NEWSLETTER 20.10.2023

Immer ist Köln im Krisenmodus und liefert Negativschlagzeilen. Meine Suche nach dem Positiven in unserer Stadt

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

in Köln gibt es täglich neue Hiobsbotschaften: von missglückten Verkehrsversuchen, maroden Brücken, über die KVB, die Kirche, die Oper und dazu noch der Dreck und der Lärm mitten in der Nacht. Aber Köln wäre nicht Köln – man hadert mit der Stadt und liebt sie zugleich. Ich habe mich auf die Suche nach dem Positiven gemacht und Kölner Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft und der Kultur gefragt, worin sie Kölns Stärke sehen.

An erster Stelle steht der Klassiker „Herz und Leidenschaft“, den auch Stefan Löcher, Geschäftsführer der Lanxess Arena sofort nennt: „Die Stadt und ihre Einwohner sind so begeisterungsfähig, wie an kaum einem anderen Ort des Landes. Egal, welche Zielgruppen unsere jährlich 200 Events ansprechen, die Kölner sorgen immer für gute Stimmung! Wenn wir dieses Gemeinschaftsgefühl in gemeinsame Zukunftsprojekte einbringen würden, wäre Köln im Vergleich zu anderen Städten noch konkurrenzfähiger!“ Aber Löcher sorgt sich, dass der Sport-Standort Köln nicht mehr lange wettbewerbsfähig bleibt. Düsseldorf habe den wirtschaftlichen und kommunikativen Mehrwert von Sportgroßveranstaltungen erkannt und ein größeres Budget bereitstellt. 

In Köln haben wir eine gut aufgestellte Messe. Ihr Chef, Gerald Böse, erzählt mir, dass die Offenheit von Köln der größte Pluspunkt sei: „Wer in Köln zu Gast ist, spürt eine zwischenmenschliche Wärme, wie in keiner anderen Stadt. So spiegeln es mir alle unsere internationalen Messegäste und ich empfinde das genauso. Das Gefühl willkommen zu sein ist eine Stärke von Köln, die es nirgendwo anders gibt.“   

Über Köln etwas Gutes zu sagen, fällt Konrad Adenauer zunächst schwer. Der Schlendrian ärgert ihn. So fragt er sich, warum die Oberbürgermeisterin ihm noch nicht sagen könne, wo die Unterlagen sind, die die Vorgänge von 1995 zur vertraglichen Verankerung auf ein Vorkaufsrecht für das Technische Rathaus in Deutz erklären könnten. Der Stadtkasse gehen nach dem Ende des Mietvertrages im Jahr 2029 ca. 200 Mio Euro durch die Lappen. Diese Entwicklung in diesem nebulösen Kölner Klüngel- und Bauskandal verdient eine neue Betrachtung, finde nicht nur ich. Ungeachtet dessen lobt der Enkel des ehemaligen gleichnamigen Bundeskanzlers eine typische Eigenschaft: „Bewundernswert ist, wie der Kölner trotz aller Unkenrufe zu Stadt und Fußballclub hält und auch stolz auf beide ist. Der Kölner lässt sich nicht unterkriegen.“

Unterkriegen lässt sich auch nicht der Architekt Kaspar Kraemer. Jahrzehntelang kämpfte er mit anderen für den Neubau der maroden Rheinischen Musikschule und geriet dabei zwischen die Verwaltungs- und Politikmühlen. Nun soll 2025 nach 17 (!) Jahren ehrenamtlichen Engagements endlich ein neues modernes Gebäude den Nutzern übergeben werden. Trotz dieser mühsamen Erfahrungen kann Kaspar Kraemer auch loben: „Das Beste an Köln ist für mich das wunderbare kulturelle Angebot in allen Bereichen der Kunst: Die Schätze seiner Museen, das Angebot an Musik, Theater und Tanz, die Galerien und Buchhandlungen, die baukulturellen Reichtümer! Und das alles unterstützt von einem großen Kreis bürgerschaftlich engagierter Menschen zum Wohle der Stadt.  Die Verbindung von Kultur und bürgerschaftlichem Engagement – das ist das Beste für mich an Köln.“

Neben der Hochkultur ist Köln auch ein Pflaster für die freie Szene – mit vielen Herausforderungen. Wie nicht wenige, hadert auch Anja Kolacek vom Künstlerkollektiv raum 13 oft mit dem kommunalen Kleinklein, in dem es immer wieder Gründe gibt, warum gerade etwas nicht geht oder warum mal wieder etwas Einmaliges zerstört wird. Die Künstlerin misst nämlich der Kölner Geschichte die größte Bedeutung zu. „In Köln pocht das kulturelle und urbane Leben seit mehr als 2000 Jahren! Die ganze Stadt ist als Kunstwerk zu begreifen,“ sagt sie und wählt dafür einen ungewöhnlichen Vergleich: Wenn man dann am Kölner Leben teilhaben kann, ist das so wie zu einer schrulligen Großtante eingeladen zu werden: Man weiß nie, was einen erwartet. Das ist das künstlerisch Spannende an Köln.“

Zweitausend Jahre finden sich nicht nur in Steinen und Chroniken, sondern vor allem in Erzähltem und Geschriebenen, konstatiert Dr. Ulrich Soénius, Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv. „Inhaltlich hat die Stadt so viel zu bieten, dass sich heute die Kölner immer gerne etwas von gestern erzählen – um es morgen weiterzuerzählen. Geschichten um die Geschichte sind markenprägend für diese Stadt, und zwar in allen 86 Veedeln. Wenn das Lebensgefühl Köln ausmacht, dann ist auch immer etwas Historisches dabei.“

Auch wenn es bei uns immer wieder zu Reibungen, Verzögerungen und Frust kommt – es gibt auch gute Nachrichten: Köln hat mit mehr als 600.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen einen Beschäftigungsrekord. Auch die oft kritisierten Maßnahmen zur Digitalisierung zeigen Erfolge: Köln belegt im diesjährigen Smart City Index des Branchenverbands Bitkom hinter München und Hamburg den dritten Platz. Nicht nur zu Lande sondern auch auf dem Wasser ist Köln top: Die HGK Shipping ist das führende Binnenschifffahrtsunternehmen in Europa. Das sind positive Fakten, allerdings auch wenig emotional. Dagegen schaffen unsere Stärken wie Zusammengehörigkeitsgefühl, Begeisterungsfähigkeit, bürgerschaftliches Engagement – auch das des Karnevals, 2000 Jahre Geschichte und Geschichten –  in Köln Identität.

Wir sollten nicht alles schlecht reden. Ja, vieles könnte besser laufen. Dennoch ist es wichtig, den Blick auf die funktionierenden Dinge nicht zu verlieren, und auf die Bürger, die mit viel Engagement, die Stadt zu dem machen, was sie ist: irgendwie doch toll!  Wir in Köln sind nun mal etwas anders als der Rest der Republik. Wir sind auch die einzige Stadt in Deutschland, deren Abkürzung Kölle länger ist als das Ursprungswort.

Anderes Thema: Seit wenigen Wochen ist der Textil Discounter KiK auf der Schildergasse mit einem Pop-up-Geschäft vertreten. „Pop-up“ ist bedeutungsgleich mit ausprobieren. Der organisierte Handel weiß nicht recht, wie er das bewerten soll. Lieber Kik als Leerstand? Wir freuen uns, dass Kik-Chef Patrick Zahn uns im Kölner Presseclub Rede und Antwort stehen will. In dem Gespräch am Mittwoch, 8. November, im Excelsior Hotel Ernst (19.30 Uhr) geht es um Innenstädte am Beispiel Kölns – unser Gast lebt hier. Und natürlich sprechen wir über den Ruf des Discounters, wie er sein Image aufpoliert, über Sinn und Unsinn von Lieferketten sowie seine Sicht auf die Zukunft des stationären Handels. Kurzum: Wir sind so lokal wie international unterwegs. Ihre verbindliche Anmeldung erbitten wir unter info@koelner-presseclub.de.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 13.10.2023

Warum sich die Elektromobilität in Köln neue Wege suchen muss und deutsche Ämter mittlerweile schneller sind als gedacht.

