NEWSLETTER 2.5.2025

Ein Attentat in Braunsfeld, Hass auf die Politik und das Versagen des Bürgertums

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Frau auf dem Braunsfelder Wochenmarkt ist arg- und schutzlos. Freundlich verteilt sie Rosen an die Besucher. Plötzlich sticht ein Mann mit einem Jagdmesser auf sie ein, verletzt sie lebensgefährlich am Hals. Sein Motiv: Hass. Hass auf eine Frau, die er persönlich nicht kennt. Aber er weiß: Sie ist Kommunalpolitikerin, will Oberbürgermeisterin werden. Das genügt ihm, denn er macht sie, die bislang als Sozialdezernentin in Köln arbeitet, für alles verantwortlich, was ihm nicht passt in diesem Land. Und das ist eine ganze Menge.

Diese heimtückische, brutale Gewalttat, begangen an Henriette Reker, ist jetzt zehn Jahre her. Doch das Entsetzen hat nicht zu Besinnung und Friedfertigkeit geführt – im Gegenteil. Die Zahl der Angriffe auf Politiker und Amtsträger hat zugenommen. Unflätige Drohbriefe, Shitstorms und körperliche Attacken bis hin zu Mordversuchen haben seither zugenommen, sie passieren täglich und die Tendenz ist steigend.

Die Angriffe hinterlassen Spuren. Wer will sich noch um ein öffentliches Amt bewerben, wenn er damit rechnen muss, dass er oder sie Opfer von Hetze und Gewalt werden? Wer will seine Familie solchen Gefahren aussetzen? Gerade in der Kommunalpolitik, wo Demokratie unmittelbar ge- und erlebt wird, ziehen immer mehr Menschen die Konsequenzen. Die Bereitschaft, Freizeit und Seelenruhe für einen Dienst an der Gemeinschaft zu opfern, sinkt, das belegen nicht nur spektakuläre Rücktritte von Ortsvorstehern, Bürgermeistern und Landräten, sondern auch belastbare Umfragen. Sich um das öffentliche Wohl kümmern? Dienst an der Allgemeinheit? Bitte ohne mich.

Höhere Strafen helfen wenig bis gar nichts. Die Angreifer bleiben meist anonym, wenn sie mit Eisenstangen oder Pfefferspray Kommunalpolitiker überfallen, wenn sie deren Häuser beschmieren, Scheiben einwerfen, Reifen durchstechen. Und die Kommunalpolitikerin von nebenan oder der Kommunalpolitiker von gegenüber sind schutzloser als ihre Spitzenkollegen in Berlin, sie brauchen den ständigen, unmittelbaren Kontakt zu den Menschen, die sie repräsentieren.

Das eigentliche Problem sind nicht die Gewalttäter und Pöbler. Das Problem sind vielmehr diejenigen, die Politik grundsätzlich verachten, die nörgelnd oder laut fluchend die deren vermeintliche Unfähigkeit, Dummheit und Korruptheit beklagen. Wer will sich das noch antun, in seiner Freizeit für eine schmale Aufwandsentschädigung einer missgelaunten, teilweise feindseligen Allgemeinheit rund um die Uhr als Watschenmann zur Verfügung zu stehen?

So entsteht ein gesellschaftliches Klima, das sich zwangsläufig radikalisiert. Das lange tonangebende Bürgertum hat zum Rückzug geblasen, lieber schimpft man übellaunig über „die Politik“, die nichts zustande bringt, sieht sich aber selbst nicht in der Pflicht. Wer mit offenen Ohren durch Golf- und Tennisclubs geht, auf Empfängen oder in Rotary Clubs genauer hinhört, muss schon eine sehr zuversichtliche Grundüberzeugung haben, um noch vom Gelingen der wohlhabendsten und freiheitlichsten Gesellschaft überzeugt zu sein, die es je auf deutschem Boden gegeben hat. Genau die aber steht auf dem Spiel.

Natürlich ist Kritik nicht nur erwünscht, sondern Voraussetzung für eine freiheitliche Gesellschaft. Aber mit Anstand, Maß und Mitte, differenziert und nicht pauschal – und damit bequem. Wenn sowieso alles Mist ist, warum sich dann damit beschäftigen?  Vielleicht sollte gerade das Bürgertum sich stärker aktiv einmischen, sich als Bollwerk gegen Hetze und Gewalt verstehen, Verantwortung für Staat und Gesellschaft fördern. Sich nicht von der zappeligen Ungeduld der sog. Sozialen Medien anstecken lassen. In außen- und sicherheitspolitisch so brisanten Zeiten eine Regierung Merz runterputzen, bevor sie überhaupt im Amt ist und eine Chance zum Versagen hat.

Letztlich hängt das Überleben von Demokratie und Wohlstand nicht von den Krakeelern auf Twitter ab oder von lautstarken Verschwörungstheoretikern. Es hängt ab von einem Bürgertum, das sich konstruktiv engagiert.

Dass der zentrale gesellschaftliche Kitt der Dialog ist, dieser Gedanke ist ein Kernelement für den Kölner Presseclub. Dazu gehört vor allem, die gelegentliche Sprachlosigkeit zwischen den Generationen aufzubrechen. Deshalb freuen wir uns, dass unser Partner Jens Lönneker mit Maxime Simon am 7. Mai im Rheingold-Salon ein öffentliches Generationengespräch führen wird. Ich bin gespannt und freue mich auf den zu erwartenden Erkenntnisgewinn.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 11.04.2025

Bürokratiemonster aus Brüssel lähmt noch den Mittelstand – Ein Schuss am Eigelstein, der sitzen muss?

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

mit 38 Angestellten ist die Firma Rasch Maschinenbau in Hürth übersichtlich. Doch steckt in ihr, was Deutschlands Wirtschaft groß gemacht hat. Unternehmertum, Innovation, Teamgeist, Präzision, Termintreue und die Bereitschaft, eigene Maschinen in alle Welt zu liefern. Wo immer Hohlkörper aus Schokolade – zurzeit sind das Hasen – in Aluminiumfolie einwickelt werden, erledigt das wahrscheinlich eine Maschine der Firma Rasch.

Chefin Tina Gerfer fiel mir auf, als sie Kanzler Olaf Scholz auf dem IHK-Jahresempfang mit dem Hinweis konfrontierte, Bürokratie lähme zunehmend ihre Geschäfte. Rasch Maschinenbau ist auf Kante genäht. Empfang? Ein Hauselektriker, der zufällig am Eingang stand, brachte mich auf die Chefetage, als ich die Managerin besuchte. Das Chef-Sekretariat hat andere Aufgaben, als Besuchern Kaffee zu kochen. Gerfer macht das selber und nebenher.

So, wie sie sich auch um das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ kümmert, das seit 2024 in der EU gilt. Es richtet sich an Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitern und soll Menschenrechte in Entwicklungs- und Schwellenländern sichern. Für die Kakaobohnen in unserer Schokolade zum Beispiel, die aus Sierra Leona kommen, soll man sich nicht schämen müssen, weil sie unter miserablen Bedingungen produziert wurden. Das gilt auch für viele andere Waren.

Mit diesem Gesetz hat Tina Gerfers Betrieb aufgrund seiner Produkte und der Betriebsgröße nichts zu tun. Doch rasch hat es sich zu einem Bürokratiemonster für fast jedes zweite deutsche Unternehmen entwickelt, denn Rasch Maschinenbau muss alle Berichtspflichten erfüllen, weil die Firma für ein großes Unternehmen produziert. Das wiederum muss seine Lieferkette deklarieren und reicht die Pflicht an die Zulieferer weiter. Egal, wie klein diese sind. Selbst in der Gruppe von Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern – in diese gehört Rasch Maschinenbau – sind die Hälfte aller Firmen vom Gesetz betroffen, stellt Dr. Adriana Neligan vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln fest. „Gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht“, urteilt sie nüchtern.  Die große Koalition in Berlin hat sich auf das Aus für das Gesetz verständigt. Mal schauen, ob und wann Tina Gerfer Vollzug meldet.

