NEWSLETTER 10.01.2025

Warum Respekt ein zentraler Wert für Köln ist und welche Rolle die Kunst dabei spielt

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

diesmal überraschten mich viele der Neujahrswünsche. Oft enthielten sie Botschaften, die sich auf Werte, Normen oder Haltungen bezogen. Da war von Vertrauen, Geduld und Verständnis die Rede und weniger von konkreten Aufgaben und Plänen, die es anzupacken gilt. Als müssten wir uns vergewissern, mit welcher Einstellung wir dem Leben im Großen und Ganzen begegnen. Diese Aspekte sind Grundlage unseres Zusammenlebens, bilden den Charakter einer Gesellschaft oder formen ihn gar. Aber meist sind sie wie ein Computerprogramm, das im Hintergrund läuft und lautlos den Alltagsbetrieb sichert.

Was war mir besonders aufgefallen? Hans Mörtter, früherer Pfarrer und heute Kandidat für das Amt des Kölner Oberbürgermeisters, nennt „Wertschätzung“ das zentrale Moment seines Wahlkampfes. Davon leitet er weitere Schritte ab. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beschwor in seiner Neujahrsansprache eine humanistische Grundausstattung, indem er Gemeinsinn und Tatkraft, Ideenreichtum und Fleiß, Mut und Ehrgeiz sowie Vertrauen in uns selbst hervorhob.

Das geschah einerseits als Reaktion auf den Anschlag von Magdeburg, der sechs  Menschenleben forderte. Steinmeier wandte sich aber auch an eine von Multi-Krisen verunsicherte Gesellschaft, in der der Ton „rau“ und, so der Präsident weiter, „zuweilen sogar unversöhnlich“ geworden sei. Nicht einmal mehr die Weihnachtsmärkte als Hort der Innigkeit seien sicher, sagte auch Tiefenpsychologe Jens Lönneker, Geschäftsführer des Kölner „rheingold salon“. Als Leser kennen Sie ihn von unseren Veranstaltungen.

Was Steinmeier als Stimmung beschreibt, haben Lönneker und sein Team in einer Studie über die Akzeptanz von Medien untersucht. Einer der alarmierenden Aspekte: Rund 16 Millionen Deutsche stehen unserer Gesellschaft und deren Medien ablehnend gegenüber, haben das Gefühl, sich außerhalb des Systems zu befinden. In seiner Neujahrsmail kündigt Jens Lönneker ein Projekt „Zuversicht“ an. Mit der deutschen Presse-Agentur (dpa) und Fachverbänden wolle man ergründen, wie das Vertrauen in Gesellschaft und Medien bestärkt oder wiederhergestellt werden kann.

Um das zu schaffen, müssen Begriffe wie Toleranz und Freiheit, Mut und Gerechtigkeit oder Verständnis und Geduld wieder mit Inhalt gefüllt werden. Diese Referenzwerte markieren die Stabilität einer Gesellschaft. Sind sie abwesend oder werden missachtet, spalten sich Gemeinschaften. Zumindest wie ein Brandbeschleuniger, vielleicht aber auch als Ursache wirken dabei die sozialen Medien. Hier geht es häufig um möglichst viel Zuspruch für die eigene Position. Der Respekt für die andere Haltung droht abhandenzukommen.

Überhaupt der Respekt. Ich verstehe ihn als universalen Wert. Er ist eine Korsettstange im Miteinander und an der Kasse im Supermarkt ebenso notwendig wie auf internationalen Konferenzen, in der Familie, im Beruf, im Umgang mit Behören oder auf Reisen. Fehlt es an Respekt, nimmt man ein Gegenüber nicht wahr.

In Köln fiel mir das auf, als ich mich mit dem Kunstwerk „Standortmitte“ von Lutz Fritsch beschäftigte. Es umfasst zwei rot lackierte Stelen auf den Verteilerkreisen in Köln und Bonn. Sie markieren Deutschlands älteste Autobahn, eingeweiht 1932 von Konrad Adenauer. Fritsch hat das Kunstobjekt entworfen, die Finanzierung gesichert und es 2008 errichten lassen. Die Gegenleistung der Städte besteht darin, dem Künstler vertraglich sein Urheberrecht zugesichert zu haben und – salopp gesagt – die Kunst nicht anzutasten.

Bereits das gelang in Köln nicht. Die Stadt will die künftige StadtBahn Süd unmittelbar neben der Stele vorbeiführen und sie damit ihrer Wirkung berauben. Eigentlich hätte sie die Bahnlinie um den Verteilerkreis herum legen, damit das Kunstwerk umgehen und gleichzeitig eine elegante Lösung finden können. Doch hat sie, wie es scheint, drauflos geplant und die künftig vorhandene Bahnlinie einfach mit dickem Strich verlängert.

Der Künstler wehrt sich, die Stadt fährt schweres Geschütz gegen ihn auf. Die „Standortmitte“ stehe nationalen und internationalen Klimaschutzzielen im Weg, argumentiert sie in einem Gutachten, das die eigene Planungsblindheit und damit die Ursache des Konflikts außeracht lässt: Die Verwaltung hat die Kunst schlicht übersehen. Selbstbezogen ist auch der Einwurf, eine Umplanung sei zu teuer. Er erinnert an einen Verkehrssünder, der sein Motorrad zu schnell gemacht hat und sich weigert, es zurückzubauen – weil er bereits zu viel investiert hat. So gebiert eigenes Unvermögen einen Sachzwang und Fehler schreiben sich fort, weil man sich ihnen beugt.

Respektlosigkeit mündet hier in blanke Machtausübung dem Schwächeren gegenüber, dessen Recht nur mit so hohem Kostenrisiko einklagbar ist, dass es ihn ruinieren würde. Kunst ist ein Indikator wie der Kanarienvogel im Bergbau früherer Tage. Hörte der auf zu singen oder fiel er gar von der Stange, drohte Gefahr. Erst dem Vogel, dann auch den Menschen. Jeder, der einen Vertrag mit der Stadt hat, sollte den Fall genau studieren. Er könnte das nächste Opfer sein. Die Stadt nämlich trägt kein Kostenrisiko. Es ist unser Geld, das sie verliert.

Fritsch weiß viele Mitstreiter an seiner Seite. „Die Standortmitte gehört allen Bürgern Kölns und wir werden uns um die Sicherung kümmern,“ sagt Bruno Wenn, Vorsitzender des Kölner Kulturrats, von einer Respektlosigkeit sondergleichen spricht der Historiker Ulrich S. Soénius. Sie sind Teil einer Kulturinitiative (www.respekt-koeln.de), deren Signum die rot lackierte Stele ist. Aufkleber und Postkarten, die die Initiative fertigen ließ, stehen für das, woran diese Stadt generell krankt: fehlende Führung, fragmentarische, an den Augenblick geknüpfte Politik, Konzeptionslosigkeit, die im Ergebnis zu Beliebigkeit führt, von Plan oder Vision nicht zu reden. Allein der Sachzwang regiert.

Wünschen wir uns und dieser Stadt, an der wir alle hängen, mehr Respekt. Für dieses neue Jahr und am liebsten für allezeit.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 20.12.2024

Über unterschätzte Erfolge, einen Hauch von Hollywood und unerwarteten Bedeutungsgewinn

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wenn es in Köln einen Mangel nicht gibt, dann den an schlechten Nachrichten. Da gehen die guten manchmal etwas unter, aber die gibt es eben auch: Der Umzug der Film- und Medienstiftung NRW ins Deichmannhaus zwischen Dom und Hauptbahnhof – mehr Zentrum geht wirklich nicht – bedeutet für die Stadt und ihren zuletzt etwas blass gewordenen Ruf als Medienstandort einen enormen Bedeutungs- und Imagegewinn, den man nur schwer überschätzen kann. Wirtschaftlich lagen die Effekte, die die Stiftung mit ihren Projekten in Nordrhein-Westfalen auslöst, bei rund 430 Millionen Euro. Damit ist Köln auf der internationalen Landkarte für Produzentinnen und Produzenten von Hollywood bis Lünen eine wichtige Adresse.