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Gruppe der Autoren dieses Newsletters erweitert sich und deshalb darf ich mich erst einmal kurz vorstellen: einige kennen mich vielleicht noch aus der Moderation im SWR Fernsehen, als Stimme im Radio oder als Reporter bei wichtigen Gerichtsentscheidungen. Köln und das Rheinland waren aber immer mein Lebensmittelpunkt – egal, wo ich gearbeitet habe. Unterwegs in der Region bin nun auch ich seit wenigen Wochen mit einem E-Auto, womit wir beim heutigen Thema wären.

Es war fast wie beim Konzertkartenverkauf eines Popstars: noch am ersten Tag war das Kontingent erschöpft. Die Rede ist vom Förderprogramm zur „Eigenerzeugung und Nutzung von Solarstrom für Elektrofahrzeuge an Wohngebäuden“. Wer ein Eigenheim hat und ein E-Auto besitzt oder zumindest bestellt hat, konnte für die Investitionen in die Selbstversorgung mit Energie insgesamt bis zu 10.200 Euro vom Staat erhalten.

Noch am selben Tag berichtete die abwickelnde Förderbank KfW: schon der erste Tag des neuen Förderprogramms ist der letzte. 33.000 Anträge seien bewilligt und etwa 300 Millionen Euro ausgegeben. Mehr sei nicht im Budget des Bundes berücksichtigt gewesen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle meine ausdrückliche Ver- und Bewunderung auszudrücken, dass eine deutsche Behörde mittlerweile in der Lage ist an einem Tag nicht nur 33.000 digitale Anträge entgegenzunehmen, sondern auch noch zu bewilligen – obwohl die Internetseite zunächst mehrere Stunden überlastet war.

Dennoch habe ich mich gefragt, wie das Förderprogramm denn wohl für einen Kölner anzuwenden wäre? Mit der Eigentumswohnung im Mehrfamilienhaus in der Innenstadt wird es schon kompliziert. Der Stellplatz des Autos müsste in unmittelbarer Nähe liegen. Die allgemeine Kritik lautet deshalb auch, dass die Förderung nur denen diene, die sie finanziell gar nicht bräuchten, also den Eigenheimbesitzern in guter Lage oder am Stadtrand. Für wen ist so eine Förderung also eigentlich gedacht? Die Frage stellte sich nach meiner Ansicht erst als es schon zu spät war.

Noch eine andere Frage stellt sich mittlerweile: wie soll Elektromobilität überhaupt in einer Millionenstadt funktionieren? Gerne erinnere ich an das Gespräch des Kölner Presseclubs mit dem Chef der Rheinenergie, Andreas Feicht. Schon im Frühjahr erklärte er, dass sich die Strompreise wieder (wenn auch auf einem überdurchschnittlichen Niveau) normalisieren werden. Damit hatte sich ein großes Gegenargument für die Anschaffung eines Elektroautos wieder relativiert. Deshalb wird zunehmend diskutiert, wie denn in der Kölner Innenstadt die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden kann. Und das stellt sich schwieriger dar als es allgemein empfunden wird.

Zunächst gibt es im Kölner Innenstadtring keine einzige Schnellladestation. Diese stehen entweder hinter der Deutzer Bezirksgrenze, im Süden oder in Ehrenfeld. Meistens handelt es sich auch nur um zwei Ladeplätze. Einen großen Park für das schnelle Laden findet sich erst außerhalb Kölns, beispielsweise in Frechen. Warum? In der Diskussion mit Experten wird schnell klar: das Kölner Netz gibt nicht die Leistung her, die sich viele wünschen. Es bleibt überwiegend bei (11kW-) Ladestationen, bei der ein Elektroauto mehrere Stunden angeschlossen sein muss, um die Batterie auf mindestens 80 Prozent Ladekapazität zu bringen. Deshalb nutze auch ich für mein E-Auto vor der Fahrt in die Tiefgarage den schnellen Ladepunkt am Kreuz Köln-West.

Auch Gespräche aus einer Eigentümerversammlung stimmen mich nachdenklich: so wurde darüber nachgedacht alle 80 Stellplätze einer Tiefgarage mit Wallboxen auszustatten. Doch bis zu den Wallboxen war es in der konkreten Planung dann gar nicht gekommen, denn es fehlte noch der nötige Hausanschluss und die sichere Verteilung quer durch die Tiefgarage. Zusammen mit den Wallboxen wurden von einem Planungsbüro für die 80 Stellplätze knapp 950.000 Euro an Einmalinvestition veranschlagt. Das brachte die Eigentümer sofort dazu, die Planungen erst einmal zu den Akten zu legen – und (wie ich) auf eine bessere Ladeinfrastruktur in der Öffentlichkeit, insbesondere in der Innenstadt zu hoffen.

Sie sehen: da schließt sich ein Kreis. Jeder zeigt mit dem Finger auf den jeweils anderen. Politik, Anwohner und Versorger sollten deshalb einen Weg finden, wie das ganze logisch und effizient gedacht werden könnte. Eigentlich wäre es damit schon wieder Zeit für ein Gespräch mit dem Chef der Rheinenergie.

In diesem Sinne sendet elektrisierende Grüße

Ihr

David Rühl

NEWSLETTER 6.10.2023

Warum Damian Boeselager aus Sorge um Europa „Volt“ gründete und viele eine neue Links-Partei kennen, die es noch gar nicht gibt

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

sind Sie in Sorge, dass Populismus in der Weltpolitik überhandnimmt? Dass man etwas gegen den Zerfall Europas tun muss? Damian Boeselager erging es so, als er im November 2016 in New York erlebte, wie Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewann. Es war das Jahr des Brexits, des Höhenflugs von Marine Le Pen und der AFD. Viele machten sich Sorgen. Damian Boeselager beließ es nicht dabei und tat etwas Ungewöhnliches. Mit einer Französin und einem Italiener gründete der heute 35-jährige kurzerhand die pan-europäische Partei „Volt“.

Eine Partei zu gründen ist schwer. Sie in Parlamente zu bringen, dort zu halten und zu professionalisieren (Politik ist auch ein Handwerk) noch schwerer. „Nach fünf Tagen waren wir mehr. Und dann wurden wir noch mehr“, erinnert sich Boeselager. In der Europawahl 2019 zog er als einziger Volt-Abgeordneter ins Brüsseler Parlament ein. Angetrieben von einer Mischung aus Fleiß, Überzeugungskraft und Freude an der Sache, hat der frühere McKinsey-Berater an 25 Gesetzesvorhaben mitgewirkt, an sechs als verhandlungsführender Berichterstatter. Seinen Rechenschaftsbericht finden Sie hier.

Für die Europawahl 2024 droht eine Sperrklausel. Deutschland hat die gesetzlichen Grundlagen dafür bereits geschaffen und Volt kann das an den Lebensnerv gehen. In der Wahl von 2019 holte die Partei hier 0,7 Prozent. Zu wenig angesichts der Hürde von mindestens zwei Prozent, die im Raum steht. Dennoch habe ich von Boeselager keines dieser scharfen und polarisierenden Worte gehört, die zum Alltagsbestandteil von Politik geworden sind. Falls Ihnen der Name Boeselager bekannt vorkommt – der Großvater gehörte dem Widerstandskreis vom 20. Juli 1944 an.

Mut und Zuversicht sind offenbar enorme Energiequellen. „Versuchen ist besser als zuschauen“, sagt Boeselager im Gespräch. Seine Politik sei wertegesteuert: „Mein Traum ist, dass andere unsere Ziele stehlen.“ Ich freue mich, dass dieser aktive Parlamentarier unserer Einladung gefolgt ist und uns am Dienstag, 24. Oktober, 19.30 h im „rheingoldsalon“ (Hohe Straße 160-168) Rede und Antwort steht. Michael Hirz und ich moderieren.     

Was mir noch auffiel, ist Boeselagers Respekt vor Andersdenkenden. „Ich genieße unterschiedliche Perspektiven“, sagt er. Und: „Wenn es dir egal ist, ob dein Name auf Ideen steht, kannst du erfolgreich sein.“ Wichtig sei, dass die Europa-Politik transparent werde. Ursula von der Leyen sei in einem „völlig undurchsichtigen Verfahren“ von den 27 Länderchefs gewählt worden. Die EU-Kommission verfüge zudem über immense Befugnisse, ohne den Wählern gegenüber rechenschaftspflichtig zu sein. Kurzum: Ich erwarte einen spannenden Abend.