Wie die örtlichen Institutionen IHK oder die Handwerkskammer zu Köln kritisiert die Wissenschaftlerin, der Standort werde durch das Gesetz nicht nur teurer und weniger wettbewerbsfähig. Selbst sein Nutzen sei zweifelhaft. Für Kleinbetriebe, etwa in der Kakaoproduktion, sei die Materie zu komplex. Sie begünstige vielmehr Konzerne. Doch auch ganze Nationen, denen geholfen werden sollte, geraten dadurch ins Hintertreffen.

Aus Ländern wie Bangladesch oder Pakistan seien die deutschen Bekleidungsimporte 2023 um mehr als ein Fünftel eingebrochen, merkt Dr. Neligan. Dort habe man Probleme, sich mit den komplexen Vorgaben aus Brüssel auseinanderzusetzen. Der Handel ordere lieber gleich aus Ländern mit verlässlicher Verwaltungssorgfalt, um Strafen zu vermeiden. Mit all dem hat Tina Gerfers Maschinenbau-Betrieb nichts zu tun. Doch selbst das Offensichtliche muss sie schriftlich erklären. Jüngst erst hat sie 250 Seiten durchgeackert, um auf dem Gros der Blätter schriftlich zu notieren, dass diese oder jene Regelung auf sie nicht anwendbar ist.  

„Alle Beteiligten wussten von Anfang an, dass die Schutzziele mit dem Gesetz nicht zu erreichen sind“, moniert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein. Stattdessen würde den Unternehmen staatliche Verantwortung aufgebürdet. Eine Kritik, die sinngemäß auch von Hans Peter Wollseifer kommt, dem Präsidenten der Handwerkskammer zu Köln. Dabei seien dem Handwerk durchaus Aspekte wichtig, die Ressourcen, die Ökologie oder das soziale Miteinander fördern, sagt Wollseifer. Es sei ein Wettbewerbsvorteil, Nachhaltigkeit sichtbar darzustellen. Daher biete die Handwerkskammer Betrieben einen kostenfreien Nachhaltigkeitscheck.

Tina Gerfer hat klare Werte – auch ohne die EU. Dafür steht ein Gemälde ihres Großvaters, des Firmengründers Wilhelm Rasch. Es hängt in ihrem Büro. Er vermittelte der Enkelin, dass Respekt ein universeller Wert sei. Und er impfte ihr ein, laut zu lachen, wenn ihr jemand sage, sie sei „nur“ ein Mädchen. Zwei Erkenntnisse aus Tina Gerfers weltweiten Kontakten habe ich notiert. Werte wie Treu und Glauben gälten in Familienbetrieben und bei arabischen Kunden viel. Und wenn ein Argentinier einem die Hand darauf gebe, sei das so gut wie ein schriftlicher Vertrag. Wenn Brüssel das wüsste.

Szenenwechsel. „Wir haben noch einen Schuss . . . und der Schuss muss sitzen“, heißt es martialisch in einer WhatsApp, die am Eigelstein kursiert. „Wir haben nur diesen einen Schuss!“  Nein, es geht nicht um den Ukraine-Krieg. Es geht um die türkischen Grills in der Weidengasse. Seit Ende 2024 liegt ein Verwaltungsgerichtsurteil vor, das die Wirte verpflichtet, bis Ende April 2025 Grillgerüche aus der Luft zu filtern. Eine Gesundheitsgefahr sah das Gericht nicht. In Kürze wird das überprüfbar sein und die Angelegenheit geklärt.

Doch das wollen die Verfasser der Nachricht nicht abwarten. Sie setzen auf einen weiteren Prozess, ein Zivilverfahren, und sammeln Geld, von dem viel bereits geflossen zu sein scheint. Eine juristische „gute Ausgangsposition“ habe „rund 10.000 € zusätzlich gekostet“, heißt es. Zudem werden Einzelspender hervorgehoben, weil sie bereits 3000 € bzw. 2000 € „beigetragen“ haben. Arme Menschen sind hier nicht unterwegs. Ob sie „hochgiftige Gase“ in der Grill-Abluft vermuten, wie es der Bürgerverein Eigelstein tut? Der wolle wohl reine Alpenluft im innerstädtischen Viertel mit dichtestem Schienen-, Auto- und Schiffsverkehr, und schiebe türkischen Grills die Verantwortung zu, lästert ein Umweltexperte.

Jüngst hat der Vize-Vorsitzende des Bürgervereins, Atakan Taner, sein Amt niedergelegt. Seinem Ziel, am Eigelstein die Menschen zusammenzubringen, konnte er nicht nähergekommen, ein Alibi-Türke wollte er nicht sein. Wenn er erzählt, verstehe ich ihn.

Es gibt einen bürgerlichen Rassismus außerhalb dem der Straße. Er wehte auch in der Wahl zum Kölner CDU-Vorsitz, als die türkischstämmige Serap Güler von einem Gegenkandidaten unter Islamismus-Verdacht gestellt wurde. Nicht zum ersten Mal und nicht zum ersten Mal aus der eigenen Partei. „Ich habe immer gehofft, integrierte Türken würden zum Normalfall in Deutschland,“ sagt die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün ernüchtert. „Stattdessen wird die AFD immer stärker zur Normalität.“ Immerhin setzte Serap Güler sich trotz der Schläge unter die Gürtellinie als Parteichefin durch.

Ich wünsche uns Regen und ein schönes Wochenende

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 04.04.2025

„Ich kratze die Aufkleber selbst ab“ – Koelncongress-Geschäftsführer Ralf Nüsser über Tunnel, Tatenlosigkeit und die Liebe zu einer Stadt, die besser sein könnte.

 

 

Liebe Mitglieder,

liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

nicht immer sind es die Schlagzeilen, die uns in Köln beschäftigen. Nicht die Brocken, wie der Ost-West-Tunnel oder der mittlerweile milliardenschwere Opernbau und die nie endenden Diskussionen der Stadtpolitik. Oft sind es die kleinen Dinge am Rande, die uns auffallen – und symptomatisch sind für das Gefühl: Köln könnte mehr, wenn es nur öfter wollen würde.

Zugeklebte Schilder an Briefkästen des Kulturamts – kein Scherz, Peter Pauls hat es neulich beschrieben. Warnbaken, die offenbar vergessen werden. Und ein Tunnel, der mehr Schatten hat als Licht. Man schaut hin, schüttelt den Kopf – und fragt sich: Muss das so sein? Oder ist einfach wieder keiner zuständig?

Doch es gibt sie, die Menschen in dieser Stadt, die sich kümmern. Einer von ihnen ist Ralf Nüsser. Geschäftsführer der Koelncongress GmbH, seit Jahrzehnten Veranstaltungsprofi – und Kölner mit Leib und Seele. Schon 1989 fing er bei der Koelnmesse an – als Reiseverkehrskaufmann. Heute verantwortet er mit Koelncongress einige der wichtigsten Veranstaltungsorte der Stadt: den Gürzenich, die Flora, den Tanzbrunnen. Und jetzt auch das neue Confex, das zum 100-jährigen Bestehen der Koelnmesse im vergangenen Jahr eröffnet wurde. Eine hochmoderne Multifunktionshalle, ideal für internationale Kongresse, Events und Großveranstaltungen. ICE-Anschluss inklusive. Die Nachfrage ist riesig – die ersten Verträge für Medizinkongresse laufen bereits bis 2032. Es tut sich auf der rechten Rheinseite derzeit viel. Deutz wächst – städtebaulich, wirtschaftlich, kulturell. Eigentlich also alles bestens. Doch auf dem Weg dahin liegen Stolpersteine – wörtlich und im übertragenen Sinne.

