der Politik sind – unabhängig vom aktuellen Kölner Haushaltsentwurf für 2025 und 2026. So hält die Bundeszentrale für politische Bildung fest: „Sportvereinen wird großes Potenzial für die soziale Integration zugeschrieben.“ Das Bundesministerium für Inneres und Heimat teilt mit: „Gemeinsame sportliche Aktivitäten fördern die Begegnung von Menschen ganz unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, sie schaffen Verständigung und gegenseitige Toleranz, wodurch Vorurteile abgebaut werden.“ Und das Ärzteblatt stellt fest: „Bewegungsmangel kommt die Gesellschaft teuer zu stehen. Es zeigt sich: Unzureichend aktive Menschen hatten 188 Euro höhere durchschnittliche jährliche Gesundheitskosten.“
Die Suche nach den politischen Zielen zeigt: ohne Sport sind Integration, Zusammenhalt und Gesundheit ziemlich schwer zu leisten – und vor allem: sie werden sehr teuer. Bliebe das Engagement der vielen Ehrenamtlichen aus, so stünde der Staat erst recht vor einem gehörigen Kostenproblem. Nun kommt also die Stadt Köln auf die Idee, die Sportförderung stark kürzen zu wollen. 20 Millionen bei einem Haushalt in Höhe von mehr als sechs Milliarden. Dabei sollte nicht außer Acht bleiben: Die Argumente der Stadt sind ebenso konsequent wie verzweifelt. Köln steckt in einer Finanzkrise. Während in der Zeit der Corona-Pandemie noch ein Überschuss verbucht wurde, so kippte die Lage 2023. Die jährlichen Defizite belaufen sich mittlerweile auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Das wird sich laut Prognosen auch bis 2029 nicht ändern. Das Plädoyer der Verantwortlichen dürfte deshalb lauten: Es wäre fahrlässig, bliebe alles wie es ist. Es muss gespart werden.
Und so ist es besonders tragisch, dass die Spielstätten bei vielen Vereinen nicht repariert oder gewartet wurden als die Lage noch gut war. In Gesprächen mit Vereinsvertretern kommt dann auch immer ein Satz: „Das Geld ist für andere Dinge doch da!“ Diese „anderen Dinge“ werden gerne als „Hochkultur“ bezeichnet. Die Oper ist zum Symbol eines Kölner Offenbarungseides geworden. Die U-Bahn auch und die Debatte über einen weiteren Tunnel in der Innenstadt (die Ost-West-Achse) können diese Vereinsleute schon gar nicht mehr ernst nehmen. Die Stadt hat es versäumt Prioritäten zu setzen und ist, so zumindest das Gefühl, nicht zum Umdenken bereit.
Die Oberbürgermeisterin wurde übrigens von Pressekollegen zu einer Stellungnahme angefragt. Geantwortet hat ihr Sprecher. Auch das mutet merkwürdig an. Köln feiert sich gerne für sein Gefühl und den Zusammenhalt. Ein Unikum in Deutschland. Die Stadt droht das jetzt zu verspielen. So wie die Stadtverwaltung hier reagiert, halte ich es für gefährlich. Mir ist bewusst, das verschiedene Ratsfraktionen bereits dabei sind, ihr Bestes für eine Lösung zu geben. Möge die öffentliche Debatte und die anstehende Kommunalwahl auch eine Motivation sein, die Vereine nicht allein zu lassen.
Allen Ehrenamtlichen in den Vereinen danke ich für Ihr Engagement für unsere Stadt und sende an alle herzliche Grüße
Ihr
David Rühl