Klar ist, dass junge Parteien es schwer haben. Als Jürgen Todenhöfer vor drei Jahre eine eigene Partei gründete, gab ich ihm insgeheim dennoch gute Chancen. Jede seiner Veranstaltungen, die ich besuchte, war bis auf den letzten Stuhl besetzt – ob in der Kölner Volksbühne mit 402 oder der Essener Lichtburg mit 1250 Sitzplätzen. Sein Publikum sind oft Deutsche mit muslimischem Hintergrund, die sich öffentlich nicht ausreichend wahrgenommen fühlen. Das Umfrageinstitut Insa sah das Potential von „Team Todenhöfer“ laut seinem Gründer wenige Wochen vor der Wahl bei bis zu zwölf Prozent. „Wenn sie jetzt noch ins Fernsehen kommen, gehen ihre Werte durch die Decke“, sagten die Meinungsforscher.

Doch dazu kam es nicht. Seit Todenhöfer nicht mehr CDU-Mitglied ist, machen deutsche Medien – anders als internationale Häuser – einen Bogen um den erfahrenen Politiker. Die Vertreter anderer kleiner Parteien könnten sich darauf berufen, wenn auch sie ins Fernsehen oder die Zeitungen drängen. Anders gesagt: Als Chefredakteur, der ich viele Jahre war, hätte auch ich Damian Boeselager nicht einladen können. Mögliche Mitbewerber hätten zurecht Gleichbehandlung gefordert.  

Die Angst des Wählers vor dem Verlust der eigenen Wählerstimme durch die Fünf-Prozent-Hürde schade nicht nur seiner Partei, sondern auch allen anderen, die etwas bewirken wollen, resümiert Todenhöfer. Offenbar könne man Veränderungen nur herbeiführen, wenn man einer traditionellen Partei beitrete. Ob er frustriert sei? „Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut“, entgegnet der 82jährige. Die zentrale Frage sei, wie demokratisch diese Praxis ist. „Warum gibt es in Deutschland kein Vorwahlsystem wie in den USA?“ Eine Regelung jedenfalls, die Neubewerbern hilft, wahrgenommen zu werden?

Vermutlich erlebt die Bundesrepublik schon bald die Geburt einer weiteren Partei. Sahra Wagenknecht inszeniert seit Monaten die Abspaltung von der Linkspartei, der sie noch angehört. Ihre Botschaften tauchen in Schlagzeilen und Nachrichtensendungen auf. Das führt dazu, dass eine Partei, die noch nicht existiert, bereits jetzt bekannt ist.

Taktisch ist das klug. Doch auch hier gilt: Macht das Beispiel Schule, kann eine Zersplitterung der politischen Landschaft eintreten, die durch Sperrklauseln eigentlich verhindert werden soll. Die Weimarer Republik indes ist an Zersplitterung sicher nicht gescheitert.

Vergangenen Freitag konnten Sie durch ein technisches Versehen den Podcast von Susanne Hengesbach über die Einsamkeit des Kunden nicht anklicken. Aber diesmal. Jeder, der mal versucht hat, auf einer der gefühlt kilometerlangen Etagen eines Warenhauses jemanden zu finden, der einen sachkundig berät, kennt das. Wenn Shopping zum Halbmarathon wird finden Sie hier.  Viel Spaß beim Hören.

 

Ich wünsche Ihnen ein schönes, spätsommerliches Wochenende,

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 29.09.2023

Das Faxgerät abschaffen, löst kein digitales Problem in einer Verwaltung. Die schleppende Digitalisierung des Staates gefährdet die Demokratie

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

meterlange Schlangen von Menschen, die sich vor einem Kölner Bürgeramt die Beine in den Bauch stehen. Wieso muss man noch persönlich zum Amt? Die Kölner Verwaltung soll doch ein Leuchtfeuer der Digitalisierung sein!  Hier wird mit modernster Technologie gearbeitet – schnell, effizient und unbürokratisch. Die Stadt zählt sich bei jeder Gelegenheit vollmundig zu den digitalsten Städten Deutschlands.

„Solchen Rankings sollte man nicht allzu viel Bedeutung schenken“, widerspricht Valentina Kerst. „Jeder nationale Vergleich ist hinfällig, weil ganz Deutschland digital hinterherhinkt. Es gibt keine Stadt, deren Vorgänge alle top digitalisiert sind – manche machen es gut und manche eben nicht.“ Die Kölnerin war Staatssekretärin für Digitalisierung in Thüringen. Mit ihrem Kollegen Fedor Ruhose hat sie jetzt ein Buch über Digitalisierung in Deutschland geschrieben: „Schleichender Blackout. Wie wir das digitale Desaster verhindern.“

Von Blackout will man in Köln nichts wissen, hier wird reihenweise digitalisiert nach dem Motto: Irgendwo muss man mal anfangen. So wurden in den vergangenen vier Jahren laut Angaben der Stadt 105 Projekte in der Kategorie Dienstleistungen für Bürger digital umgesetzt. 48 weitere Projekte werden in diesem Jahr abgeschlossen und 14 Projekte sind in der Umsetzung für 2024 und darüber hinaus.  Abgeschlossen sind beispielsweise die Online-Anmeldung von Hunden, das E-Payment in der Stadtbibliothek, der QR-Code auf Gebührenbescheiden. Ja, im Geldeintreiben ist die Stadt ausnahmsweise ganz schön flink. Seit September können Kölner ihr Fahrzeug online an-, ab- und ummelden, bald kommt die E-Akte und das Baugenehmigungsverfahren wird jetzt digital erweitert.

Doch schaut man sich die Liste von bislang abgeschlossenen und den noch laufenden Projekte mal genauer an, passt im Grunde nichts zusammen. „Da ist keine Priorisierung von Prozessen, die für den Bürger am dringendsten sind“, kritisiert Valentina Kerst. Überall in deutschen Amtsstuben sieht sie dasselbe digitale Flickwerk und die großen Versprechungen an uns Bürger: Wir digitalisieren doch! „Alle machen mit, aber das WIE ist doch die große Frage“,  stellt Kerst fest.

Immer noch können viele Behördengänge nicht komplett online erledigt werden, weil ein Kompetenzgerangel herrsche zwischen Bund, Ländern, Kommunen und verschiedenen Behörden. Auch das große Wort Datenschutz stehe im Raum. Hinzukommt, dass der Bund aktuell nicht plane, mehr Geld für die Digitalisierung in der Verwaltung auszugeben. „Und solange der Bund nicht mitspielt, bleibt uns der Gang zum Amt nicht erspart“, sagt Kerst. „Um die Digitalisierung zu beschleunigen, braucht es eine andere politische Haltung. Das größte Problem ist, dass wir in Deutschland ein konservatives Gesamtsystem haben mit einer Liebe zum Amtsstempel“, erklärt Kerst. „Das Fax abzuschaffen, wie es die Kölner Verwaltung jetzt bis 2028 plant, löst da auch keine strukturellen digitalen Probleme“, sagt sie. Denn das bedeutet in Zukunft, dass die Bürger sich eine teure digitale Signatur oder in einem komplizierten Verfahren ein  Servicekonto zulegen müssen. So bleiben Behördengänge mit wenigen einfachen Mausklicks vorerst doch noch ein Traum.

Der Frust auf die Arbeitsweise der Verwaltung wächst, zumal unser eigenes Leben täglich immer digitaler wird. Wer bestellt nicht mit wenigen Klicks im Netz? Wer nutzt nicht ständig sein Handy um den Alltag zu organisieren? Da klafft eine große Lücke – mit Konsequenzen für unsere Gesellschaft. „Digitales Verwaltungsversagen ist gefährlich für die Demokratie“, warnt Valentina Kerst. „Mit jedem Jahr der verschleppten Digitalisierung geht das Vertrauen der Menschen in den Staat verloren. Das ist Wasser auf die Mühlen populistischer Stimmen. Es ist schwierig zu verstehen, wenn der deutsche Staat nicht in der Lage ist, Daten der Bürger aus vorhandenen Registern zusammen zu führen. Die Neufassung der Grundsteuer ist hier ein aktuelles Beispiel.“ Und weiter: „Die Menschen müssen dem vertrauen können, was die Politik anstößt. Eine funktionierende Verwaltung ist die Grundlage für einen funktionierenden Staat.“

In Zeiten schnellen Wandels und krisenhafter Herausforderungen, wie wir es gerade erleben, ist ein kompetenter und zuverlässiger Staat die wichtigste Stütze für Demokratie und Wohlstand. Wenn die digitale Transformation nicht gelingt, gerät Deutschland weiter ins Hintertreffen und unser Wohlstandsmodell in Gefahr. Dann beschreiten wir den Weg eines schleichenden Blackouts aufgrund fehlender Digitalisierung, wie die Autoren Kerst und Ruhose es in ihrem Buch beschreiben.