Glaubt man dem umtriebigen Düsseldorfer Medienminister Nathanael Liminski, ist das nicht zuletzt dem noch neuen Chef der Filmstiftung zu verdanken. Walid Nakschbandi habe „Dampf gemacht“, so Liminski, um die Fördereinrichtung nach Köln zu bringen, wo mit dem WDR und RTL auch zwei der Gesellschafter sitzen (die anderen sind das Land und das ZDF). Nakschbandi, privatwirtschaftlich sozialisiert, vielfach ausgezeichneter Filmproduzent (u.a. „Das Tagebuch der Anne Frank“) und zuletzt hochrangiger Medienmanager im Holtzbrinck-Konzern, haben Liminski und die anderen Träger der Stiftung die nötige Dynamik zugetraut, die sich rasch verändernde Medienbranche kraftvoll mitzugestalten.

Die NRW Filmstiftung, eine der größten ihrer Art in Europa, hat in der Vergangenheit nicht nur zahlreiche Oscar-nominierte Kinofilme ermöglicht oder gefeierte Serien wie „Babylon Berlin“. Für den Bereich relevanter Dokumentarfilme ist ihre Unterstützung überlebenswichtig und zunehmend spielt auch das Gaming eine Rolle in der Förderpolitik. Mit dem ebenfalls in Köln stattfindenden Branchentreff Gamescom entwickelt sich Köln zu einem internationalen Hotspot für diesen rasch wachsenden Markt. Die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Stiftungsarbeit hat ganz offensichtlich auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker erkannt und war, glaubt man Walid Nakschbandi, „extrem hilfreich und unterstützend“ beim Umzug der Filmstiftung vom Düsseldorfer Medienhafen an den Dom. Für internationale Star-Regisseure wie Michael Haneke, Wim Wenders oder Tom Tykwer ist künftig Köln wieder eine Reise wert, ebenso wie für die großen und kleinen Produzenten. Nicht nur für die zuletzt eher trübe Stimmung in der Stadt, die manchmal ins Misslingen verliebt zu sein schien, ein positives Signal.

Mit diesen guten Aussichten verabschiedet sich auch der Kölner Presseclub in die Weihnachtspause. Unsere vielen Veranstaltungen und die wöchentlichen Newsletter haben Ihnen hoffentlich gefallen, Sie informiert, manchmal auch amüsiert und nie gelangweilt. Wir freuen uns schon darauf, unsere ehrenamtliche Arbeit für Sie, die Stadtgesellschaft, fortsetzen zu können. Dass das möglich ist verdanken wir unseren Mitgliedern, aber auch unseren großzügigen Sponsoren JTI und Brost-Stiftung, denen wir auf diesem Weg herzlich danken.

Nach den Feiertagen starten wir gleich mit einer Veranstaltung, die sicher Ihr Interesse findet. Am Donnerstag, dem 9. Januar, ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu Gast im Kölner Presseclub (Anmeldung unter info@koelner-presseclub.de), Beginn ist 19.30 Uhr und der Veranstaltungsort das Hotel Excelsior Ernst. Im Zentrum des Gesprächs stehen die Gesundheitspolitik und die zunehmend drängendere Frage nach ihrer Bezahlbarkeit. Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Bis dahin wünschen wir Ihnen ein paar unbeschwerte Festtage und einen guten Rutsch in ein gesundes, friedliches Jahr 2025.

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 6.12.2024

Kulturkürzungen in Köln: Frisst die Opern-Baustelle unsere Kultur?

 

 

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

bringen Sie mal auf einer der vielen Weihnachtsfeiern das Wort „Oper“ ins Spiel und erleben Sie, was passiert: tiefes Seufzen, ein Stirnrunzeln, dann die Wut: „Wie kann das sein, dass das so teuer ist und niemand weiß, wann die Baustelle fertig wird?“ Dieses eine Wort – Oper – entfacht in Köln Diskussionen wie kein anderes und wird immer mehr zum Symbol städtischer Fehlpriorisierungen. Es ist ein Konflikt, der die Stadt nicht nur emotional, sondern auch kulturell zerreißt. Seit Mitte November ist klar: Kölns freie Kulturszene steht vor einer existenziellen Bedrohung. Die geplanten Kürzungen von sechs Millionen Euro – ein Fünftel der bisherigen Fördermittel – könnten etablierte Festivals, neue Projekte und Ensembles zum Erliegen bringen.

Auf der anderen Seite entsteht die neue Oper am Offenbachplatz, deren Gesamtkosten mittlerweile schwindelerregende 1,5 Milliarden Euro erreicht haben – inklusive dreistelliger Millionenbeträge an Finanzierungskosten. Ein Fass ohne Boden fürchten viele. „Die Oper frisst die Kulturstadt Köln auf“, höre ich in vielen Diskussionen. Doch es ist nicht die Oper selbst, die kritisiert wird – es ist die Ungerechtigkeit, die durch die Sparpläne der Verwaltung entstanden ist.

Die Stimmung kippt. Bürgermeister Dr. Ralph Elster warnt im Gespräch mit mir eindringlich vor den Folgen der Kürzungen und der drohenden Spaltung der Kölner Kulturlandschaft: „Was wir gerade erleben, ist brandgefährlich. Die freie Szene wird zerrieben, und die Opernbaustelle wird zum Sündenbock gemacht. Das müssen wir verhindern.“

Doch wer übernimmt die Regie in dieser Krise? Die Kritik richtet sich längst nicht mehr nur gegen die teilweise drastischen Sparpläne. Auch Kulturdezernent Stefan Charles gerät zunehmend unter Beschuss. „Wo ist er in dieser Krise?“ fragen Künstlerinnen, Künstler und Kulturinitiativen unisono. Aus der Politik heißt es, er arbeite im Hintergrund an Lösungen. Doch sichtbare Signale bleiben bislang aus. „Bei kulturellen Veranstaltungen sieht man ihn aktuell nur selten“, lautet der Vorwurf. Gerade jetzt bräuchte Köln jemanden, der die Perspektiven von freier Szene und Großprojekten zusammenführt, fordern sie.

Mitten drin: Opernintendant Hein Mulders. Die explodierenden Kosten und die ständigen Verzögerungen treffen nicht nur die öffentliche Wahrnehmung der Kölner Oper, sondern zermürben auch seine rund 600 Angestellten im Provisorium Staatenhaus. Seit Jahren stemmen sie die baulichen und organisatorischen Herausforderungen, die eine Übergangsspielstätte mit sich bringt. „Die Geduld vieler ist am Ende“, gibt  Mulders mir gegenüber offen zu. Dabei war seine Vision eine andere: Kölns Oper zu einem internationalen Leuchtturm zu machen, der weit über die Stadt hinausstrahlt. Stattdessen steht er einem Publikum gegenüber, das oft mehr Fragen zur Baustelle hat als zu den Aufführungen. Fragen, die in der gegenwärtigen Situation unbeantwortet bleiben.

Doch trotz allem zeigt Mulders Optimismus: „Das Staatenhaus ist zwar kein idealer Aufführungsort, aber wir haben uns dort künstlerisch profiliert und ein treues, diverses Publikum gewonnen, das uns durch diese schwierige Zeit trägt, bis wir an den Offenbachplatz ziehen können.“ Für ihn ist klar: Solange die künstlerischen Programme umgesetzt werden können, bleibt die Oper stark. Viele seiner Unterstützer hoffen, dass das Team Kurs hält – auf eine Zeit hin, in der die Oper Köln nicht nur ein richtiges Zuhause, sondern auch einen neuen Glanzpunkt für die Kultur der Stadt darstellt.

Aber wie soll es mit der freien Szene weitergehen? Als kulturpolitischer Sprecher der CDU schlägt Bürgermeister Elster jetzt einen „Kultur-Soli“ vor – eine geringe Abgabe auf Eintrittskarten, die der freien Szene zugutekommt. „Das wäre ein erstes Signal, dass die freie Szene kein Anhängsel ist, sondern ein Innovationsmotor, der das kulturelle Leben und die Attraktivität unserer Stadt prägt“, erklärt er. „Eine Stadt, die ihre Kulturschaffenden gegeneinander ausspielt, verliert am Ende alles.“

Es ist ein Weckruf an die politischen Gremien, die nun alle gefordert sind, gerechte Entscheidungen zu treffen. Die Kölner Kultur steht an einem Scheideweg. Prestigebauten wie die der Oper und die freie Szene dürfen nicht als Gegensätze wahrgenommen werden. Denn Kultur ist keine Frage von „entweder oder“. Es ist eine Frage von „und“.  Als Autorin dieser Zeilen und Ausrichterin des Shalom-Musik-Festivals, das selbst auf Fördermittel angewiesen ist, schreibe ich diese Zeilen sicherlich nicht aus einer neutralen Perspektive. Vielmehr sprechen sie aus der Sorge um unsere kulturelle Landschaft, die ich aus eigener Erfahrung kenne und schätze. Mein Anliegen ist es, eine Debatte anzustoßen über die Zukunft der Kulturstadt Köln.