Die Fußgängertunnel zwischen dem Auenweg, dem Bahnhof Köln Messe/Deutz und dem Messegelände sind für viele Gäste der erste Eindruck von Köln. Und der ist, so sagt mir Nüsser im Gespräch deutlich, alles andere als einladend. „Die Tunnel sind dreckig, dunkel, oft vermüllt. Manche Kongressgäste sagen mir: Das fühlt sich nicht sicher an“, berichtet er. Und man merkt: Das ist nicht einfach nur Kritik – das ist persönliche Betroffenheit. „Es ärgert mich, dass niemand zuständig ist. Die Bahn, weil es unter ihren Gleisen liegt? Die Stadt, weil es ein Gehweg ist? Oder am Ende die Standortbetreiber? Diese Zersplitterung der Verantwortung lähmt jede Verbesserung.“

Einmal, so erzählt er, sei ein großer internationaler Kunde im Confex gewesen, um einen Vertrag zu unterschreiben. Alles lief perfekt – bis die Gruppe sich auf den Weg zum Flughafen machen wollte. „Ich habe spontan meinen nächsten Termin verschoben und sie selbst mit dem Auto zum Flughafen gefahren. Ich hatte Angst, dass sie uns abspringen, wenn sie durch den Tunnel gehen. Solche Situationen darf es nicht geben.“

Man spürt, wie sehr ihn solche Dinge beschäftigen. Nicht nur aus geschäftlichen Gründen, sondern auch ganz persönlich. „Ich leide“, sagt er. Jeden Morgen fährt er durch den großen Tunnel Auenweg. „Rechts ein Bettenlager, zugeklebte Schilder, frisch erneuerte Wegweiser, die innerhalb kürzester Zeit wieder mit Graffiti beschmiert sind. Das tut mir weh – nicht nur als Geschäftsführer, sondern als Kölner.“ Und dann macht er, was viele nicht tun würden: Er kratzt die Aufkleber ab. Weil er weiß: Wenn der erste klebt, folgen morgen zehn neue. Kein großes Aufheben – einfach machen. So funktioniert die Stadt auch.

Was aber, wenn sich über Jahre niemand zuständig fühlt? Wenn Verantwortung zwischen Eigentümern, Verwaltung und Investoren zerrinnt? Dann bleiben Orte zurück, die einst Bedeutung hatten – und heute vergessen sind. Wie der alte Messeturm am Rhein. Ein markantes Gebäude, 80 Meter hoch, gebaut 1928 zur Internationalen Presse-Ausstellung „Pressa“. Früher: Konferenzräume mit Restaurant und einem atemberaubenden Blick über die Stadt. Heute: Leerstand seit 2005. Ein schlafender Riese an prominenter Stelle in Köln. Die Leuchtschrift „Restaurant“ prangt noch immer über dem Eingang – für viele Touristen und Messegäste irreführend, die sich nicht auskennen. Eigentümer ist zurzeit eine Frankfurter Immobiliengesellschaft, die dort angeblich Wohnraum plant. Doch passiert ist seither wenig. Ein Sinnbild für ungenutztes Potenzial inmitten der Stadt. Nüsser ärgert das. „Wieder ein Ort, der verschwindet, weil sich keiner richtig kümmert. Das war mal ein Wahrzeichen!“ Für ihn ist der Turm mehr als nur ein Gebäude – er ist ein Stück Kölner Identität und sollte den Kölnern zurückgegeben werden.

Immerhin: Am Tanzbrunnen wird zurzeit gearbeitet. Die Stadt saniert die beliebte Open-Air-Location – Bühne, Technik, die markanten Schirme: Alles wird erneuert. Der Betrieb läuft währenddessen abschnittsweise weiter. Bis 2027 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Und auch rund um den Tanzbrunnen tut sich etwas – zumindest in der Theorie. Direkt nebenan soll das Staatenhaus, derzeit Interimsquartier der Oper Köln, bald Geschichte sein – vorausgesetzt, die Oper kehrt wie geplant an ihren Stammsitz am Offenbachplatz zurück. Irgendwann. Dann würde Platz frei für ein neues Kapitel am Rhein: ein Musicaltheater in direkter Nachbarschaft zu Confex, Rheinpark und Tanzbrunnen. Für das ganze Areal wäre das eine spürbare städtebauliche Aufwertung – mit kultureller Strahlkraft. Während die alten Messehallen 6 bis 8 mit dem markanten roten Backsteinmauern künftig als technische Infrastruktur für die Musicalproduktion dient, soll das eher unattraktive bestehende Staatenhaus am Verkehrskreisel abgerissen werden. Nüsser kommentiert das halb ernst, halb augenzwinkernd: „Ich glaube, dass der Neubau des Musicaltheaters schneller fertig sein wird als die Oper am Offenbachplatz.“

Ein Satz, der viel sagt – über Tempo, Planung und Geduld in Köln. Und über den Humor, mit dem man hier durchs Stadtleben geht. Diese Mischung aus Selbstironie und trotzigem Optimismus ist typisch kölsch: Man lacht. Auch, wenn es wenig zu lachen gibt. So geht es auch Ralf Nüsser – einer, der Köln kennt, wie es ist, und trotzdem daran festhält, was es sein könnte. „Wir sind keine drittklassige Stadt. Aber wir wirken manchmal so, weil wir uns mit dem Mittelmaß arrangieren. Ich liebe Köln – aber ich liebe es so sehr, dass ich will, dass es besser wird.“

Aber: Einzelne, die sich einsetzen, können auf Dauer nicht gegen die Macht der Gleichgültigkeit ankommen. In Köln bleibt nicht nur Müll liegen – es bleibt auch Verantwortung liegen. Es ist nicht normal, dass sich niemand zuständig fühlt, wenn der Tunnel verdreckt ist, Schilder vergammeln oder Fußgängerzonen oder Plätze zur öffentlichen Toilette verkommen. Es ist auch kein Ausdruck von Toleranz, wenn man dabei zusieht, wie der öffentliche Raum verwahrlost – es ist Bequemlichkeit, getarnt als Liberalität.

Verwahrlosung ist kein plötzlicher Zustand. Sie beginnt schleichend – mit jedem, der wegsieht. Und sie endet dort, wo sich keiner mehr schämt. Ordnung ist nicht spießig. Sie ist Ausdruck von Haltung – und von dem Wunsch, in einer Stadt zu leben, auf die man stolz sein kann. Nicht weil sie perfekt ist, sondern weil es uns nicht egal sein sollte, wie sie aussieht.

Herzlich
Ihre
Claudia Hessel

 

 

 

NEWSLETTER 28.03.2025

Schüsse und Explosionen sorgen in Köln nachhaltig für Verunsicherung. Wer steckt dahinter? NRW-Innenminister Reul gibt exklusive Einblicke. 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

von „beispiellosen Fällen“ sprach vergangenen Herbst der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser. Er bezog sich auf zwei Explosionen in der Kölner Innenstadt – auf den Ringen und in der Ehrenstraße. Die Hintergründe? Offensichtlich. Von „offenen Rechnungen“ und „viel Geld“ war die Rede. Es klang so, als sei die Lage klar. Videoüberwachung? Die sollte sicherlich bald zu konkreten Ermittlungserfolgen führen. Zumindest dürfte fast jeder Winkel dieser neuralgischen Plätze gut von Kameras erfasst sein.