Gerade unsere Stadt Köln, die viertgrößte in Deutschland, sollte bei der Digitalisierung ein Vorbild werden. Da müssen alle Beteiligten – von Stadtspitze, über Politik bis hin zu den rund 22.000 Stadtverwaltungsangestellten und Beamten – an einem Strang ziehen. „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen“ – so zitierte die Oberbürgermeisterin kürzlich in einem Zeitungskommentar den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee vor 75 Jahren. Das sollte Richtschnur sein.

Digitalisierung ist kein Sprint sondern ein Marathon. Wie zäh etwas sein kann, darauf reimt Susanne Hengesbach in der aktuellen Folge ihres Poetry-Podcast. Jeder, der mal versucht hat auf einer der gefühlt kilometerlangen Etagen eines Warenhauses jemanden zu finden, der einen sachkundig berät, kennt das. Wenn also Shopping zum Halbmarathon wird finden Sie hier .  Viel Spaß beim Hören.

Mit digitalen Grüßen
Claudia Hessel

NEWSLETTER 22.09.2023

Warum schlechte Nachrichten auch positive Botschaften transportieren und die Top-AthletInnen aus Köln unsere Unterstützung brauchen

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

finden Sie, dass wir von zu vielen schlechten Nachrichten umgeben sind? Von schrillen Anklagen bis hin zur satten Skandalisierung? Dass gefühlt jede zweite Meinungsverschiedenheit zum Eklat oder Zerwürfnis umgedeutet wird? Die Startseite meines Internet-Browsers ist reich an solch drastischem Geschehen und fordert meine Selbstbeherrschung immer wieder heraus. Bloß nicht den Überschriften auf den Leim gehen.

Das Verhältnis von negativen zu positiven Meldungen habe sich tatsächlich verändert, sagte mir kürzlich Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut „Forsa“. War es früher ein 1:1-Verhältnis, auf eine schlechte folgte eine gute Nachricht, hat sich das verändert: Heute kommen vier negative auf eine positive Meldung. Es steht 4:1 fürs Schlechte. Woher das kommt? Stark vereinfacht ist der digitale News-Wettbewerb verantwortlich. Geht der eine mit einer Nachricht raus, muss der andere nachziehen. Häufig holt die saftigste Formulierung die meisten Klicks. Alles muss schnell gehen und viele Menschen erreichen.

Nun lade ich Sie zu einer Betrachtung ein, die wie die Redewendung vom halb vollen oder halb leeren Glas funktioniert. Timur Oruz (28) spielt Hockey für Rot-Weiß-Köln, ist Weltmeister, Olympionike, Medizinstudent. Die Sportstadt Köln aber existiert für ihn nicht. Die Worte stünden nur für eine leere Hülse, sagt er. Warum? Weil Köln die eigenen Olympia-Kader (OK) Athleten nicht fördere. Gespräche darüber mit Politik und Stadt blieben so erfolglos, dass Oruz sich 2021 bei der Kölner Sportnacht nicht nur weigerte, gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin fotografiert zu werden. Er und 24 weitere Spitzen-Athletinnen und -Athleten schlossen sich zum eigenen Netzwerk zusammen, dem „Verbund Kölner Athleten e. V.“ 

Was Köln leisten solle? „Da muss man das Rad nicht neu erfinden,“ sagt Timur Oruz, „sondern nur nach Düsseldorf schauen.“ 80 Spitzensportler unterstütze die Stadt (inklusive des Nachwuchses) dort. Um welche Summen es geht? Um mittlere dreistellige Beträge im Monat. „Sport ist für uns Lebensinhalt“, sagen die Athleten auf ihrer Homepage. „Aber zahlt er auch den Lebensunterhalt? Wir brauchen Unterstützung.“  

Dieser Internet-Auftritt der Kölner ist so großartig, dass sich die Geschichte hier für mich ins Positive wendet. Die einzelnen Sportlerinnen und Sportler stellen sich offen vor, als würden sie nebenan wohnen. Klar, dass sie viele olympische Medaillen und nationale sowie internationale Titel erwähnen. Das sind einige. Doch auch persönliches wie eine Diabetes-Erkrankung oder Mobbing in der Schulzeit werden nicht ausgeblendet. Felix Streng holte Gold auf 100 Metern bei den Paralympics und blickt auf eine beeindruckende Erfolgsbilanz nicht nur im Sport. Mir fiel Nelvie Tiafack auf, weil er boxt, was ich auf bescheidenem Niveau auch tue. Geboren in Kamerun, Boxer im Superschwergewicht, Deutscher- und Europa-Meister, Sportsoldat. „Meine größten Vorbilder sind Mama und Mike Tyson“, sagt er. Leonie Fiebig, die in diesem Jahr den Weltmeistertitel im Zweierbob gewann, hatte eigentlich als Turnerin begonnen. Kurzum: Man lernt Menschen kennen, nicht glänzende Abziehbilder und versteht deren Wunsch nach Unterstützung und Zusammenhalt.  

Die SportlerInnen haben bereits Sponsoren gewonnen. Rewe, die PSD Bank und die Seitz Rechtsanwälte etwa. Und sie haben prominente Unterstützer wie Andreas Rettig, neuer Sportchef des deutschen Fußballbunds, oder Michael Reschke von Schalke 04. Doch eigentlich sollten sie alle Zeit und Energie auf den Sport richten und nicht auf Unterstützersuche gehen müssen. „Der große Tag naht. Paris 2024! Viele von uns gehen für Köln auf große olympische Medaillenjagd. Unsere Chancen stehen gut. Aber: Gemeinsam erreicht man mehr,“ lautet der Appell der Athleten.  

An einigen Stellen dieser Geschichte habe ich mich geärgert. Weil Düsseldorf es uns wieder zeigt. Aber viel öfter haben mich diese Lebensläufe beeindruckt, der Wille, Höchstleistung zu erbringen und sich nicht entmutigen zu lassen. Im Verhältnis 1:4, würde ich sagen. Auf einen Ärger kommen vier Erfolge. Wollen Sie die Quote noch steigern und die Sportler unterstützen? Dann nehmen Sie Kontakt auf 

Und unser Bedürfnis nach guten Nachrichten? Wir fordern sie zwar, lesen aber zuerst das Negative. Das ergaben vor Jahrzehnten schon Tests mit Zeitungslesern. Aber der Widerspruch störte niemanden, er war ein offenes Geheimnis. Wer mehr Drama wollte, kaufte eine Boulevardzeitung. Das permanente digitale Grundrauschen gab es nicht. Heute sind wir dauernd Online und auf Sendung. Im Dauerlesen digitaler Texte befinden wir uns in einem vorbewussten Zustand. „Dann finden dramatische Nachrichten mehr Beachtung“, hat Jens Lönneker herausgefunden, dessen „rheingoldsalon“ mediale Wirklichkeit untersucht. „Wer in der Frühstückspause Zeitung liest, ist die Ausnahme“, sagt der Psychologe. Dabei sei die Auseinandersetzung mit Texten in ausgedruckter Form intensiver als in elektronischer. Was uns das lehrt? Wir tragen selbst zu einer Misere bei, die wir beklagen. 

Für mich gilt: Unsere Kölner Top-Athleten können in beiden medialen Welten bestehen. Sie sind in jeder Hinsicht außergewöhnlich.  