Denn wenn nicht bald etwas geschieht, droht Köln mehr zu verlieren als nur Festivals oder Bühnen. Es droht, seine Identität als lebendige und kreative Stadt einzubüßen. Und das wäre ein Verlust, den keine Opernsanierung jemals ausgleichen könnte. Vielleicht ist die Weihnachtszeit genau der richtige Moment, um sich daran zu erinnern, was Kultur leisten kann: Sie bringt uns zusammen, sie bewegt uns und sie lässt uns träumen – ob in einer kleinen Hinterhofbühne oder auf der großen Bühne der Oper.

Aber Köln schafft es immer, zwischen Chaos, Pragmatismus und Humor zu balancieren – und am Ende doch alles irgendwie zu meistern, nicht wahr? Wie ein großer, bunter Zirkus: Manche jonglieren, andere stolpern – und am Ende klatschen trotzdem alle.

Mit hoffnungsvollen Grüßen

Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 29.11.2024

Wie kann Köln wachsen und mehr Steuern einnehmen? Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft rät der Stadt zu mehr Ehrgeiz!

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

was meinen Sie? Ist Köln unregierbar? Oder wird der Begriff leichtfertig verwendet, weil er sich als pauschale Erklärung eignet und an den freundlich-chaotischen Grundton dieser Stadt anknüpft? Lange schon hat sich das Bild von der Unregierbarkeit verselbständigt und ist zum Alltagsgift geworden, das sich zu den Schwaden des Haschisch-Rauchs in der Stadt gesellt.

Bislang lebte es sich bequem mit dieser Entschuldigung. Doch nun ist es globaler Stress, der die Welt, Deutschland und damit auch Köln erfasst. Von der Herausforderung durch die vier großen D spricht der Wissenschaftler Hanno Kempermann: Dekarbonisierung (Reduzierung von Treibhausgasen), Deglobalisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel. International verliert Deutschland den Anschluss: Es fiel in einem internationalen Wettbewerbsindex auf den 24. Platz und mit seinen Wirtschaftsdaten in der Europäischen Union (EU) auf den vorletzten Platz zurück.

Wer möchte vor diesem Hintergrund in einer unregierbaren Stadt leben? Tatsächlich muss das niemand. Faktisch ist Oberbürgermeisterin (OB) Henriette Reker Dienstvorgesetzte von 22.900 aktiv Beschäftigten. Ihnen gegenüber hat sie ein Weisungsrecht. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten kann sie eine eigene Verwaltung formen.

Zurzeit führt Henriette Reker damit das größte Unternehmen Kölns. Vergangen die Zeiten, in denen das der Autobauer Ford war, ein produzierender Industriebetrieb. Erst nach der Rewe-Gruppe mit 22.000 weitgehend im Handel Beschäftigen im Raum Köln taucht Ford mit 12.300 Beschäftigten in einer Liste der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln auf. Anders als die Verwaltung zahlt Ford Gewerbesteuer.

Eben das markiert nach Ansicht Hanno Kempermanns die Schwäche Kölns, wie er als einer der Autoren in der Studie „Starke Wirtschaft, starkes Köln“ ausführt. Der Geschäftsführer der „Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Consult“ führt aus, dass 90 Prozent des städtischen Steueraufkommens wirtschaftsrelevant seien, also an Produktion, Veredelung und Wertschöpfung gebunden seien. Davon habe Köln aber zu wenig.

Das ist der Haken an einer Dienstleistungsgesellschaft: Naturgemäß fehlt es an Wertschöpfung. Stark vereinfacht könnte man sagen, wir schneiden einander die Haare, arbeiten somit zwar, schaffen aber keine Werte. In Köln ist der Anteil der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe in den vergangenen Jahren – „besonders stark“, wie das Papier sagt – auf neun Prozent gefallen.

Durch einen Zuwachs solcher Arbeitsplätze in der Industrie könnte die Stadt höhere Steuereinnahmen erzielen. Mit Ehrgeiz und Strategie, das ist die Grundthese hinter der Studie, würde Köln ökonomisch erfolgreicher sein als jetzt – da liegen Stadt und Umland derzeit abgeschlagen auf Rang 201 von 400 Kreisen und kreisfreien Städten. Weit hinter München (Platz 25), Frankfurt (Platz 81) und Berlin (Platz 99) als Referenzstädte.

Indirekt lobt die Studie auch. Köln und sein Umland verfügen über ein gutes Image und eine große Strahlkraft. Lage und Verkehrsanbindung der Universitätsstadt sind exzellent wie auch die Forschungslandschaft. Diese Faktoren hätten bereits überdurchschnittlich viele Unternehmen mit digitalem Profil angezogen. Aber um etwas daraus zu machen, müssten Stadt und umliegende Kreise entschlossener vorgehen.

„Ohne Ehrgeiz verliert Köln den Anschluss“, formuliert Hanno Kempermann ohne Umschweife und erläutert am Modellfall, wie ideale Wirtschaftspolitik aussehen könnte. Auf einer Fläche von 30 Hektar (entspricht 40 Fußballfeldern) werden systematisch Unternehmen und Start-ups aus den Bereichen neue Mobilität oder Bio-Medizin angesiedelt und mit Forschung sowie Wirtschaft verknüpft, damit konzentriert Innovationen entstehen. Und wo? Vielleicht auf dem Ford-Gelände, denn die  Autofirma produziert in Köln nur noch Elektrofahrzeuge. Sie sind einfacher herzustellen als Verbrenner. Daher macht das Unternehmen Flächen frei. Die Herausforderung sei, Projekte rasch anzugehen, neu zu denken und zu planen, sagt Kempermann.

Denn bisher, so die IW-Studie, kann die Wirtschaft in Köln sich nicht voll auf die Verwaltung verlassen. Nur ein Fünftel befragter Unternehmer sieht sich unterstützt. In München und Frankfurt sind es fast doppelt so viele. Gleichzeitig geben 73 Prozent der Kölner Unternehmen an, dass die Verwaltung ihre eigenen Interessen wahrt, während das nur rund 45 Prozent der Münchner und 61 Prozent der Frankfurter Unternehmen bei ihren Verwaltungen feststellen. München und Frankfurt tun also nach dieser Befragung mehr für die Unternehmen und weniger für sich selbst als Köln.

Das IW rührt hier an ein leidiges Thema: Die Verwaltung. Henriette Reker war als Oberbürgermeisterin angetreten mit dem Ziel, sie so zu reformieren, dass aus ihr eine schlagkräftige Truppe wird, die effektiv und entschlossen arbeitet. Doch zog erst das städtische Rechnungsprüfungsamt eine verheerende Bilanz dieser Reform. Nun kommt auch das Institut der deutschen Wirtschaft zu einem ernüchternden Urteil.

Übrigens wandern aus Köln auffällig viele ökonomisch aktive Menschen im Alter von 30 bis 50 Jahren ab. Die Konsequenz aus hohen Immobilienpreisen, wenigen Baugenehmigungen und geringeren Gehältern als im erfolgreicheren München oder Frankfurt.

Die Studie ist frei zugänglich und hier einsehbar. Sie ist Bestandsaufnahme wie Mahnung und wurde der Kölner Politik übergeben. Hoffen wir, dass sie sie liest. Wir fragen beizeiten nach.

Zum Schluss: Wir laden ein zum Jahresabschluss-Gespräch mit Forsa-Chef Manfred Güllner am Dienstag, 11. Dezember, 19.30 Uhr, im Excelsior Hotel Ernst. Anmeldung: info@koelner-presseclub.de. Wir freuen uns auf Sie!