Doch bevor wir den Spuren nachgehen, so sei an den Umfang der „offenen Straßenkriege“ in Köln erinnert. Ich habe die öffentlich bekannten Daten noch einmal ausgewertet und zusammengefasst. Ich gebe zu: Das Ausmaß wurde mir erst dadurch noch einmal klar und es hat mich sehr beunruhigt. Innerhalb von nur drei Monaten passierten im vergangenen Jahr folgende Taten:

  • Ende Juni kommt es zu drei Explosionen in Mülheim. Die erste in der Keupstraße, einen Tag später folgen zwei weitere in der benachbarten Holweider Straße sowie in der nicht weit entfernten Wichheimer Straße.
  • Einen Monat später, Ende Juli, folgte eine Explosion in einem Mehrfamilienhaus und Schüsse auf dieses Haus in Meschenich.
  • Zwei Wochen später schallt eine Explosion durch den Dalienweg im Stadtbezirk Porz.
  • Im September eskaliert die Gewalt: auf dem Hohenzollernring explodiert ein Sprengsatz vor dem Club „Vanity“ und zwei Tage später vor einem Modegeschäft in der nicht weit entfernten Ehrenstraße. Kurz darauf fallen Schüsse auf ein Wohnhaus in Ensen. Wiederum ein paar Tage kommt es zu Schüssen im Stadtbezirk Nippes in der Karl-Friedrich-Straße und im Bezirk Kalk explodiert ein Sprengsatz in der Servatiusstraße.
  • Angesichts dieser Entwicklung ging der Fund einer scharfen Handgranate unter einem ausgebrannten Auto in Ostheim, ebenfalls im September, in der öffentlichen Berichterstattung fast unter.

Um diese Taten besser zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass sie wahrscheinlich oft keinen Zusammenhang haben. So wie es aussieht geht es mal um organisierte Kriminalität mit Wurzeln in den Niederlanden, mal um Rocker-Gruppen, die sich Köln aufgeteilt haben und sich ins Gehege gekommen sind. Die Sprengungen dienten bei den Fällen in der Innenstadt vermutlich zur Warnung, hieß es im Herbst aus Ermittlerkreisen.

Dagegen merkwürdig mutete für mich an, dass einige Taten darauf zurückzuführen gewesen sein sollen, dass beim Drogenhandel unter den Dealern 300 Kilogramm Cannabis „verschwunden“ seien. Lassen Sie mich aus meinen Erfahrungen zu Recherchen in diesem Millieu sagen: ja, 300 Kilogramm Gras sind viel, aber in der international organisierten Kriminalität lassen sich die auch schnell wieder „finden“ – wenn Sie verstehen, was ich meine.

Mit dem September 2024 endete dann diese Serie an Schüssen und Explosionen. Im gleichen Atemzug wurden auch die Ermittler ziemlich still. Zumindest ein Fahndungserfolg ist bekannt: Nach dem Vorfall in der Innenstadt veröffentlichte die Polizei das Bild eines Tatverdächtigen, der den Sprengsatz gelegt haben soll. Fast ein halbes Jahr später, im Februar 2025, meldete sich dann ein Mann bei der Polizei. Er gab an, sich auf dem Bild zu erkennen und er habe mit der Tat zu tun gehabt.

Aber ist über die Tatsache hinaus, dass sich ein mutmaßlicher Täter gestellt haben könnte, noch etwas passiert, dass die erschreckende Krimi-Serie endlich aufklärt? „Die Ermittlungen werden weiterhin mit Hochdruck geführt. Die Hintergründe der Tat sind noch zu klären“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf Nachfrage bei den Kollegen der Kölnischen Rundschau. Weiteres könne die Staatsanwaltschaft derzeit nicht öffentlich machen. Das heißt in der Regel: die Öffentlichkeit wird informiert, wenn alles ausermittelt ist.

Wir vom Kölner Presseclub bieten in den nächsten Tagen aber eine Möglichkeit an, mehr über die Sicherheit in unserer Stadt zu erfahren. NRW-Innenminister Reul ist am kommenden Mittwoch (02.04.) zu Gast bei uns. Er ist einer unserer Gäste zum Thema „Großstädte in der Krise“. Darüber hinaus kommen die Kölner IHK-Präsidentin Nicole Grünewald, der Dezernent für die Stadtentwicklung in Köln, Andree Haack, Hanno Kempermann vom Institut der Deutschen Wirtschaft sowie der Oberbürgermeister von Krefeld, Frank Meyer, zu uns. Wir diskutieren die Themen „Wohnen, Sicherheit, Verkehr und Wirtschaft“. Die Veranstaltung findet in der Volksbühne am Rudolfplatz statt. Der Eintrittspreis geht an einen guten Zweck, Sie können also gerne noch eine Begleitung mitnehmen. Tickets gibt es HIER 

Ich freue mich auf Sie und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Herzlichst
Ihr David Rühl

NEWSLETTER 21.03.2025

Freibier für alle,
warum eine Regierung Merz nicht enttäuschen kann und
Chorweiler die Netz-Rechnung von Hahnwald zahlen könnte

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das gilt auch für das mutmaßlich entstehende Bündnis von Union und SPD, das fälschlicherweise noch Große Koalition genannt wird. Die Erwartung an diese Notgemeinschaft zweier in unterschiedlichem Maß bei der Wahl gescheiterten Partner ist entsprechend niedrig. Dazu hat nicht zuletzt der Kanzlerkandidat der Union beigetragen, der mit seiner plötzlichen finanzpolitischen Kehrtwende und seinem taktischen Ungeschick den Start fast verstolpert hätte. Das Sondierungspapier von Union und SPD bleibt beim Thema Reformen vage, lieber zieht man – von Mütterrente bis Agrardiesel-Subventionen – die Spendierhose an nach dem Motto: Freibier für alle!

Dabei ist der politische Handlungsbedarf so groß wie wohl noch nie in der Geschichte der Bundsrepublik. Zum Beispiel in der Energiepolitik. Der beachtliche Ehrgeiz hat für die Geldbeschaffung auf Pump gereicht, beim energiepolitischen Teil des Sondierungspapiers hingegen fehlt ein „klares Leitmotiv“, stellt Marie-Luise Wolff fest. Als langjährige Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat die Wahl-Kölnerin an der Nahtstelle zwischen Politik und Wirtschaft gesessen und dazu beigetragen, dass nach dem Aus für das russische Gas die Energieversorgung nicht zusammengebrochen ist. Hauptamtlich ist sie Chefin eines regionalen Energieunternehmens im Rhein-Main-Gebiet.

„Vor allem vermisse ich ein Bekenntnis zum tiefen strukturellen Wandel, den Deutschland so dringend braucht“, moniert Wolff. „Denn 500 Milliarden für Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit – das ist kein Programm, das ist nur Geld.“ Eigentlich müssten solche Vorhaben aus dem normalen Haushalt finanziert werden.

Skeptisch ist sie bei der angestrebten Senkung der Strompreise um mindestens 5 Cent, die durch einen Mix aus Steuerentlastung und Reduzierung der Netzentgelte erreicht werden soll. Die angestrebte Strompreisentlastung für alle kann Marie-Luise Wolff in dem Papier von Union und SPD nicht erkennen. Die vorgesehenen Mittel reichten für eine so massive Reduzierung der Preise für alle Kundengruppen nicht aus: „Bitte nichts versprechen, was man nicht einhalten kann!“.