Und Susanne Hengesbach? In der neuen Folge ihres Poetry-Podcasts spricht sie mit ihrer Freundin Silke darüber, was Frauen inzwischen alles an sich gerissen haben und was sie auch ohne Männer (besser) können . . . Hier klicken, dann wissen Sie mehr.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 15.09.2023

Wo Ostdeutschland die Nase vorn hat,

Friedrich Merz irrt und der hyperventilierende Kulturkampf den Falschen hilft

  

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

man hat sich dran gewöhnt: Der Westen Deutschlands ist der Motor von Entwicklungen, hier spielt die Musik, wird Wohlstand generiert, Zukunft gestaltet. Der Osten? Na ja, hinkt halt hinterher, immer davon bedroht, abgehängt zu werden. Doch in einem Bereich verzeichnen wir seit Jahren eine Schubumkehr, hier geht der Osten voran, setzt den Trend: Mit dem wachsenden Erfolg der AfD haben die sogenannten Neuen Länder eine Lokomotivfunktion, dort ist die selbsternannte Alternative für Deutschland über weite Strecken schon Volkspartei. Gerade schickt sie sich an, im thüringischen Nordhausen ein weiteres kommunales Spitzenamt zu erobern. Wie kann das sein? Und warum vollzieht sich der Aufstieg der AfD in Ostdeutschland schneller?

„Vor 33 Jahren sind die damaligen DDR-Bürger in einen Zug nach Deutschland eingestiegen, aber viele sind da nie angekommen“, beschreibt Sergej Lochthofen die Entwicklung mit einem Bild. Der Erfurter Publizist und erfolgreiche Buchautor gilt als eine der wichtigsten Stimmen der neuen Bundesländer, seine Zeitdiagnosen sind gefragt. Die veränderte Wirklichkeit habe diejenigen Teile der Bevölkerung überfordert, für die Sicherheit und Überschaubarkeit vor Freiheit rangierten, die in Demokratie und offener Gesellschaft eher eine Bedrohung sähen. Ihre Prägung durch den DDR-Staat habe sie zudem anfällig für autoritäre Muster gemacht, für rechtspopulistisches und rechtsextremes Gedankengut.

Möglicherweise erleben wir im Westen gerade – zeitverzögert – auch eine große Verunsicherung. Die Welt, wie wir sie vielleicht in der Kindheit wahrgenommen haben, löst sich auf. Das Straßenbild ist bunter, was nicht alle Menschen als Bereicherung empfinden, Mitgliedschaften in Kirchengemeinden, Sportvereinen, Gewerkschaften und Chören gelten als uncool, Erfahrungen haben für die Arbeits- und Lebenswelt von heute nur noch eine randständige Bedeutung. Da kommt ein politisches Angebot wie das der AfD gerade recht, verspricht es doch, eine unrealistisch verklärte Vergangenheit wieder herzustellen: Ohne Globalisierung und Migration, hierarchisch geordnet, sozial gesichert. Schon ein flüchtiger Blick in Archive zeigt, dass es eine solche Vergangenheit nie gab – außer in Bullerbü.

Spricht man mit Sergej Lochthofen über dieses Thema, sieht er bei den demokratischen Parteien auch Fehler und Versäumnisse. Beim großen Angst-Thema Zuwanderung erkennt er deutliche Versäumnisse („zu viel Reagieren, zu wenig gestaltendes Handeln“), auch seien notwendige Entscheidungen immer wieder geschoben worden – etwa beim Klimaschutz – mit dem Ergebnis, dass Probleme sich irgendwann stapeln. Dass dann viele Wählerinnen und Wähler von solchen Parteien keine Lösungen mehr erwarten, versteht sich von selbst.

Aber: „Wir haben insgesamt als Gesellschaft eine Stimmung zugelassen, als wäre Deutschland in einem Zustand wie Afghanistan. Das ist natürlich kompletter Blödsinn.“ Das treibe dann nicht der Opposition in Berlin Stimmen zu, sondern sei Wasser auf die Mühlen der Ewiggestrigen, der Systemgegner, der Demokratiefeinde, der Frustrierten, ist Lochthofen überzeugt. Diese These scheint richtig zu sein: Bislang verfängt der Versuch von Teilen der CDU/CSU nicht, mit den Themen Gendern und Wokeness zu punkten. Die Umfragewerte der Union stagnieren, die Sympathien für Oppositionsführer Friedrich Merz liegen unter denen ungeliebter Ampel-Politiker, obwohl – oder weil? – er der konservative Frontmann im Kulturkampf ist. Sein Versprechen, als Vorsitzender der CDU die Zustimmungswerte der AfD zu halbieren, ist er schuldig geblieben. Im Gegenteil, sie sind heute bundesweit doppelt so hoch. Vielleicht ist die deutlichere Abgrenzung zu den AfD-Positionen zielführender, wie sie der smarte Hendrik Wüst in Düsseldorf pflegt, der dem hyperventilierenden Kulturkampf wenig abgewinnen kann, wie er vor Kurzem im Kölner Presseclub bekannte.

Die Immunisierung der Gesellschaft gegen rechtspopulistisches, teilweise rechtsextremes Gedankengut, so lernen wir, scheint schwieriger zu sein als die Entwicklung eines wirksamen Impfschutzes gegen das lebensgefährliche Corona-Virus.

Das Stichwort „braune Brühe“ wäre jetzt die wenig elegante Überleitung zum wöchentlichen Podcast unserer Kollegin Susanne Hengesbach. Aber das wäre natürlich etwas billig, also verzichte ich darauf, auch wenn es bei ihr unter anderem um Kaffee in seinen vielfältigen Erscheinungsformen geht. Allerdings: Eine Espresso-Maschine in der Preisklasse eines Kleinwagens ist noch lange kein Garant für echte Kaffeequalität. Und überhaupt, Fine Dining und Sterne-Küche sind das eine. Aber wie sieht es sonst aus mit dem, was in deutschen Restaurants und Cafés auf dem Tisch oder in der Tasse landet. Doch hören Sie selbst  .

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 8.09.2023

Warum die Berliner Ampelkoalition auf Friedrich Merz hofft und in Düsseldorf der Mann aus dem Schatten ans Licht drängt

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wie erklären sich die hohen Umfragewerte der AFD? Oder anders formuliert: Warum erzielt die größte Oppositionspartei CDU/CSU aus der offenbaren Unzufriedenheit mit der regierenden Ampelkoalition keine höhere Zustimmung? Laut Umfragen wachsen die Werte der Union im Vergleich zur Bundestagswahl vom September 2021 nur gering. Die AFD hingegen hat ihren Stimmenanteil etwa verdoppelt, wäre zurzeit sogar zweitstärkste politische Kraft.

Damit hat diese Partei dann eine „kritische Masse“ erreicht, erklärt mir Manfred Güllner, Chef des Umfrageinstituts „Forsa“. Das klassische rechtsradikale Potential von zehn Prozent der Wählerstimmen habe die AFD bereits ausgeschöpft. Aktuell bietet sich die Partei aber auch denen an, die von Regierungspolitik und Opposition gleichermaßen enttäuscht sind. Ohnehin ist die AFD mit ihren gestiegenen Werten nicht nur fester Bestandteil von Nachrichten, Kommentaren und Warnungen. Je vielstimmiger die Proteste eines vermeintlich intellektuellen Establishments sind, umso stärker gilt das manchen als Qualitätserweis. Ungewollt macht man die Partei dadurch größer.

Friedrich Merz könnte sich als die zweite Fehleinschätzung der Union nach Armin Laschet entpuppen, dem glücklosen Kanzlerkandidaten, formuliert Güllner. Merz sei als Person unbeliebt und verfolge eine falsche Konfrontations-Strategie. Sie erreiche das konsensorientierte Publikum nicht. Aber auch eine Bundesregierung, die sich mehr um Minderheiten als um Mehrheiten kümmere, arbeite an der Bevölkerung vorbei. Die Erhöhung des Bürgergelds etwa hat für den kantigen Güllner Signalcharakter. Nicht nur sei der Abstand zu regulären Löhnen zu gering. Auch wisse jeder um Missbrauch solcher Leistungen. Oder die Debatten um den Mindestlohn. Um sich als Kanzler behaupten zu können, müsse Olaf Scholz im Grunde hoffen, dass Friedrich Merz bleibt, sagt der 81-jährige sarkastisch.