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 22.11.2024

Über ein Pferd im Senat,  Applaus aus dem Kreml und teure Illusionen

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

der römische Kaiser Caligula ist nicht zuletzt deswegen in Erinnerung geblieben, weil er sein Pferd zum Konsul ernannte – inklusive ständigem Sitz für den Hengst im Senat.  Seine Regierungszeit dauerte vier Jahre und war von Größenwahn und Rachsucht geprägt. Natürlich ist Donald Trump nicht Caligula, zumal der vermutlich kein Golf gespielt hat. Aber seine ersten Personalentscheidungen sind, man muss es so sagen, spektakulär und fachlich nicht erklärlich. Den Zerfall der alten Weltordnung dürften sie beschleunigen.

Was kommt auf Deutschland zu, was auf Europa und die NATO? Darüber habe ich mit einem außen- und sicherheitspolitischen Experten gesprochen, mit Dirk Brengelmann, Botschafter a.D, Spitzendiplomat und mehrere Jahre Beigeordneter Generalsekretär der NATO. Die ersten Personalien Trumps hätten seine Befürchtungen noch übertroffen. Bei seiner Auswahl sei es dem künftigen Präsidenten offensichtlich nur um absolute Loyalität gegangen. Als Motiv könnte ein Rachefeldzug Trumps vermutet werden, „im Militär und im Justizwesen soll aufgeräumt werden“. Ein Verteidigungsminister ohne jegliche Erfahrung, gegen den wegen sexueller Nötigung ermittelt wurde und der zur Vereidigung Joe Bidens aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen wurde – und künftig die mächtigste Armee der Welt befehligt? Ein Justizminister, dem Menschenhandel, illegaler Drogenkonsum, sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen vorgeworfen wurde, als Hüter des Rechts?

Als noch extremer bewertet Dirk Brengelmann die Benennung der Geheimdienstkoordinatorin, vor der sogar Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton, ein strammer Konservativer, dringend warnt. Sie hat russische Verschwörungsmythen verbreitet und mit einer Verteidigung von Moskaus Überfall auf die Ukraine Aufmerksamkeit erregt. Wenn man bedenkt, wie sehr die deutsche Sicherheit auch von den US-Geheimdiensten abhängt, ist die Vorstellung gruselig. Dass Moskau besonders diese Personalentscheidung begrüßt hat, gibt der Besorgnis zusätzliche Nahrung. Dass ein Klimaleugner und Frackingunternehmer Energieminister wird und ein Impfgegner Gesundheitsminister, sind da fast schon Petitessen. Lediglich der Außenminister Rubio sei halbwegs im Stoff.

Für die Verteidigungsfähigkeit Europas sind das keine guten Vorzeichen. Angesichts eines solchen Kabinetts rät Brengelmann: „Wir müssen uns warm anziehen“, fügt aber hinzu:  „Tatsache aber ist auch, dass weder die Franzosen noch wir im Augenblick Führungskraft haben“. Die werde aber von Deutschland erwartet. Polens Initiative, Europas Verteidigungspolitik mit anderen Staaten gemeinsam auf Trump vorzubereiten, allerdings Deutschland dabei auszusparen, zeige einmal mehr die gefährliche Uneinigkeit des Kontinents. Doch Warten und Hoffen bringe gar nichts. Wenn die ersten Entscheidungen Washingtons so krass ausfielen wie die Personalentscheidunge, könnte vielleicht ein Ruck durch Europa gehen: „Vielleicht brauchen wir eine solche Schocktherapie um aus den Puschen zu kommen.“ Die Strategie des nächsten US-Präsidenten sei, vieles im Ungenauen zu lassen, „zynisch gesagt, die Unberechenbarkeit ist seine Stärke.“ Darauf müsse man reagieren.

Sicher ist, dass die Europäische Union und die NATO einem Stresstest unterzogen werden. Den neuen NATO-Generalsekretär Mark Rutte sieht Brengelmann als Glücksfall für das Bündnis. „Ein Schlitzohr, aber im positiven Sinne.“ Auch er werde die amerikanische Forderung nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben unterstützen. Brengelmann sieht angesichts der Bedrohungslage die Aufwendungen für militärische Sicherheit eher bei drei als bei zwei Prozent: „Eine wirklich untermauerte Abschreckung ist notwendig.“ Aber sie wird erhebliche Mittel brauchen.

Spannend – und mit Auswirkungen auf Deutschland – wird sein, wie die Strategie im Ukraine-Konflikt sein wird. Aber für Deutschland noch schwieriger wird aus Brengelmanns Sicht, wie der israelische Regierungschef Netanjahu die Situation nutzen wird, um das Westjordanland völkerrechtswidrig zu annektieren. Das könne schnell gehen und auch zu einem Konflikt zwischen den USA und Deutschland führen. Als drittes Problem benennt der Brengelmann Taiwan. Die kritische Haltung gegenüber China, die schon Joe Biden mit seinem militärischen Beistandsversprechen gezeigt habe, könnte bei einem Angriff Chinas auf Taiwan demnächst gefährlich eskalieren.

Im Angesicht dieser internationalen Entwicklungen wirken die deutschen Debatten eigentümlich kleinkariert. Im beginnenden Wahlkampf scheint das Versprechen des ungestörten Weiter-so das Erfolgsrezept zu sein. Dieses Versprechen, das die Realität ignoriert, wird nicht gehalten werden können. Es ist eine teure Illusion.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

 

Ihr

 

Michael Hirz

 

NEWSLETTER 15.11.2024

Über eine fehlende Planstelle in der Verwaltung,
das Elend mit dem Verkehr
und genetisch bedingte Abneigungen

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

vielfach fragen sich Kölnerinnen und Kölner, ob die Stadtverwaltung mit 24.000 Mitarbeitern nicht allzu üppig besetzt sei. Das könnte durchaus sein, denn die offensichtlichen Mängel in den Dienstleistungen für die Bürger ließen sich vermutlich auch mit weniger Personal hinbekommen. Dennoch gibt es gute Argumente dafür, dass eine Stelle fehlt: Die für einen Oberstadtdirektor. Also für jemanden, der hauptberuflich und einschlägig qualifiziert die Verwaltungsarbeit verantwortet, führt, strukturiert und – auch das – kontrolliert. Doch die früher übliche Doppelspitze wurde in Nordrhein-Westfalen vor langer Zeit schon abgeschafft. Will man es nett formulieren, könnte man sagen: Verbessert hat das die Arbeitsergebnisse nicht. Es hat die Liste von Klagen über zu lange Genehmigungsverfahren, die marode Infrastruktur, die öffentliche Ordnung und vieles mehr nur verlängert.

Bei jemandem, der das aus eigener Anschauung erlebt (und wohl auch erlitten) hat, rennt man mit so einem Thema offene Türen ein: Fritz Schramma. Der ehemalige Kölner OB plädiert für eine entsprechende Änderung der Gemeindeordnung: „Der Oberstadtdirektor hatte früher einen 16 Stundentag, ob er Rossa, Ruschmeier oder Heugel hieß. Der Oberbürgermeister aber auch“, rechnet er vor. „Wer beide Aufgaben wahrnehmen muss, der kann nicht den Anforderungen und Bedürfnissen einer Großstadt gerecht werden. Schrammas Vorstellung ist, dass Städte ab einer gewissen Größenordnung – also ab 500.000 oder 750.000 Einwohnern – zur Doppelspitze zurückkehren sollten.

Doch unabhängig davon läuft in der Rhein-Metropole vieles nicht nur wegen einer fehlenden Doppelspitze schlecht. Wer sich trotz ausgeprägter Heimatliebe in anderen Städten umsieht, entdeckt schnell, dass außer beim Karneval in Köln vieles schlechter läuft als anderswo. Ob die Verkehrssituation (Schramma: „Eine in großen Teilen nicht funktionierende KVB kommt noch dazu“), die Lage auf dem Wohnungsmarkt, der Zustand der öffentlichen Infrastruktur, die Sauberkeit oder die Sicherheit – so sehr kann man die Stadt nicht lieben, dass man über all die offensichtlichen Defizite hinwegsieht.