Unklar ist Wolff auch, wie die dauerhafte Deckelung der Übertragungsnetze aussehen soll. Deckelungen seien zwar einfach umzusetzen, aber extrem teuer und unintelligent. Wegen des notwendigen enormen Ausbaus der Stromnetze für den rapide steigenden Bedarf (z.B. für die E-Mobilität) seien die Netzentgelte die Hauptpreistreiber. „Man muss sich m. E. differenzierter um eine Preiseingrenzung kümmern und dabei Flexibilität und Effizienz in der Netznutzung anreizen“, zum Beispiel dadurch, dass derjenige, der ungesteuert zu jeder Stunde in die Netze einspeist oder aus ihnen entnimmt, mehr zahlt als der, der wenig entnimmt oder sich lastflexibel verhält. „In der Fortführung der Energiewende muss dringend auf soziale Gerechtigkeit geachtet werden“, fordert die Energieexpertin, individuelle Optimierungen auf Kosten der Allgemeinheit sollten unterbunden werden, „sonst zahlt am Ende Chorweiler die Netzrechnung für Hahnwald.“Die Kraftwerksstrategie will Schwarz-Rot zügig überarbeiten, der Bau von bis zu 20 Gigawatt an Leistung soll bis 2030 erfolgen. Für Wolff eine unrealistische Vorstellung. So richtig das Ziel sei, die circa 40 Gaskraftwerke in den nächsten Jahren zu bauen, allein Ausschreibung und lange Lieferzeiten für das benötigte Material bräuchten viel Zeit, auch die Finanzierung sei enorm schwierig.

So erhellend das weitere Gespräch mit Marie-Luise Wolff auch war – zum Ausbau der Erneuerbaren Energie, zu Technologieoffenheit, zum Standort –, ein kraftvolles Signal zum schwungvollen Aufbruch lässt sich im Sondierungspapier nicht erkennen. Bei so heruntergedimmten Erwartungen kann die künftige Regierung Merz nicht mehr enttäuschen, allenfalls positiv überraschen.

Keine Kritik hat Marie-Luise Wolff übrigens an den Plänen der künftigen Koalitionäre zur Wärmewende. Denn die taucht im Sondierungspapier erst gar nicht auf.

Dennoch gibt es auch Erfreuliches zu vermelden: Meine Kollegin Susanne Hengesbach ist mit ihrem Poetry-Podcast wieder an Bord. Diesmal beschäftigt sie sich mit einem gesellschaftlichen Phänomen, das sich epidemisch ausgebreitet hat: Der Unverbindlichkeit. Auf Einladungen, so ihre Diagnose, reagieren Menschen oft gar nicht mehr oder mit einem vagen „Vielleicht“, manchmal auch mit Zusagen, die aber nicht eingehalten werden. Doch hören Sie selbst.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 14.03.2025

Köln vor der Wahl: Wer kann die größte Stadt in NRW wieder auf Kurs bringen und vor allem wie?

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Bundestagwahl ist vorbei. Doch am 14. September 2025 haben die Bürgerinnen und Bürger Kölns wieder die Wahl: Wer wird die neue Oberbürgermeisterin oder der neue Oberbürgermeister? Gleichzeitig wird der Stadtrat neu gewählt – und damit die politischen Mehrheiten, die das Schicksal Kölns in den kommenden Jahren bestimmen werden. Ein Blick auf die vergangene Wahlbeteiligung macht deutlich, wie schwer es der Kommunalpolitik fällt, die Menschen zu mobilisieren: Bei der letzten Kommunalwahl 2020 gaben gerade einmal 51,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Noch dramatischer sah es bei der entscheidenden Stichwahl zur Oberbürgermeisterin aus: nur 36,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Doch wieso ist die Wahlbeteiligung so gering, wenn es doch um die Zukunft unserer Stadt geht? Vielleicht liegt es daran, dass viele den Eindruck haben, in Köln ändere sich sowieso nichts. Woran hapert es mit der Umsetzung in Köln?

Kölns Stadtverwaltung ist ein gewaltiger Apparat mit mehr als 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sind das Rückgrat der Stadt – doch intern herrscht Frust. Laut Aussagen von Mitarbeitern gibt es zu viele bürokratische Hürden, eine schleppende Digitalisierung und eine fehlende Planungssicherheit sowie mangelnde Kommunikation. Das Hauptproblem in Köln liege jedoch nicht nur im Verwaltungsapparat selbst, sondern auch in der politischen Einflussnahme. Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister könnten noch so viele gute Ideen haben – solange jede Entscheidung vom Rat und zudem von parteitaktischen Manövern beeinflusst wird, bleibt der Apparat schwerfällig. Selbst erfahrene Verwaltungschefs wie Jürgen Roters oder Henriette Reker seien daran gescheitert – alles Stimmungsbilder, die ich in Gesprächen bei der traditionellen Netzwerkveranstaltung von Arbeitgeber Köln und NetCologne vor wenigen Tagen einfangen konnte. Tendenz: In Köln ist viel Sand im Getriebe.

Ändert sich das im kommenden Herbst? Neue Besen kehren gut, heißt es, aber wer von den Kandidaten hat wirklich das Potential, die Prozesse von innen heraus zu verbessern? Ein kurzes Meinungsbild:  Berivan Aymaz (Grüne) – Seit 2017 im NRW-Landtag, aktuell Vizepräsidentin. Kommt sympathisch rüber. Aber: Hat sie das Know-how, eine riesige Verwaltung zu führen? Markus Greitemann (CDU) – Hat in der freien Wirtschaft gearbeitet.  Zurzeit ist er als Beigeordneter für Planen und Bauen mitten im Verwaltungsgeschehen. Er weiß, wo die Blockaden liegen – aber kann er sie auch entfernen? Greitemann gilt als sachlich und klar. Doch reicht das, um sich in der Verwaltung und im Rat durchzusetzen?  Torsten Burmester (SPD) – Er war Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes und Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium. Verwaltungserfahrung? Ja. Politische Durchsetzungskraft? Offen. Seine Website verspricht jedenfalls viel, kann er das auch in Köln umsetzten? Volker Görzel (FDP) – Rechtsanwalt und Lokalpolitiker. Kennt die Hürden der Stadtpolitik, hat aber keine Erfahrung in der Führung großer Verwaltungen. Roberto Campione (KSG) – Der Quereinsteiger mit Unternehmergeist. Er bringt frischen Wind mit und kennt die Wirtschaftswelt. Unternehmer haben oft den Vorteil, pragmatische Lösungen zu finden. Doch Verwaltung ist nun mal keine Firma.  Auch ein Lehrer, ein Wissenschaftler und ein Pfarrer wollen die Stadtspitze übernehmen. Ihr Engagement verdient Respekt. Doch bleibt auch hier die Frage, ob sie über die Kompetenz verfügen, um eine Millionenstadt erfolgreich zu führen.

Wer auch immer ins Rathaus einzieht – wohlklingende Programme und politische Ambitionen allein werden nicht ausreichen. Entscheidend ist, ob die nächste Oberbürgermeisterin oder der nächste Oberbürgermeister auch Durchsetzungsvermögen besitzt. Deshalb müssen die Kandidatinnen und Kandidaten in diesem Wahlkampf genauer geprüft werden als je zuvor. Wer nur Probleme beschreibt, aber keine Strategie hat, um sie zu lösen, ist fehl am Platz. Wer von Verwaltungsmodernisierung spricht, aber nicht sagt, wie er oder sie politische Mehrheiten dafür gewinnen will, bleibt unglaubwürdig. Und wer bloß schöne Schlagworte liefert, aber keine echte Führungskompetenz mitbringt, wird Köln nicht voranbringen.