In Nordrhein-Westfalen allerdings ist es anders. 2017 hat hier die CDU geerntet, was die SPD mit ihrer Landespolitik an Unzufriedenheit säte: eine CDU, die Beobachtern als „Intrigantenstadl“ galt, der in fast legendärer Oppositionsgemütlichkeit verharrte. Die Formulierung habe ich aus der immer noch lesenswerten Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche“ meiner Kollegen Tobias Blasius und Moritz Küpper.  Sie benennen einen Mann, der den Machtwechsel vor sechs Jahren im Hintergrund organisierte: Nathanael Liminski. Der „Mechaniker der Macht“, die „Präzisionsmaschine“. Er ordnete und organisierte die Opposition, benannte Themenfelder und entwickelte die „Schlusslicht-Bilanz“ der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Seither hat Liminski einen atemberaubenden Aufstieg genommen, ist einer der einflussreichsten deutschen Politiker geworden, sagt Moritz Küpper. Mittlerweile als NRW-Minister unterwegs, sei der heute 37jährige Dreh- und Angelpunkt der Landesregierung von Hendrik Wüst. Geräuschlos habe er den Koalitionsvertrag mit den Grünen im Detail verhandelt, arbeite mit Fleiß, Hingabe und Gewissenhaftigkeit, sei ein Machtfaktor im Kabinett. Mit Wüsts Vorgänger Laschet hatte er gleichsam symbiotisch gearbeitet. Heute bilden der Ministerpräsident und er gleichgewichtige Kraftzentren.

Der Schattenmann drängt ans Licht, hieß es jüngst in der Ruhrgebietszeitung WAZ. Da reiste Minister Liminski nach Polen. Und in der Ukraine war er als erstes Düsseldorfer Kabinettsmitglied. Da er auch das Thema „Medien“ verantwortet und sich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kümmert, hört und liest man regelmäßig von ihm. Ich freue mich, dass dieses Schwergewicht unsere Einladung in den Kölner Presseclub angenommen hat. Am Dienstag, 26. September, 19.30 h, können Sie ihn im Excelsior Hotel Ernst erleben. Anmeldung unter info@koelner-presseclub.de.

Um zum Beginn dieses Newsletters zurückzukehren: Das Duo Liminski-Wüst könnte das Blatt für CDU/CSU im Land noch wenden. Oder einer von beiden. Was Folgen für NRW hätte. Das ist jetzt zwar Kaffeesatz-Leserei – aber reden werden wir an dem Abend auch darüber. Moritz Küpper kennen Sie aus seiner langjährigen Vorstandsarbeit im Kölner Presseclub oder Sie hören ihn im Deutschlandfunk.  Immer noch beobachten er und Tobias Blasius die Landespolitik. Daher warte ich gespannt auf ihr zweites Buch „Hendrik Wüst – Der Machtwandler“.

In der aktuellen Folge ihres Poetry-Podcasts mit dem Titel „Auf einem anderen Planeten“ vergleicht Susanne Hengesbach zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein können: Im Gespräch mit ihrer Freundin Silke stellt sie die Pflege eines alten Menschen mit Demenz den vielfach auf Erfolg und persönliches Weiterkommen basierenden Posts einer LinkedIn-Welt gegenüber. Sie hören den Podcast hier.  Selten haben Worte mich so berührt, wie diese. Leichte Kost wartet nicht auf Sie.

Mitte Mai berichteten wir von der verzweifelten Lage des RSV Rath/Heumar . Ein Fußballverein mitten im Dorf, Treffpunkt, Integrationsmaschine. Kinder lernen hier fürs Leben. Aber: Der Sportplatz ist ein Sanierungsfall. Spielabbrüche, Pacht gekündigt. Nun hat die Kölner Politik das Thema als „dringlich“ erkannt. Ertüchtigung des Platzes steht in einer Ratsvorlage an erster Stelle. Dann geht es darum, den Verein langfristig zu sichern. Die Blaupause liegt vor. Es geschieht etwas! Eine gute Nachricht nicht nur für Rath, sondern für alle Ehrenamtler.

Ich wünsche Ihnen ein schönes, spätsommerliches Wochenende,

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 01.09.2023

Kölner Oper – Weltstadtniveau oder sanierter Nachkriegsbau? Ist Kultur in Köln noch attraktiv?

 

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

„Wenn der Dom fertig wird, geht die Welt unter.“ So sagt ein Kölner Sprichwort. 632 Jahre hat es gedauert, bis er in der heutigen Form vor uns stehen konnte. Fertig wird er aber wohl nie.  Bei einer anderen Dauerbaustelle in unserer Stadt scheint ein Ende in Sicht: Am 22. März 2024 soll die jahrelange, aufwändige Sanierung der denkmalgeschützten Kölner Oper und des benachbarten Schauspielhauses endlich abgeschlossen sein. Zumindest die Technik geht schon mal an den Start. Im Herbst wollen die beiden Spielstätten eröffnen. Voraussichtlich! Nach 12 Jahren Bauzeit.  Prognostizierte Herstellungskosten laut Stadt Köln bis dahin: 665 Mio. Euro.

„So viel Geld, und dann sieht es aus wie früher“, meint enttäuscht eine Besucherin, die kürzlich an einer Baustellenbegehung am Offenbachplatz teilnahm. Und das wird sicherlich noch für Diskussionen unter Kölnern sorgen: Die Foyers von Opern- und Schauspielhaus sowie der Zuschauerraum des Opernhauses werden denkmalgerecht wiederhergestellt – so wie der Architekt Wilhelm Riphahn in den 50er Jahren den Nachkriegsbau entworfen hat. Nur jetzt frisch saniert und technisch auf dem neuesten Stand. Dabei war es gerade der Einbau der komplizierten Haustechnik in das alte Gebäude, der die enormen Summen verschlungen hatte. Das Publikum sieht davon nichts.

Und dann ist da noch das Misstrauen den Verantwortlichen gegenüber, weil in Köln fast nichts fristgerecht fertig wird. Auch die Kölner Politik hat ihre berechtigten Zweifel: „Ob Köln im Herbst 2024 wieder eine moderne Oper und ein modernes Schauspiel haben wird, bleibt spannend.“ sagt Lorenz Deutsch. Er ist kulturpolitischer Sprecher der FDP-Ratsfraktion und Chef des FDP Kreisverbandes Köln. Und weiter: „Nach der niederschmetternden Erfahrung 2015 bleibe ich so lange skeptisch, bis ich die Eröffnung tatsächlich erlebe. Da ist viel Vertrauen kaputt gegangen. Das ist wohl auch ein Grundproblem zwischen Politik und Verwaltung in Köln.“

Genau das wird auch ein Thema am kommenden Mittwoch, 06.09.2023 um 19.30 Uhr sein. Zur Podiumsdiskussion des Kölner Presseclubs haben wir Lorenz Deutsch und den Kölner Kulturdezernenten Stefan Charles ins Hotel Excelsior eingeladen und wollen klären, welchen Stellwert Kultur in unserer Stadt überhaupt hat. Titel der Veranstaltung:  Marode, verschlafen oder geschlossen. Kölns Kunsttempel am Ende? Sie können sich hier gerne noch auf die Warteliste setzen lassen:  info@koelner-presseclub.de.

Falls doch ein Kölner Wunder geschieht und es im Herbst 2024 am Offenbachplatz tatsächlich losgehen sollte, dann steht noch die Frage im Raum, ob die neuen Häuser vom Publikum überhaupt angenommen werden. Kulturveranstaltungen aller Art haben angesichts derzeitiger Krisen einen schweren Stand: Die Förderungen werden zusammengestrichen, der Kulturetat schrumpft und dann bleibt auch noch das Publikum weg. Nicht wenige Spielstätten in Deutschland klagen über grassierenden Besucherschwund. Eine Patentlösung ist nicht in Sicht. Welche Relevanz haben noch Kunst und Kultur, wenn keiner mehr hingeht, will ich von Lorenz Deutsch wissen, der zugleich der neue Vorsitzende des NRW Kulturrates ist.