„Der Wohnungsmarkt hier ist eine Katastrophe“, sagt Fritz Schramma, „wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Da muss ein Programm her, da könnte auch die Stadt mehr tun“. Zwar hat gerade das IFO-Institut gemeldet, dass die Hälfte der Wohnungsbauunternehmen über Auftragsmangel klagt. Aber die Stadt könnte Flächen zur Verfügung stellen, Baulücken müssten geschlossen werden, Potenzial gebe es auch, wenn man höher bauen dürfte. Doch er sehe wenig Ambition in der Spitze der Stadt. Wo heute keine Wohnungen entstehen, kann morgen niemand wohnen. Das Ergebnis ist, dass Wohnen die neue soziale Frage geworden ist. So entsteht eine Situation, in der  sich Menschen, die die Funktionsfähigkeit einer Stadt garantieren – also bei Polizei, Pflegediensten, Krankenhäusern oder Schulen – genau dort keine Wohnung mehr leisten können. „Große Unternehmen in Ballungsräumen stellen ihren Mitarbeitern Wohnungen zur Verfügung. Die Stadt Köln ist auch ein großes Unternehmen und hat damit eine soziale Verpflichtung gegenüber ihren Mitarbeitern“, sagt Schramma.

Mit Kritik an der Kölner Politik hält Schramma sich zurück, über seine Nachfolgerin im Amt will er sich – nachvollziehbar – nicht äußern. Aber auch so ist offensichtlich: Dass die Ära Reker als erfolgreich gestaltetes Stück Stadtgeschichte gewertet werden wird, scheint so unwahrscheinlich wie ein Rosenmontagszug an Heiligabend. Zu glücklos agierte sie, zu unambitioniert wirkt gerade in heraufziehenden Krisenzeiten ihr Umgang mit der Wirtschaft, ihr Bemühen um Sicherung und Erhalt wichtiger Arbeitsplätze –  gemeint sind die jenseits der Stadtverwaltung. Auch die Hoffnung, sie könne als ehemalige Dezernentin die Arbeit der Behörde optimieren – vergebens. Was Kölnerinnen und Kölner, die ihre Aversion gegen Düsseldorf offensichtlich in den Genen haben, besonders schmerzt, ist ein Blick in die nördliche Nachbarstadt, wo der nicht immer populäre OB Joachim Erwin kraftvoll wirkte und jetzt Stephan Keller seine Sache nach allgemeiner Einschätzung sehr respektabel macht. Ihn hat Köln ziehen lassen, was nicht wenige bedauern.

Nun ist das Rennen um das höchste Amt der Stadt eröffnet. Leicht wird es dem oder der neuen OB allerdings nicht gemacht. Verbessern würde sich die Handlungsfähigkeit, wenn er selbst Dezernenten und Dezernentinnen ernennen könnte, es sind schließlich die wichtigsten Vertrauten. So kungelt sie der Rat aus und kann damit einen Oberbürgermeister quasi einmauern. „Ein OB muss mehr Gestaltungsspielraum haben“, so Schramma. Auch plädiert er für eine Verkleinerung des 90-köpfigen Rates: „Das größere München kommt mit erheblich weniger Ratsmitgliedern aus.“ Auch wenn Köln für seine Fans natürlich die schönste Stadt der Welt ist – nicht nur im Fußball kann München sich sehen lassen. Man muss aus Kölner Sicht allerdings auch sehen wollen.

Dazu gehört für eingefleischte Köln-Patrioten natürlich die Brauchtumspflege. Meine Kollegin Susanne Hengesbach hat sich dazu, noch ganz unter dem Eindruck der sehr konkreten Brauchtumspflege am 11. im 11., ihre ganz eigenen Gedanken gemacht. Hören Sie mal rein, es lohnt sich.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 08.11.2024

Der Duft von Köln, Baustellen und TikTok: Wie eine junge Kölnerin das älteste Parfümhaus der Welt modernisiert

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

Amerikas Wahl, Deutschlands Ampel-Aus – das Gefühl von Sicherheit und Optimismus wird derzeit stark strapaziert. Statt Vertrauen zu schaffen, tragen die aktuellen politischen Entwicklungen eher zur Verunsicherung bei. Familienunternehmen in Deutschland stehen nicht allein dadurch vor einer enormen Belastung. Fast die Hälfte dieser Betriebe sieht sich in naher Zukunft mit einem Generationenwechsel konfrontiert, doch die Bereitschaft des Nachwuchses, das Ruder zu übernehmen, sinkt. Viele junge Menschen meiden das Risiko der Selbstständigkeit und setzen auf sicherere Alternativen. Doch es gibt Ausnahmen: Beim Kölner Unternehmen Farina 1709 – dem ältesten Parfümhaus der Welt – übernimmt Louise Farina, 24 Jahre jung, nach und nach die Leitung des Traditionshauses in der Kölner Altstadt. Dort, wo das weltberühmte „Eau de Cologne“ vor mehr als 300 Jahren erfunden wurde.

Im Erdgeschoss des Hauses gegenüber dem Jülichs-Platz bin ich mit ihr verabredet. Ein lebendiges Sprachengewirr umgibt mich – Touristen aus aller Welt schnuppern an den verschiedenen Eau-de-Cologne-Sorten. Rot ist hier die dominierende Farbe. Der Duft von Zitrus erfüllt die Luft, während im Museum unter uns die Geschichte dieses Hauses erzählt wird. Besuchergruppen lauschen den Erzählungen über die mehr als 315-jährige Historie und die Herausforderungen, die diese weltberühmte Marke prägten und mit deren Duft sich schon der Zar, Kaiserinnen, Könige, Feldherren, berühmte Schauspielerinnen und Dichter sowie politische Persönlichkeiten besprüht haben.

Als Louise schließlich eintritt, wird klar: Hier weht ein anderer Wind. Sie bringt nicht nur ihren fundierten wissenschaftlichen Hintergrund als Chemikerin ein, sondern auch ein modernes Verständnis von digitaler Markenführung. Als „Head of Innovation and Development“ arbeitet sie daran, die Marke „Farina – Eau de Cologne“ neu aufzustellen. Instagram, TikTok und Co. sind für sie essenziell, um die Geschichte von Farina  für eine junge Zielgruppe zu erzählen. Da hat die Kölnerin den richtigen Riecher  (ich verspreche, das werden die einzigen Kalauer in dem Newsletter bleiben) und ist ihrem Vater eine Nasenlänge voraus. Denn Johann Maria Farina stammt mit 66 Jahren noch aus einer „Vor-Social Media“ Welt.

Zwar ist Louise in der 9.Generation die erste Frau in der direkten Nachfolge, die die Leitung übernehmen wird, aber Frauen waren schon immer ein fester Teil des Unternehmens, betont  sie. „Meine Großmutter Tina Farina, zu der ich ein sehr enges Verhältnis hatte, und die Witwe Farina in der zweiten Generation, die von 1792-1800 Eigentümerin der Firma war und den Weg für ihre drei Söhne geebnet hat, haben das Unternehmen entscheidend geprägt. Unsere lange Tradition sowie die Familie sind das Fundament für unsere Unternehmenszukunft.“ So bleibt Johann Maria Farina vorerst Geschäftsführer. In fünf Jahren will Louise die Hauptverantwortung übernehmen. Auf die harmonische Zusammenarbeit mit dem Vater legt die Tochter großen Wert: „Uns verbindet eine gemeinsame Vision, und ich schätze es sehr, dass er mir in neuen Bereichen wie beispielsweise Social Media die Freiheit gibt, den Außenauftritt weiterzuentwickeln.“ 

Zur Zeit plant Louise den Umbau der Geschäftsräume – mehr Platz für Duftseminare und einen Relaunch des Duftmuseums. Ein Herzstück der Kölner Altstadt, das regelmäßig auf Monate ausgebucht ist. Während Touristen aus aller Welt und viele internationale Gruppen die lange Geschichte des berühmten Eau de Cologne erfahren wollen, bleiben die Kölner selbst oft fern. Ich frage mich, woran das liegt. Die Kölner feiern doch ihre Stadt bei jeder Gelegenheit und lieben ihre Traditionen. Auf der anderen Seite sind sie aber oft zurückhaltend, wenn es um Sehenswürdigkeiten in der eigenen Nachbarschaft geht. Das Farina-Duftmuseum ist da nur ein Beispiel von vielen. Ob hier nicht auch die umstrittene Verkehrsplanung der Stadt eine Mitschuld trägt?