Verwaltung ist nicht sexy – aber unverzichtbar! Denn Verwaltung ist das Nervensystem einer Stadt – unsichtbar, aber lebenswichtig. Wer sie nicht fest im Griff hat, riskiert für Köln erneut Stillstand.

Wie immer mit hoffnungsvollen Grüßen,

Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 07.03.2025

Was das Kölner Kulturdezernat mit Verwahrlosung zu tun hat und an welcher Stelle der Stadt ein Gedächtnis fehlt   

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

eine Abwesenheit von Kultur, die an Verwahrlosung grenzt, entdeckte ich Ende des vergangenen Jahres beim Schlendern durch die Innenstadt. An der Richartzstr. 2 – 4, wo das Kulturdezernat seine Räume hatte, wies es auf seinen Umzug ins Deutzer Stadthaus auf die andere Rheinseite hin. Es tat das, als ginge es um eine halblegale Würstchenbude (siehe Foto) und als gebe es kein städtisches Gestaltungshandbuch, in dem detaillierte Empfehlungen für alles Erdenkliche stehen wie Straßenschilder, Bänke, Abfallbehälter oder Technikelemente.

„Der öffentliche Raum ist die Visitenkarte einer Stadt“, heißt es im Gestaltungshandbuch. Doch die amtliche Bastelei findet sich Monate später immer noch am Hauseingang, einsehbar von Passanten und Touristen. Wenn diese Hinterlassenschaft eine Visitenkarte des Dezernates ist, muss man sich über den schlechten Zustand von Kunst und Kultur in dieser Stadt nicht wundern. Zumal ohnehin von dicker Luft im Amt gesprochen wird. Kulturdezernent Stefan Charles, dem Deutz als Dienstsitz nicht zusage, habe sich citynahe städtische Räume gesichert, um weiter in der Innenstadt präsent sein zu können, heißt es.

Vor kurzem hatte Henriette Reker im Kölner Stadt-Anzeiger vor der zunehmenden Verwahrlosung Kölns gewarnt. Gleichzeitig stellte sie fest, der Einfluss einer Oberbürgermeisterin werde überschätzt. Das stand zwar in Widerspruch zu dem großen öffentlichen Aufschrei, den sie entfachte. Doch ganz klar zeigen die mit braunem Paketband notdürftig verklebten Alt-Briefkästen des Kulturamtes die Folgenlosigkeit der Debatte auf, welche die OB auslöste. Sie überstanden den kurzen Sturm und fielen nicht weiter auf.

Hilft Erkenntnis überall – nur nicht in Köln? Das habe ich Andreas Grosz vom KAP-Forum für Architektur & Stadtentwicklung gefragt. Anlass war eine Veranstaltungsfolge – „Kölner Perspektiven“ – zu einer möglichen Mobilitätsstruktur in Köln, die zehn Jahre zurückliegt. Herausragende Verkehrslösungen in europäischen Städten wurden damals präsentiert, hochkarätige Experten aus Kopenhagen, Stockholm, Wien, Mailand und Zürich stellten in Köln detailliert vor, wie zeitgemäße Verkehrspolitik aussehen kann.

Auch diese Initiative von „KAP-Forum“, Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln und Stadt blieb folgenlos. Bedauerlich, denn im Internet las man, wie nüchtern Kopenhagen trotz leerer Kassen seine Metro plante und finanzierte. Oder welche Rahmenstrategie in Wien formuliert wurde, um auf die Viertel heruntergebrochen zu werden. Man erfährt, wie strategisch Planer in Mailand vorgingen und wie konsequent Zürich auf effizienten öffentlichen Nahverkehr setzt. Verbindendes Element war, Lösungen mit allen am Straßenverkehr Beteiligten zu finden. In den Kölner Verkehrsversuchen, die oft zur reinen Machtdemonstration wie auf der Trankgasse verkamen, misslang das spektakulär. Schade. Die Erkenntnis hatte sich offenbar in den Falten des Internets verloren.

Andreas Grosz erkennt ein Muster darin. Ein Thema ploppe hoch, werde mit viel Diskussion verfolgt – nur um fallengelassen zu werden, sobald der nächste Aufreger wartet. Der neue Hype ist immer der bessere Hype. Allgemein formuliert: Es gibt in dieser Stadt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Andreas Grosz, dessen viel beachtete Veranstaltungen Ergebnisse wie sonst ein Think Tank lieferten, wird nach Lage der Dinge den Erkenntnisstand nicht mehr erweitern. Die Stadt sagte die „Kölner Perspektiven“ – diesmal zu zirkulärem, also nachhaltigem Bauen – ohne jede Vorwarnung aus Kostengründen ab.

Eine weitere Grundlagenarbeit, diesmal zu Kunst im öffentlichen Raum, lieferte 2015 neben anderen Kay von Keitz mit „Der urbane Kongress“. Als ich in dem Buch blätterte, fiel mir auf, wie viele Kunstobjekte im Alltagsbild der Stadt präsent sind. Sie tun dem Auge gut und oft erzählen sie bei näherer Betrachtung Geschichten. Wie viel ärmer wäre Köln, gäbe es diese Kunst nicht. Es wäre, als würden in einem Wald die Vögel nicht mehr singen. Lieblingsorte sind für von Keitz das Büdchen-Denkmal am Kaiser-Wilhelm-Ring, ein unscheinbares Bodenmosaik oder die kinetische Skulptur an der Hohe Straße 124-126 am früheren Wormland-Haus.

In geführten Touren durch Köln, Dortmund oder Gelsenkirchen will er den Blick seiner TeilnehmerInnen schulen und Ihnen eine Stadt als Ganzes vorstellen. „Manchmal bin ich selber erstaunt, was es zu sehen gibt, wenn man nur an einer Fassade emporblickt,“ sagt er. Das Buch enthält eine Fülle von praktischen Beispielen und Handlungsempfehlungen. Damit lädt es ein, regelmäßig in die Hand genommen zu werden, um Kunst im öffentlichen Raum Beachtung und Respekt zu sichern.

Einiges aus dem Buch habe sich verstetigt, sagt der 59jährige. Aber so viel wird es doch nicht gewesen sein, denn Ende 2024 trat der Kunstbeirat der Stadt Köln, dessen Vorsitzender von Keitz war, geschlossen zurück. Der Beirat werde übergangen und ignoriert, sagte er bitter. Kritikpunkt war auch, zum Umgang der Stadt mit dem Objekt „Standortmitte“ am Kölner Verteilerkreis nicht gehört worden zu sein. Statt eine geplante Straßenbahnerweiterung dem Straßenverlauf anzupassen, hat das Kölner Mobilitätsdezernat geplant, als gäbe es dort die Kunst nicht.

Fehlenden Respekt in diesem wie in anderen Fällen beklagt eine Kulturinitiative (www.standortmitte.de). Am Sonntag, 30. März, 11.30 Uhr, wird im Odeon Kino der Film „Standortmitte, Die Erkundung der Strecke zwischen Köln und Bonn“ von Gerhard Schick gezeigt (Dauer 45 Minuten, Eintritt zehn Euro). Im Anschluss findet ein Gespräch mit dem Künstler statt. Auch diese Stele ist ein Lieblingsort von Kay von Keitz.

Respekt ist wichtig. Auch vor der eigenen Aufgabe. Das zeigt das Kulturdezernat. Die Form von Respektlosigkeit gegenüber der eigenen Institution zeigt, wohin das führen kann.

 

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 28.02.2025

Karneval lebt nicht nur vom Feiern, sondern auch vom Aufräumen. Die AWB ist im Dauereinsatz.