„Kunst und Kultur sollen die Gesellschaft anregen, bereichern und auch herausfordern. Ob das gelingt, zeigt sich nicht zuletzt an Besucherzahlen. Sie geben zwar keine Auskunft zu Qualität und Professionalität, aber ob es eine erhebliche gesellschaftliche Resonanz gibt, zeigen solche Zahlen schon. Es ist ein Problem, wenn unsere kulturellen Einrichtungen ihr Publikum nicht erreichen.“, sagt Lorenz Deutsch und fordert in Zeiten, in denen Kulturinstitutionen mit der Konkurrenz von Streaming, Internet, Games und Smartphones um Aufmerksamkeit buhlen müssen, andere Wege zu gehen. Warum schließen in einer Millionenstadt wie Köln die städtischen Museen um 18 Uhr? Damit grenzt man doch viele Menschen aus – gerade Berufstätige.“ Es geht ihm aber nicht allein um Öffnungszeiten. Museen müssen sich weiter entwickeln. Als sogenannte Dritte Orte könnten diese großen, öffentlichen Räume viel intensiver genutzt werden. Die langen Donnerstage geben seiner Meinung nach dafür schon ein Beispiel. „Wir müssen weg von Kulturstätten, die abends dunkel und geschlossen sind. Kooperationen mit anderen Akteuren in der Stadt könnten zu einem einladenden Programm führen, das mehr Menschen interessiert.“

Nun ist es in Köln aber so, dass viele Kulturstätten seit langem im Provisorium laufen oder ganz geschlossen sind. So wie das eingangs erwähnte Opernhaus und das Schauspiel, aber auch Museen wie das Römisch-Germanische, das Stadtmuseum, der Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museum, das jüdische Museum MiQua oder der vermeintlich große Wurf um die Historische Mitte mit der Via Culturalis kommen nur schleppend bis gar nicht voran.

Lorenz Deutsch gibt sich optimistisch: „Trotz aller Widrigkeiten ist Köln eine großartige Kulturstadt. Wenige Orte verfügen über so vielfältige Szenen in allen Sparten. Da sind wir spitze. Allerdings machen wir nicht genug daraus. Wir müssten das viel offensiver bewerben und für das Image unserer Stadt nutzen: Köln als kreative, innovative, diskursfreudige Stadt!“

Und wie fällt sein Urteil über die Arbeit des verantwortlichen Kölner Kulturdezernenten aus? „Stefan Charles spricht die richtigen Themen an: die Neuaufstellung der Museen, die Orientierung an internationalen Standards, Verbesserung der Strukturen in der freien Szene, Beiträge zur Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb als Beispiele. Welche konkreten Fortschritte wir dann tatsächlich in diesen Feldern erreichen, hängt natürlich von der Umsetzung in den nächsten Jahren ab. Wir müssen schneller und flexibler werden!“ Und genau da liegt es in der Domstadt im Argen: Reden kann Köln gut, die Stadt ist Ankündigungsweltmeister. Aber in der Umsetzung reicht es nur zur Kreisliga.

Susanne Hengesbach und ihr Poetry-Podcast „Da reim‘ ich mir was drauf“  ist heute politischer als sonst; aber trotzdem witzig und ihr ein echtes Anliegen. Es geht um das neue Selbstbestimmungsgesetz. Ihrer Meinung nach wird viel zu wenig über Risiken und Nebenwirkungen bei Geschlechts-Änderungen gesprochen. Sie finden ihn hier.

Herzliche Grüße und bis Mittwoch.  Ich freue mich auf eine spannende Diskussion. Sie können schon jetzt gerne Fragen stellen oder Ihre eigenen Erfahrungen einbringen.

 

Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 25.08.2023

Rheinenergie-Chef Feicht: Energiepreise nie mehr auf altem Niveau
Von vorsichtigem Optimismus, der Zukunft des Buchs und den Fans von Campingplätzen  

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

für Untergangspropheten ist der August nicht wirklich der ideale Monat. Er liegt einfach in der falschen Jahreszeit. Doch im vergangenen Jahr bot er sich an. Deutschland steuerte damals auf den Höhepunkt einer nie dagewesenen Energiekrise zu. Die düsteren Prognosen überschlugen sich: Stromabschaltungen, Kollaps der Wirtschaft, Zusammenbruch des öffentlichen Lebens. Ein Jahr später wirken diese Befürchtungen wie die Erinnerung an einen fernen Albtraum. Zumindest ist der Untergang erst einmal abgesagt.

Aber ist wirklich alles wieder gut? Schließlich ist der Gaspreis deutlich gesunken, er bewegt sich an den Handelsplätzen irgendwo zwischen 30 und 40 Euro pro Megawattstunde. Vor einem Jahr wurden noch mehr als 300 Euro aufgerufen. Jemand, der die Lage einschätzen kann, ist Andreas Feicht. Der Chef der RheinEnergie AG signalisiert vorsichtigen Optimismus: „Die Energiepreise haben sich etwas beruhigt, die Krisenszenarien liegen hinter uns.“ Die Speicherfüllstände näherten sich dem Maximum, es gebe für importiertes Gas genügend  Anlandeterminals, „insofern sind wir für den kommenden Winter erst einmal gut gerüstet.“

Aber gleichzeitig warnt er vor Sorglosigkeit. Die Preise seien auch deshalb so niedrig, weil der Verbrauch fehle. „Sie dürften spätestens dann wieder anziehen, wenn jahreszeitlich bedingt die Nachfrage steigt. Für die Zukunft gilt, Energiepreise werden nicht mehr das Niveau erreichen, das sie noch Mitte 2019 hatten, was am Weltmarkt und den steigenden Kosten für die Energiebereitstellung liegt.“ Deshalb rät der Kölner Energie-Manager auch unbedingt zu Sparsamkeit im Verbrauch. Das sei wichtig für die Energiesicherheit und nicht zuletzt für die Kundinnen und Kunden der Versorger. Schon ein kalter Winter macht Prognosen schnell zu Makulatur, dann gehen Preise rasch mal durch die Decke, von anderen Risiken – geopolitischen, Anschlägen auf die Infrastruktur – ganz abgesehen.

Mittel- und längerfristig arbeiteten, so Andreas Feicht, Stadtwerke und Kommunen an kommunalen Wärmeplänen. Sie sollen Sicherheit in der Frage bieten, auf welche Heizungsart man in den Häusern einer Stadt künftig setzen soll. „Solche Planungen entstehen nicht in drei Tagen“, bremst er die Erwartung auf schnelle Ergebnisse, „für Städte wie etwa Köln sollen sie, wie andernorts, bis zum zweiten Halbjahr 2026 vorliegen.“

Was drastisch gestiegene Energiepreise bedeuten, spürt eine Branche gerade ganz besonders: Die der Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage. Ihr besonderes Problem ist, dass sie gleichzeitig eine Strukturkrise bewältigen müssen, sich in einem epochalen Transformationsprozess befinden. Die Mediennutzung verändert sich rapide, die Tageszeitung und das Buch müssen einen Platz im schönen neuen und vor allem digitalen Alltag neu erkämpfen. Für den Kölner Presseclub Anlass genug, Kerstin Gleba in die Räume unseres Partners rheingold salon (29. August, 19.30 Uhr) einzuladen. Kerstin Gleba ist seit 2019 Verlegerin des renommierten Kölner Verlags Kiepenheuer & Witsch, der Heimat zahlreicher prominenter Autoren wie etwa des Nobelpreisträgers Heinrich Böll. Der Verlag gehört seit Jahrzehnten zu den Leuchttürmen des geistigen und gesellschaftlichen Lebens weit über Köln hinaus. Kerstin Gleba wird Einblicke in das schwieriger gewordene Geschäft mit dem gedruckten Wort geben, über Rolle und Zukunft des Buchs, über Autoren und – ja, auch das – Skandale. Zwar ist der rheingold salon bereits ausgebucht, aber für die Abonnenten unseres Newsletters habe ich fünf Karten zurückgelegt (Anmeldung über info@koelner-presseclub.de). Diesen Abend im Kölner Presseclub sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

Nicht nur solche Veranstaltungen gehören zur liebgewordenen Tradition im Kölner Presseclub. Auch der Poetry-Podcast unserer Kollegin Susanne Hengesbach hat mittlerweile seinen festen Platz und seine treuen Fans. In der aktuellen Ausgabe geht es um eine Spezies, die die Gemüter bewegt und Menschen sortenrein teilt in begeisterte Befürworter und entschiedene Gegner: Die Campingplatz-Benutzer. Im Gespräch mit ihrem Neffen Conrad nimmt Susanne Hengesbach diese sehr spezielle, aber weit verbreitete Gattung aufs Korn. Vielversprechender Titel dieser Podcast-Ausgabe: „Freiwillig eingesperrt“. Ich freue mich drauf. Sie finden sie hier.