Seit 17 Jahren dominiert eine Baustelle das Straßenbild vor dem Geschäft. Direkt gegenüber wird das MiQua-Museum gebaut, und ein Ende ist nicht in Sicht. In Köln dauert halt alles länger (und wird teurer). „Viele Kölner und vor allem ältere Leute erreichen unser Geschäft nicht mehr. Wer mit dem Auto kommt, ist im Verkehrschaos gefangen“, erklärt Louise. Hinzu kommt das absolute Halteverbot in der Altstadt, das den Zugang für Kunden fast unmöglich macht. „Wir haben keine Ladezone für Anlieferungen, keine Kundenparkplätze. Selbst unsere Lieferanten bekommen Knöllchen.“ Mit Kritik an politischen Entscheidungen in der Stadt steht sie ihrem Vater also in nichts nach. Johann Maria Farina vertritt seit Jahren die Anliegen der Innenstadt-Unternehmen und kritisiert die schwierigen Bedingungen durch Baustellen, Verkehrsverbote und eine autofeindliche Politik – zum Nachteil der Kunden und Geschäftsinhaber.

Die festgefahrene Kölner Verkehrssituation ist nicht das Einzige, in das Louise Bewegung bringen möchte: Die letzte Duftlinie, die Farina auf den Markt brachte, stammt aus den 1980er Jahren und wurde von Louises Großmutter, Tina Farina, entwickelt. Seitdem hat sich im Sortiment nicht viel getan. Nun steht ein weiteres, bislang geheimes Projekt in den Startlöchern, das die Handschrift von Louise tragen wird. Die Kunst und das Handwerk des Duftdesigns hat sie in Paris erlernt. Von der Seine zog es sie wieder an den Rhein. Louise als echtes Kölner Mädchen hat die lokale Verankerung der Marke stärker im Blick. Während Konkurrenten wie 4711 längst in Karnevalsliedern verewigt sind, bleibt Farina als Parfümlegende weitgehend unbesungen. Louise träumt davon, irgendwann mit einem eigenen Farina-Hit im Karneval präsent zu sein. „Ich würde nicht selbst singen, aber eine Initiative unterstützen“, verrät sie schmunzelnd. „Es wäre schön, wenn die Leute beim Wort Kölnischwasser an Farina denken – das Original, und nicht an 4711.

Ursprünglich bedeutete Farina auf Italienisch schlicht „Mehl“, doch die Familie verwandelte diesen Namen mit der Erfindung des Eau de Cologne in einen weltweit bekannten Begriff. Ein Stück Stadtgeschichte, auf das Köln selbstbewusster blicken könnte – schließlich ist es der Duft, der Köln zur Duftmetropole macht. So wie Louise Farina sehen viele Köln als eine Stadt voller Potenzial, die jedoch durch starre Strukturen, schleppende Projekte und eine oft chaotische Verkehrspolitik ihr eigenes Wirtschaftswachstum behindert. „Ich liebe meine Stadt, aber manchmal macht sie es einem wirklich schwer“, sagt sie abschließend. Und das ist vielleicht die größte Herausforderung für ein Unternehmen wie Farina : Zwischen Tradition und Innovation einen Weg zu finden – in einer Stadt, die sich oft selbst im Weg steht.

Mein Newsletter endet jetzt nicht mit einem „starke Frauen“-Narrativ, um den Wert und die Leistung von Frauen sichtbar zu machen. Auch junge Frauen wie Louise Farina sollten bereits als Persönlichkeiten wahrgenommen werden, die mit klarem Ziel in ihren Bereichen Verantwortung übernehmen und Veränderung vorantreiben wollen – besonders in stark männlich geprägten Feldern wie Wirtschaft und Finanzpolitik. Eine dieser Frauen ist auch  Anne Brorhilker, die ehemalige Cum-Ex-Ermittlerin, die mehr Konsequenz und Härte im Umgang mit Steuerbetrug fordert. Gemeinsam mit David Rühl und Peter Pauls (Vorstand des Kölner Presseclubs) wird sie darüber sprechen, wie Steuerkriminalität konsequenter bekämpft werden kann. Am Dienstag, 19. November 2024 um 19:30 Uhr im Hotel Excelsior – eine Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, ob die großen Betrüger zu oft ungeschoren davonkommen.

Melden Sie sich schon jetzt an unter: info@koelner-presseclub.de. Wir freuen uns auf Sie.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Claudia Hessel

NEWSLETTER 01.11.2024

Rundfunk und Verlage streiten über die Aufteilung des Medienmarkts. Dabei verlieren sie ihre wahren Gegner aus dem Blick. 

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Sie lesen diesen Newsletter sehr wahrscheinlich auf dem Handy, am Computer oder Tablet. Denn in gedruckter Form gibt es diesen Newsletter gar nicht. Käme er nicht vom Kölner Presseclub, sondern von einer Rundfunkanstalt, so müsste ich ihn künftig erst als einen Radiobeitrag oder eine Fernseh-Dokumentation fürs Fernsehen produzieren. Warum? Damit soll die sogenannte „Presseähnlichkeit“ im Rundfunk verhindert werden.

Nun passt das Wort Presseähnlichkeit schon irgendwie nicht mehr ins Jahr 2024. Tatsächlich dauert die Diskussion über dieses Streitthema schon viele Jahre an. Zeitungsverleger kritisieren, dass ihnen Texte von Onlineangeboten der Rundfunkanstalten das Geschäft erschwere. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig vergangene Woche war das Thema allgegenwärtig.

Im Vorfeld der Konferenz haben die Länderchefs mehr als 16.000 Eingaben auf den Entwurf des sogenannten Reformstaatsvertrags erhalten. Selten dürften die geplanten Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so viel Resonanz erzeugt haben. Mehrere Spartensender im Fernsehen sowie bundesweit 17 Hörfunkprogramme sollen eingestellt werden. Außerdem geht es um das Dauerstreitthema Rundfunkbeitrag – und eben um die Presseähnlichkeit.

Die Onlineauftritte der Rundfunkanstalten sollen nicht aussehen wie eine Zeitung. Abgesehen von der Frage, wie im Internet überhaupt eine Zeitung aussehen kann, geht es beim Streit vor allem den reinen Text. Im Kern wird diskutiert: Wie viel Text wird veröffentlicht – und wann? Auf Onlineangeboten wie Instagram fragte beispielsweise die Tagesschau „Was ist denn hier los?“. Die Story bestand aus einem schwarzen Bild, als sei der Onlineauftritt der Tagesschau bereits abgeschaltet. Seit der Vorschlag zur Verschärfung der Presseähnlichkeit vor ein paar Wochen öffentlich wurde, herrscht in einigen Belegschaften der ARD große Unruhe. Besonders junge Leute, die erst seit kurzem überhaupt im Berufsleben stehen, sehen ihr Ende im Mediengeschäft schon vor sich.

Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt ist, dass es die gesetzliche Regelung im Reformstaatsvertrag möglicherweise gar nicht gebraucht hätte. Immer wieder habe ich aus verschiedenen Kreisen gehört, dass Politik, Verlage und Rundfunkanstalten nicht gut miteinander sprechen konnten, um das Thema hinter verschlossenen Türen in einen Konsens zu überführen. Dabei spielen wohl auch unterschiedliche Umgangsformen und Prinzipien eine wichtige Rolle. Es wäre für mich, der auch als Autor für den ÖRR tätig ist, schön zu sehen, wenn mit dem Wechsel des ARD-Vorsitzes vom SWR zum HR auch eine neue Gesprächskultur einzöge.

Die neue Regelung zur Presseähnlichkeit halte ich nicht nur für unnötig, sie lässt vor allem außen vor, dass die Probleme der Medienlandschaft in Deutschland ihre Wurzeln mittlerweile in den USA und Russland haben: Techkonzerne werden künftig ihre Artikel durch künstliche Intelligenz erzeugen und das Internet mit deutschen Texten fluten. Dabei wird niemand die Frage stellen, wie der Text denn überhaupt erzeugt wurde.

Auf der anderen Seite geht es darum, Fake-News und russische Desinformation in den Griff zu bekommen. Die Diskussion, ob dadurch nun ein Verleger einen wirtschaftlichen Nachteil erfährt, wird leider bislang zu wenig diskutiert. So ein Problem löst sich aber nicht auf einer Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig. So etwas müssten wir nach guter Kölner Tradition mit Gesprächen und gemeinsamen Zielen lösen.