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

nach so manchen Nachtdienst ist mir an den großen Karnevaltagen im Jahr eine Besonderheit aufgefallen: viele Straßen sind am späten Abend von den Hinterlassenschaften einer feiernden Stadt geprägt. Doch am nächsten Morgen glänzen sie, als wäre nichts gewesen! Zu verdanken ist dies den hunderten Beschäftigten der Kölner Abfallwirtschaft, AWB.

Bei dem städtischen Unternehmen läuft der Betrieb derzeit sieben Tage am Stück rund um die Uhr. Um das zu planen, hat sich die AWB für „Eventmanager“ wie Gerhard Bittdorf entschieden. Er arbeitet seit 42 Jahren im Beruf. Schon vor Weihnachten fing er an Personal, Fahrzeuge und die gesamte Infrastruktur zu planen.

Das Ergebnis seiner Arbeit lässt sich nun seit vorgestern beobachten: am Mittwoch wurden 1.000 sogenannte Event-Tonnen in der gesamten Stadt aufgestellt. Das sind Mülltonnen mit einem Fassungsvermögen von 240 Litern. Hinzu kommen Glastonnen, die meist schon an den Eingängen zu neuralgischen Plätzen wie der Zülpicher Straße aufgestellt sind. Viele Flaschen werden dort direkt entsorgt, bevor sie zwischen den Füßen von Menschenmassen landen. Insgesamt hätten viele Kölner sich schon daran gewöhnt, dass Glasflaschen an Karneval besser zu Hause bleiben. Das Problem mit den Glasscherben, und die vielen Verletzungen dadurch, seien in den vergangenen Jahren schon konstant zurückgegangen.

Den meisten Aufwand betreibt die AWB nicht am Rosenmontag, sondern am Tag zuvor. Mit den Schull- und Veedelszöch gibt es an einem Tag die meisten der insgesamt 76 Umzüge in der Stadt. So werden am Sonntag fast 500 Beschäftigte von der AWB im Einsatz sein, am Rosenmontag sind es erstaunlicherweise etwa 100 weniger. Da fährt übrigens ein großer Reinigungstrupp dem Prinzen direkt hinterher. Der letzte Wagen im Rosenmontag ist also nicht der Prinz. Es ist die AWB.

Eine Urlaubssperre sei für seine Leute während in der heißen Karnevalszeit nicht nötig, sagt Eventmanager Gerhard Bittorf. In der Belegschaft sei es selbstverständlich, an Karneval zu arbeiten und sich mit einem „AWB, Alaaf!“ auch mal von den Tribünen aus feiern zu lassen. Generell spüre man in diesen Tagen in der gesamten Stadt eine sehr große Wertschätzung für die Arbeit der AWB, sagt Bittorf.

Der auf den Straßen eingesammelten Müll, so genannter Kehricht, wird im Anschluss nicht sortiert, getrennt und recycelt. Der Aufwand wäre zu groß und unverhältnismäßig. Die Hinterlassenschaften des Karnevals landen in der Restmüllverbrennungsanlage, RMVA . Diese kann Strom für bis zu 100.000 Haushalte erzeugen. Kamelle aus der Steckdose, sozusagen – ein Kreislauf, der in keiner anderen Stadt zu finden sein dürfte.

Am Tag nach Aschermittwoch lege ich Ihnen dann einen besonderen Termin des Kölner Presseclub ans Herz: bei uns ist Carmen Thomas zu Gast. Sie war für den WDR eine herausragende Persönlichkeit, was die Nähe zum Hörer angeht. Mit der damaligen Sendung „Hallo Ü-Wagen“ prägte sie auch so manche politische Diskussion im Land. Egal, ob Zuschauer, Hörer oder Leser: mittlerweile gehen viele Medienhäuser wieder der Frage nach, wie sie denn mehr Nähe zur Bevölkerung aufbauen können. Ist das nicht interessant, 50 Jahre nachdem die Sendung „Hallo Ü-Wagen“ erstmals onair ging? Insofern freue ich mich auf Geschichten von früher mit Carmen Thomas und ihren Blick auf die Medienschaffenden von heute. Zur Anmeldung geht es hier.

Ich wünsche Ihnen schöne Karnevalstage!

Herzlichst
Ihr David Rühl

NEWSLETTER 21.02.2025

Über ehrgeizlose Städte,
verwegene Projekte und
die Strahlkraft von Literatur 

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

zu den liebevoll gepflegten Vorurteilen über Köln gehört es, dass die Stadt als ehrgeizlos gilt – warum anstrengen, wenn man doch den Dom hat. Und den Karneval. Doch wie alle Klischees stimmt das so natürlich nicht – oder meinetwegen nicht ganz. Denn die Stadt hat immer wieder bewiesen, dass sie auch Heimat für ambitionierte – und erfolgreiche – Projekte sein kann, die weit über Köln hinaus strahlen. Ein Beispiel aus der Kultur, weil die es gerade besonders schwer hat, zeigt, was Ideenreichtum, Engagement und Risikobereitschaft vermögen: die lit.Cologne, mittlerweile mit mehr als 100.000 Besucherinnen und Besuchern das größte Literaturfestival Europas. In diesem Frühjahr feiert die li.Cologne ihr 25-jähriges Bestehen.

Was nach einem viertel Jahrhundert selbstverständlich (und im Rheinland als lange Tradition) erscheint, war bei der Gründung irgendetwas zwischen verwegen und tollkühn: Nach dem Vorbild glamouröser Filmfestspiele wollte das Gründungs-Duo Werner Köhler und Rainer Osnowski der Literatur ebenfalls eine große Bühne schaffen, mit den Autorinnen und Autoren als Stars auf dem Roten Teppich, mit ungewöhnlich interessanten Locations bis hin zum Dom, wo es unter dem Titel „Das Buch der Bücher in der Kirche der Kirchen“ eine spektakuläre Lesung gab. Für die Buch-Branche mit ihrem introvertierten Image nichts weniger als eine kleine Revolution. Aber konnte das funktionieren?

Aber ja, und wie! Ich muss gestehen, dass ich das damals für ebenso sympathisch wie aussichtslos hielt – und das den Gründern auch sagte. Ein gewaltiger Irrtum. Schon beim Start zeigte sich das Publikum begeistert, pilgerte scharenweise zu Autorinnen und Autoren, die es sonst gewohnt waren, in Volkshochschulen und Büchereien zu lesen, also in bescheiden-überschaubarem Rahmen. Rainer Osnowski, heute alleiniger Geschäftsführer der lit.Cologne, erinnert sich im Gespräch an die Schwierigkeiten des Anfangs, als durch die wirtschaftlichen Turbulenzen in den Jahren 1999/2000 plötzlich potenzielle Sponsoren fehlten. Die waren nötig, weil das Projekt von vorneherein vom Publikum angenommen wurde.

Überhaupt das Publikum. „Köln hat ein neugieriges, kulturaffines Publikum“, begründet Osnowski die Wahl der Stadt als Festivalort. Es gebe eine große Aufgeschlossenheit, eine Freude am Austausch und daran, Begeisterung zu teilen. Es ist also auch diese feierstarke Lebensfreude, die die Wahl Kölns nicht zu einem Zufall gemacht hat.

Inzwischen ist die lit.Cologne längst volljährig und gehört zu den unübersehbaren Pluspunkten der Stadt. Das alles aus eigener Kraft, denn „wir wollten von vorneherein unabhängig sein von öffentlicher Förderung, damit wir unsere Idee ohne äußere Zwänge umsetzen konnten.“

Die internationale Strahlkraft des Literatur-Spektakels ist für Köln nicht nur ein Aushängeschild, es gehört für Verlage und Autoren als Pflichttermin in den Jahreskalender. Die Stars der Bücherwelt geben sich in Köln die Klinke in die Hand, auch in diesem Jahr ist wieder alles dabei, was Rang und Namen hat, niemand, so der Eindruck, kann sich diesem Ereignis noch entziehen. Für den durchaus selbstbewußten Chef des Festivals ist es das kulturelle Highlight der Stadt und er verweist gerne auf die renommierte FAZ als Kronzeugen, die das Festival schon früh als das größte und beste seiner Art in Europa gewürdigt hatte.