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

 

 

NEWSLETTER 18.08.2023

Mehr handeln statt schönreden. Anwohner am Kölner Neumarkt wollen nicht mehr vertröstet werden und fordern Schluss mit der Kuschelpolitik.

 

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Köln ist schäbig. Die spontane Äußerung einer Frau neulich auf der Domplatte überraschte mich nicht. Die Dame musste ihrem Frust offenbar einfach Luft machen. Ich war an diesem Abend auf dem Weg zum Parkhaus. Ein Ort, an dem man besser keinen tiefen Atemzug nimmt. Eau de Cologne – der wahre Duft von Köln. Wenn das emsige Treiben tagsüber in Köln ruht, dann fällt es noch mehr auf, wie unattraktiv gerade die Innenstadt ist: Überquellende Mülleimer, lose Steine, hässliche Graffiti, geschlossene Kulturstätten, verlotterte Baustellen. Viele Kölner haben das Gefühl, dass die Stadt der Situation nicht mehr Herr wird. Das findet auch Konrad Adenauer. „Es ist doch erschütternd, dass erst Kölner Stadtführern der Kragen platzen muss, weil sie sich für unser Stadtbild vor Touristen schämen, bevor das Thema von der Kölner Oberbürgermeisterin zur Chefsache gemacht wird“, sagt mir der Vorstandsvorsitzende des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins.

Und wo bleibt die Chefsache Kölner Neumarkt? An dem zentralen Ort hält man sich eigentlich nur auf, um auf die Bahn zu warten. Doch es tut sich was. Bis Ende August soll ein gelber Pavillon mit Kulturprogramm auf dem trostlosen Platz zum Verweilen animieren. Lesungen, Konzerte, Zaubereien und Chill-out Musik zwischen tosendem Autoverkehr, kranken Junkies, kriminellen Dealern und betrunkenen Obdachlosen. Großstadtleben in Köln im Jahre 2023. Ob daran der historische Brunnen, der gerade für 1,5 Mio. Euro aufwändig renoviert wird, etwas ändert? Oder das schlicht gehaltene Gastronomiekonzept, das in Kürze zur besseren Aufenthaltsqualität beitragen soll? Mit niederschwelligen Angeboten für den Neumarkt also zu mehr Glanz, so plant es die Stadt.

„Glanz hat in Köln keine Chance.“, meint Henrik Hanstein zum Angebot der Stadt. Der 72- jährige ist Mitinhaber des Kunsthauses Lempertz am Neumarkt, des ältesten und größten Auktionshauses in Deutschland. Auch er leidet unter den jahrelangen üblen Zuständen am zentralen Platz. „Den alten Brunnen am Neumarkt wiederherzustellen, löst keine Probleme. Wir müssen endlich anpacken, erklärt er mir im Gespräch. „Die Situation ist immer noch abschreckend, nicht nur für Besucher und Anwohner, sondern auch für die Geschäftsleute rund um den Neumarkt. Gute Ladenlokale sind nicht mehr vermietbar mit dem Dreck und den menschlichen Hinterlassenschaften vor der Haustür.“ Er berichtet weiter, dass Hausbesitzer um ihre Mieteinnahmen fürchten.

Die Stadt Köln hat bereits etliche Maßnahmen ergriffen, um die Situation vor Ort zu verbessern: erhöhte Präsenz von Ordnungskräften, verstärkte Reinigungsmaßnahmen, ein Drogenkonsumraum, Förderprogramme für Obdachlose, soziale Unterstützung für Bedürftige, bis hin zu kulturellen Veranstaltungen. Wohlfahrtsverbände und ehrenamtliche Hilfsorganisationen unterstützen und leisten wertvolle Arbeit. Nichts davon greift nachhaltig, kritisieren Hanstein und Anwohner. Das Problem am Neumarkt sei nicht der Drogenkonsumraum und die Abhängigen, die ihn nutzen. „Es sind die Menschen, die sich ungehindert weiterhin ihre Nadel in aller Öffentlichkeit in den Arm drücken können.“, sagt er. Deren Hinterlassenschaften und das oft aggressive Verhalten betrunkener Obdachloser seien die Dinge, mit denen man sich nicht mehr abfinden wolle.

Schluss mit der Kuschelpolitik.“ sagt Henrik Hanstein und fordert auf dem Neumarkt endlich ein härteres Durchgreifen. Als gelungenes Beispiel zieht der renommierte Kunstfachmann immer wieder die Stadt Zürich heran: „Zürich hat sich den zentralen Platz zurückerobert, dort greift die Polizei rigoros durch“. Mithilfe von Prävention, Repression, Überlebenshilfe und Therapie ist es dort gelungen, dass die Drogen- und Obdachlosenszene weitestgehend aus dem Zürcher Stadtbild verschwunden ist. Warum gelingt das nicht auch in Köln, wundert sich nicht nur er.

In Köln gibt es schätzungsweise mehr als 6.000 Obdachlose. Die genaue Zahl kennt niemand. Tendenz steigend. In der Politik und in weiten Teilen der Gesellschaft herrscht die Auffassung: Obdachlose könne man nicht von ihren bekannten Treffpunkten – Josef-Haubrich-Hof, Wiener Platz oder Neumarkt – vertreiben. Sie seien Teil des großstädtischen Lebens. „Jeder Mensch habe das Recht auf Verwahrlosung“, wird eine Sprecherin des SKM in der Kölnischen Rundschau Ende Juli zitiert. Somit seien auch Fachkräften der sozialen Arbeit die Hände gebunden, wenn Menschen keine Hilfe annehmen möchten.“Der Kölner Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Wohnen, Dr. Harald Rau, spricht in einer Pressemitteilung zum Start des Förderprogramms „Weiterentwicklung der Kölner Hilfen für Menschen im Kontext Obdachlosigkeit“ im Jahr 2022: „Diese Verantwortlichengemeinschaften sollen auch obdachlose und suchtkranke Menschen einbeziehen, die gemeinsam den öffentlichen Raum und die Plätze unserer Stadt als ihr Wohnzimmer gestalten und wertvoll machen.“ Auch auf meine aktuelle Rückfrage bekräftigt er seine Aussage von damals: „Das gemeinsame Wohnzimmer muss wie das in einer WG gemeinsam geplant, gepflegt und bewohnt werden.“ Der Neumarkt als ein Wohnzimmer für alle?

„Ich dachte, ich höre nicht richtig“, reagiert Henrik Hanstein erstaunt, „ich habe den Sozialdezernenten noch nie bei unseren Rundgängen am Neumarkt gesehen.“ Der Dezernent bleibt den Anwohnern jedenfalls eine zufriedenstellende Antwort schuldig auf die Frage, wie man denn die unwürdigen Zustände  am Neumarkt endlich ändern will.  Gesamtkonzept? Fehlanzeige. Stattdessen wird auf die künftige Neugestaltung des Kölner Neumarkts  – inklusive Brunnen und Wohnzimmer  – verwiesen. Irgendwann.

Stückwerk, nichts tun oder schönreden – Mit dem gewohnten Kölner Schema kommt man den aktuellen Herausforderungen nicht bei. Dom, Neumarkt und auch andere Plätze in unserer Stadt wollen die Kölner in der verwahrlosten Form nicht mehr länger akzeptieren. Die Unzufriedenheit wächst. Stadt und Politik sind jetzt in der Pflicht, sonst spielt auch dieses Problem anderen in die Hände – spätestens bei der Kommunalwahl 2025.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte sich auch Susanne Hengesbach in ihrem neuen Poetry-Podcast. Es geht um ihre Partnersuche im Internet. Was sie auf den gängigen Internetportalen erlebt hat, erzählt sie hier. Etwaige  Namensgleichheit mit real existierenden Personen sind rein zufällig, möchte ich für diesen Truestory-podcast nicht unerwähnt lassen. Dennoch trifft Susanne Hengesbach mal wieder den Nagel auf den Kopf.

Viel Spaß beim Hören und bleiben Sie stets hoffnungsvoll in Köln gestimmt.

Es grüßt Sie Ihre

Claudia Hessel