In Vergessenheit gerät nämlich: schon 2016 kam es in der Medienlandschaft zu einem Bruch, gegen den sich die Medienschaffende nur gemeinsam entgegenstellen können: Brexit und Trump. In Großbritannien hatte das Analysehaus Cambridge Analytica die Facebook-Profile von Millionen Wähler ausgewertet. Auf diese Weise konnten politische Kampagnen und Fake-News gezielt gestreut werden – mit Erfolg. Der Brexit kam. Wenige Monate später folgte der Wahlsieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl, der auf ähnliche Weise über Social Media Wahlkampf führte.

Und heute? Da gehört ein Kurznachrichtendienst wie X (vormals twitter) einem Elon Musk, der sich als größter Wahlkämpfer für eine zweite Amtszeit von Donald Trump präsentiert. Währenddessen streiten Verleger und Anstalten über die Länge von Texten. Es passt für mich in die derzeitige politische Lage: Das Klein-Klein ist wichtiger als eine Gesamtstrategie.

Deshalb mein Aufruf: rauft euch bei Anstalten und Verlagen endlich zusammen!

Mit hoffnungsvollen Grüßen

Ihr
David Rühl

NEWSLETTER 25.10.2024

Warum Olympia in Köln mehr als nur ein Traum sein kann und wir uns heute schon bei Paris bedanken können 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

stellen Sie sich das vor: Tausende Fans säumen den Weg der Radrennfahrer, die ihrem Namen alle Ehre machen. Mit hoher Geschwindigkeit zischen sie über Wallrafplatz, Trankgasse sowie An den Dominikanern vorbei, entschwinden Richtung Unter Sachsenhausen, den Dom im Hintergrund. Die Fotos gehen um die Welt. Jubel der Massen an Zuschauern begleitet sie. Die stehen dicht gedrängt am Straßenrand oder sitzen auf Tribünen vom Rosenmontagszug. Eine Million Besucher aus aller Welt melden die Veranstalter später. Kein Wunder. Die Strecke liegt günstig am Kölner Hauptbahnhof.

Verzeihung – ich habe nur geträumt. Der Anlass? Bilder, wie sie von den Olympischen Spielen in Paris um die Welt gingen, könnte auch Köln liefern. Sicher auch die Region „Rhein Ruhr City“, die sich gut gerüstet sieht und mit der Idee flirtet, sich um die Austragung der Sommerspiele 2036 oder 2040 zu bewerben. Köln ist Teil dieses Verbunds und liefert mit seinem Rosenmontagszug neben dem Frohsinns- auch ein Management-Testat ab. Aber auch Hamburg, Berlin, Leipzig und München gelten als mögliche deutsche Kandidaten, sagt Torsten Burmester, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Vor mehr als 25 Jahren erlebte ich in kurzer Folge erst den EU- und danach den G 8-Gipfel im Schatten des Doms. Seit Bill Clinton in der Malzmühle ein Kölsch trank und witzelte, er sei ein solches, weiß ich, wozu Köln imstande ist. Darin wurzelt mein Glaube an diese Stadt, die damals eine regelrechte Wesenhaftigkeit annahm, in der sich alles vereinte: Menschen, Offenheit, die Freiheit, die ein Fluss bringt, das Erbe von Römern und Franzosen, der eigene Dialekt und die kulturelle Prägung, Kanten zu glätten. „Unser Bill“-Rufe gehörten auch dazu. Solche Erfahrung kann Vorbehalte entkräften, die Olympische Spiele sonst immer wieder verhindern. Köln ist selber ein Großereignis. Jedenfalls denken seine Bewohner das gerne.

Moderne Spiele sind keine Neubauorgien mehr. Sie setzen auf den Bestand an Stadien, Parcours, Wasserflächen und Großhallen wie die Lanxess Arena. 95 Prozent der für die Spiele benötigten Sportstätten sind in NRW bereits vorhanden. Heute gehe es eher darum, Menschen breit zu beteiligen für ein niedrigschwelliges Olympia, erklärt Torsten Burmester. 

Wir sollten uns bei den Franzosen bedanken, dachte ich nach einem Gespräch mit ihm und dem deutschen Botschafter in Paris. Denn sie haben uns gezeigt, wie es gut ausgehen kann. Stephan Steinlein berichtete von den enormen Bedenken im Vorfeld der Spiele, von der angedrohten Massenflucht Pariser Bürger. Und davon, wie die Stimmung sich dann drehte. Es muss dieses Moment im Spiel gewesen sein, dass ich damals beim G 8-Gipfel spürte und das Köln in einen facettenreichen, freundlichen Gastgeber verwandelte.

War es die grandiose Eröffnungsfeier in Paris, die um die Welt ging? War es, dass die Bürger überrascht von sich selbst waren? Von Erfolg, Sicherheit und der Magie des sportlichen Wettbewerbs? Dass die Pariser ihre Stadt neu entdeckten, weil sie sich in den Augen der internationalen Besucher spiegelte? Sind Begeisterung und Freude ansteckend? Natürlich sind sie das. Ich weiß, wovon ich rede. Als gebürtiger Ostwestfale habe ich das in Köln beobachtet: Begeisterung bringt Begeisterung hervor.

Stephan Steinlein ist ein besonderer Diplomat. Er war, als Botschafter der ersten tatsächlich vom Volk gewählten Regierung, gleichzeitig letzter Botschafter der DDR in Paris. Vorher lernte er Stahlwerker und machte dabei sein Abitur, studierte Theologie und legte darin das 2. Staatsexamen ab. Sein Lebenslauf führt geradlinig durch eine Zeit von Brüchen. Da nimmt es nicht Wunder, dass er die Bürgermeisterin von Paris begleitete, als diese demonstrativ in der Seine schwamm – obwohl er damals erkältet war. „Ich stand im Wort und konnte keinen Rückzieher machen,“ erinnert er sich an die Aktion mit Anne Hidalgo, die für den belasteten Fluss werben wollte. Dort fanden Schwimmwettbewerbe statt.

Am Beispiel Frankreich lässt sich weiter durchdeklinieren, was demokratische olympische Spiele auszeichnet. Man müsse die Menschen mitnehmen, sagt Stephan Steinlein, aber auch etwas wagen und einig sein. Hilfreich war, dass die Politik in einer „ganz großen Koalition“ zusammenfand. Innovativ und nachhaltig müssten die Spiele sein. Es sei nicht viel gebaut und manchmal auch unkonventionell geplant worden mit einem Stadion für Basketball in der einen und Handball in der anderen Hälfte.

Das olympische Dorf wurde in Saint-Denis errichtet, einem berüchtigten Vorort von Paris. Abgehängt und gefährlich, urteilten Medien und bescheinigten dem Viertel hernach, ein guter Mitgastgeber gewesen zu sein. Das Dorf war von vornherein für Sportlerfamilien geplant, was die Nachnutzung erleichtert, die hier Sozial- und Mietwohnungen ebenso wie Wohneigentum vorsieht. Nachhaltig und innovativ, befindet Torsten Burmester. Die Spiele brachten auch eine verlängerte Metro-Linie bis zum Flughafen und eine neue Schwimmarena. Die Investitionen stammen übrigens aus nicht-staatlichen Quellen.

Von „bleibenden Effekten“ spricht Botschafter Steinlein, was auch für das Selbstverständnis im Land gilt. Befreit von Klischees der Vergangenheit erstrahlt ein neues Bild des Sehnsuchtsortes Paris, frisch und zeitgemäß. Eine Wirkung, die sich über Jahrzehnte spannt, wie viele hoffen.

Demokratisch sind solche Spiele, wenn sie ein Gegenentwurf sind zum befohlenen Jubel in autoritären Staaten, wenn diese sportliche Großereignisse veranstalten. Dort, wo man nicht weiß, ob Begeisterung echt ist oder ein Regime sich reinwaschen will, wie in China, Russland, Katar oder Saudi-Arabien. Jubel, der aus der Begeisterung für den Augenblick entsteht ist etwas anderes als Jubel auf Bestellung. Und auch hier muss ich sagen: Frei Jubeln kann Köln ziemlich gut und gerne aus gutem Grund.

Olympia, um einen Schritt weiter zu kommen, um zu sehen, was in einem steckt und um selbstbewusster voran zu gehen? Ein solches Olympia wünsche ich mir. Es könnte eine Region zusammenschweißen, die sich bisher nicht als Region erlebt. Was für ein Ziel!