Die lit.Cologne ist nicht nur erwachsen, sie ist auch gewachsen. Mit der phil.Cologne ist ein internationales Philosophie-Festival entstanden (auch das, man wundert sich nicht mehr) „das größte seiner Art in Europa“, so Osnowski, außerdem gibt es mit dem Kinder- und Jugendprogramm lit.kid.Cologne ein Zusatz-Angebot. Einzigartig sind wohl die Lesungen für Schulklassen. „Allein in diesem Jahr haben wir 30.000 Anmeldungen von Schulklassen, die wir leider nicht alle berücksichtigen können“ so Rainer Osnowski. Mit der lit.ruhr hat das Festival geografisch den Wirkungskreis zusätzlich erweitert.

Jetzt geht es also wieder los, vom 15 bis zum 30. März läuft das Festival, vorgezogen war schon das Gespräch mit Angela Merkel über ihre Biografie als Sonderveranstaltung in der Flora (www.litcologne.de). Für Leserinnen und Leser unseres Newsletters verlosen wir zwei mal zwei Karten für die große Gala der lit.Cologne, die am 20.März in der Philharmonie stattfindet. Schreiben Sie uns und wir drücken Ihnen die Daumen.

Gewinnen Sie, können Sie sagen, Sie sind dabei gewesen.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

 

NEWSLETTER 14.02.2025

Kölner Azubis im vergammelten Berufskolleg  – Offener Brief an die Oberbürgermeisterin

 

 

Liebe Mitglieder des Kölner Presseclubs,
liebe Freundinnen und Freunde,

gibt es in Köln eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, wenn es um den Schulbau geht? Während einige Schulen zügig saniert oder neu gebaut werden, kämpfen andere seit Jahren mit maroden Gebäuden, Platzmangel und unhaltbaren Zuständen. Besonders betroffen:  handwerkliche Berufskollegs. Ein aktuelles Beispiel ist das Berufskolleg 10 in Köln-Porz. Seit Jahren steht ein Neubau im Raum – passiert ist: nichts. Der Unterricht von 1.200 Schülern musste auf verschiedene Standorte verteilt werden. Statt moderner Lernräume gibt es Modulbauten, oft ohne Werkstätten oder Labore

Die berufliche Ausbildung scheint in der Stadt weder Priorität noch eine starke Lobby zu haben – mit fatalen Folgen für Schüler, Unternehmen und die gesamte Wirtschaft“, sagt Marc Schmitz, Obermeister der Sanitär-, Heizungs- und Klima-Innung (SHK) Köln, und bringt es auf den Punkt: „Die Stadt hat Millionen für den Schulbau eingeplant, aber die Berufsausbildung bleibt auf der Strecke.“

Der bauliche Zustand des Berufskollegs in Porz ist seit über 35 Jahren katastrophal. Marc Schmitz erinnert sich: „Schon während meiner Ausbildung dort hieß es: Ein Neubau muss kommen. Heute – Jahrzehnte später – ist es nur noch schlimmer geworden.“ Schimmel, Wasserschäden durch Rohrbrüche, fehlende Fluchtwege – unter solchen Bedingungen verliert jede Ausbildung an Attraktivität. Die Folge: „Viele junge Leute geben auf. Ich hätte auch keine Lust in so einer Bruchbude meine Ausbildung zu machen.“

Im Januar hatten drei Kölner Handwerksinnungen genug. Die SHK-Innung, die Schornsteinfeger-Innung, die Innung für Metalltechnik sowie der schulische Förderverein richteten einen offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Forderung: Den Neubau endlich beschleunigen. Doch ein Blick auf die Prioritätenliste der Stadt zeigt das Problem: Das Berufskolleg 10 steht – nach Angaben aus dem Rathaus – auf Platz 71 von 207 Schulbauprojekten. Drei andere Berufskollegs in Köln haben immerhin Sanierungspläne – mit Fertigstellungen für 2028 und 2031. Auch nicht gerade schnell.

Warum bleibt das Handwerk auf der Strecke? An fehlendem Geld kann es nicht liegen. 2017 beschloss der Stadtrat 745 Millionen Euro für den Schulbau, 2020 folgte eine Aufstockung auf 1,7 Milliarden Euro. Seit 2022 gibt es außerdem die Kölner Schulbaugesellschaft, die den Sanierungsstau weiter auflösen soll. Mit sichtbaren Erfolgen. Doch bei Kölner Handwerksbetrieben entsteht der Eindruck, dass sie als „zweite Wahl“ behandelt werden – mit negativen Auswirkungen für eine ganze Generation von Auszubildenden und für die Wirtschaft, erläutert Marc Schmitz: „Wenn hier die Bedingungen schlecht sind, entscheiden sich junge Menschen am Ende gegen eine Karriere im Handwerk.“

Mein Newsletter und Nachfragen bei der Stadt bringen offenbar Bewegung in die Sache. Die Kölner Schulbaugesellschaft, die die Projektverantwortung für den Neubau In Porz übernommen hat, reagiert auf den offenen Brief. Demnach laufen seit Januar Angebotsprüfungen – ein verbindliches Angebot werde frühestens im Mai erwartet. Die Fertigstellung sei für 2031/32 geplant. Bis dahin bleibe der Schulbetrieb auf zwei Standorte verteilt – mit provisorischen Lösungen. Und genau das macht den Handwerksbetrieben ernste Sorgen. Denn Provisorien in Köln – das wissen wir alle – werden oft zu Dauerlösungen.

Am heutigen Freitag soll Baudezernent Markus Greitemann nach Köln-Porz kommen. Er will sich mit der Schulleitung und der Schulbaugesellschaft abstimmen. Seine Aussage mir gegenüber klingt vielversprechend: „Das Berufskolleg ist für die berufliche Bildung in unserer Stadt von großer Bedeutung.“ Marc Schmitz freut sich, dass es endlich vorangeht, ist aber gleichzeitig skeptisch und sagt mir: „Wir halten den Druck auf dem Kessel aufrecht!“

Die Politik betont stets die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Doch solange junge Menschen in maroden Berufskollegs lernen müssen, bleibt das doch eine hohle Phrase. Gerade die technischen Handwerksberufe brauchen immer mehr Abiturienten. Aber wer würde seinem Kind eine Ausbildung empfehlen, wenn die Lernbedingungen so katastrophal sind? Ohne gut ausgebildete Handwerker ist die Energiewende ein leeres Versprechen. Denn Wärmepumpen, Solaranlagen und neue Heiztechnik installieren sich nicht von selbst.

Das letzte Wort hat Susanne Hengesbach, die sich mit einem jahrzehntelangen Ärgernis beschäftigt: In Köln wird viel über Aufenthaltsqualität diskutiert. Am Brüsseler Platz sollen Menschen am Wochenende abends nicht mehr verweilen – selbst dann nicht, wenn sie sich nur leise unterhalten. Susanne Hengesbach wirft in ihrem Poetry-Podcast „Verweilverbot“  die Frage auf, weshalb man dort nicht einfach die Hauptursache für den nächtlichen Lärm verbietet – den Alkohol auf der Straße. Den  link finden Sie hier.

Viel Spaß beim Hören.

Es grüßt

Ihre Claudia Hessel