Nun zu Susanne Hengesbach. Allein wegen eines einzigen Satzes würde es sich lohnen, noch einmal ins Kino zu gehen, wenn der 50 Jahre alte Film Alexis Sorbas läuft: „Hast du jemals etwas so bildschön einstürzen sehen?“ Woran liegt es, dass einem dieses Filmzitat so vertraut erscheint? Darüber diskutiert sie in ihrem neuen Poetry-Stück UNTERIRDISCH mit ihrem Neffen Jan . . .

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

 

P.S.: Was halten Sie von Olympia an Rhein und Ruhr, vor allem aber in dieser Stadt? Gerne schreiben Sie uns unter info@koelner-presseclub.de

NEWSLETTER 18.10.2024

Warum der Abriss des Kölner Justizgebäudes Geld sowie Vertrauen kostet und wie man in einer Schulsporthalle Zuversicht finden kann  


Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wenn von einem Elefanten im Raum die Rede ist, bedeutet das, ein großes Thema werde nicht angesprochen. Aber was ist, wenn dieser Elefant aus drei gewaltigen Gebäudeflügeln in radialer Anordnung besteht, deren höchster Teil 24 Etagen umfasst und eine Höhe von 105 Metern aufweist? Dann muss das Schweigen ohrenbetäubend sein. So ist es mit dem Kölner Justizzentrum. Es gehört dem Land NRW. 1981 war es bezugsfertig. Nun soll es schon wieder abgerissen werden.

Darüber sprechen mag so gut wie niemand. Weder das Wirtschaftsministerium von Vize-Ministerpräsidentin Neubaur (Grüne) möchte sich äußern, noch wollten Justizminister Limbach (Grüne) oder der NRW-Bau- und Liegenschaftsbetrieb an unserer Podiumsdiskussion („Abriss um jeden Preis“) teilnehmen. „Das Thema wird wie eine heiße Kartoffel behandelt,“ kritisiert Jörg Frank vom BUND. Der frühere Fraktionsgeschäftsführer der Kölner Grünen verweist darauf, dass die Stadt sich den Abrissplänen widersetzen kann. Sie hat die Planungshoheit und offiziell den Klimanotstand ausgerufen.

Bei einem Abriss geht graue Energie verloren, die zur Herstellung der Baustoffe wie Beton, Stahl und Steine, für ihren Transport, Lagerung und den Bauprozess aufgewendet werden muss. Jeder Privatmann, der einmal ein Haus gebaut hat, pflegt die Immobilie, setzt sie instand oder modernisiert sie. Kein Wunder. Er arbeitet mit eigenem, meist selbst verdientem Geld. Das unterscheidet ihn von der öffentlichen Hand. Die arbeitet mit Steuern und Abgaben. Häufig handelt sie nach der Regel: bauen, verkommen lassen, abreißen, neu bauen, wieder verkommen lassen . . .

Bildmächtiger als mit dem Abriss dieses Hochhauses lässt sich die Verschwendung von Ressourcen kaum ausdrücken. Mein Respekt gilt daher dem Beigeordneten der Stadt Köln für Planung und Bauen, Markus Greitemann, dass er die Abrisspläne auf unserem Podium am Dienstag, 29.Oktober, 19.30 h, im Excelsior Hotel Ernst, Trankgasse 1-5, 50667 Köln, argumentativ vertritt. Andere ducken sich weg, er sitzt aufrecht.

Immerhin ließ der Landesbaubetrieb wissen, dass Abriss oder Sanierung des Gebäudes geprüft wurden. Die Alternativen wurden „hinsichtlich Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Nutzerfreundlichkeit, möglicher Risiken und weiterer Aspekte verglichen und bewertet. Die Kernsanierung erhielt in diesem Variantenvergleich unter Berücksichtigung aller relevanten Kriterien die geringste Punktzahl, ein Neubau die höchste„, schreibt die Behörde. An diesem Punkt war auch der BUND angelangt. Doch als er tiefer gehen wollte, mauerte der Betrieb mit einer erstaunlichen Begründung: Bei der Bekanntgabe weiterer Informationen seien nachteilige Auswirkungen auf die Baumaßnahme „Justizzentrum Köln“ zu befürchten. Darf eine Behörde die Öffentlichkeit so parteiisch unterrichten?

Dabei könnte man begründen, warum die Justiz es schwer hat in diesem Haus. Es ist, wenn ich die Kritik zusammenfasse, unterdimensioniert, dysfunktional, veraltet und nicht zu modernisieren. Die Aufzüge sind ein Flaschenhals. Aktentransport ist ein Geduldsspiel. Warum nicht E-Mail? Weil unzureichende Stockwerkhöhen keine Zwischenböden für elektronische Übermittlung zulassen. Dass sich vor Jahren eine Fünf-Tonnen-Betonplatte aus der Außenverkleidung löste, ist auch erwähnenswert. Aber warum lässt man die Justiz nicht ziehen und baut das Haus für den Wohnungsmarkt um? Pläne dafür liegen vor, Investoren stehen bereit – wie im Nachbargebäude, wo früher die Arbeitsagentur residierte. Dieses wird nun von einem privaten Bauträger für einen besonderen Mieter hergerichtet: Die Kölner Justiz will hier arbeiten, wenn ihr Justizgebäude abgerissen wird. Sie sehen – die Angelegenheit ist höchst komplex. Der Landesregierung hat es vermutlich nur die Sprache verschlagen.

Zum Schluss eine Geschichte, die Zuversicht schafft. Sie ist zu klein, um für Schlagzeilen zu sorgen. Doch ist sie so groß, dass sie für mich bedrückende Weltnachrichten beiseiteschob. Ein Mädchen-Handballteam des Longericher SC, 2018 gegründet mit acht- und neunjährigen Kindern, hat sich trotz Corona und eingeschränkter Hallennutzung Jahr um Jahr in die Handball-Jugend-Bundesliga vorgearbeitet. In den USA würde man einen Film darüber drehen. Hier machte mich eine Spendenbitte auf den Durchmarsch aufmerksam. Erfolg hat einen Preis, lernte ich. Der Bus zum Spiel nach München, Berlin, Hamburg oder Kassel kostet, die Nacht in der Jugendherberge auch, erklärte mir Martin Brozek, der mit Dirk Külker einer der Geburtshelfer des Handball-Wunders im Kölner Norden ist.

Sieht man sich den Erfolg näher an, kommt der Stoff zum Vorschein, der unsere Gesellschaft zusammenhält: Ehrenamt, Teamleistung, extra Wege gehen, für seine Kinder da sein, Freude über Siege, aber auch Niederlagen akzeptieren lernen. Er setzt sich aus sehr viel Arbeit zusammen, darunter tausende Trainings- und Fahrstunden, aus Lehrgängen, Eltern- und Helferarbeit. So lernten in den unteren Spielklassen Eltern, die Zeitnehmeruhr zu bedienen. Auf der kleinen Tribüne der Sporthalle in Longerich treffen sich bei Wettkämpfen zuschauende Familien am kleinen Erfrischungsbuffet, das ein anderer Nimmermüder aufbaut. So wächst die Gemeinschaft und keimt der Erfolg.

Zur Kreismeisterschaft gab es noch eine Torte mit der Aufschrift „Dreamteam“. Jahre später – die Mädchen sind jetzt junge Frauen – gibt es harte Medaillen zur westdeutschen Meisterschaft. Hier   finden Sie die Spendenbitte mit Fotos von Thomas Schmidt, hier erfahren Sie mehr über die Mannschaft, die zu den Top-Teams des deutschen Jugendhandballs gehört. Saison-Ziel des „kleinen Dorfvereins“ (Martin Brozek), ist die Endrunde der Deutschen Meisterschaft. Ich wünsche ihr viel Erfolg!

Und noch eine gute Nachricht: Susanne Hengesbach ist kraftvoll mit ihrem Poetry Podcast zurückgekehrt. Vor 50 Jahren sang der deutsche Liedermacher Reinhard Mey: „Es gibt keine Maikäfer mehr.“ Heutzutage schriebe er wohl eher das Lied: „Es gibt keine Weinkönigin mehr“. Von der Rodung der deutschen Sprache und dem bis zur Absurdität fortgesetzten Angleichungsbestreben hierzulande handelt ihr neuestes Stück JUNGFERNstieg. Sie können hier reinhören.

Ein freundlich-herbstliches Wochenende wünscht Ihnen
Ihr

Peter Pauls