Newsletter 26. August 2022

Newsletter vom 26.08.2022

Droht im Herbst der Zusammenbruch der Veranstaltungsbranche?  Lanxess-Arena-Chef Stefan Löcher sieht die Schuld bei der Berliner Coronapolitik

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ich bin neu in der Runde der Autoren des Kölner Presseclubs. Einige kennen mich bereits, anderen bin ich als Chefmoderatorin von RTL WEST und als Kölnerin bekannt.  Hier möchte ich nun künftig – neben Peter Pauls und Michael Hirz – meine Erlebnisse, Eindrücke und Einschätzungen mit Ihnen teilen.

Die Sommerpause für unseren Newsletter ist jetzt vorbei. Auch das Kulturleben startet mit großartigen Programmen und vielen Veranstaltungen in die neue Saison. Ob Konzert, Klassik,  oder Bandauftritte – das Angebot in Köln ist so vielfältig, wie die Stadt selbst. Aber einer spielt nicht mehr mit: Das Publikum. Es bleibt lieber mal zu Hause. Überall ist davon die Rede. Was könnte dafür verantwortlich sein? Die Inflation? Die steigenden Energiepreise oder immer noch Corona?

Kürzlich habe ich Stefan Löcher getroffen. Er ist Chef der Kölner Lanxess-Arena, die bestbesuchte Mehrzweckhalle in Europa mit erwarteten 1,5 Mio. Besuchern in 2022 – trotz Corona. Während bekannte Bands wie Kasalla ihre Tour mangels Kartenverkaufs absagen und auch kleinere Veranstalter über Publikumsschwund klagen, hat er zurzeit noch Grund zur Freude. Seine Halle ist voll, wenn er internationale Top Acts wie Phil Collins, Elton John oder Sting nach Köln holt.

Die Freude lässt aber schnell nach, sobald der Kölner Manager auf den kommenden Monate blickt. Nicht nur ihm bereitet das neue Infektionsschutzgesetz Bauchschmerzen, auch ich habe als regelmäßige Konzertgängerin ein Déjà-vu: Veranstalter könnten verpflichtet werden, tagesaktuelle Tests und Impfpässe zu kontrollieren oder wieder eine FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen durchzusetzen. Und bei einer Verschärfung der Corona-Lage sollen sogar Abstandsgebote und Obergrenzen möglich sein.

Hat Minister Lauterbach nicht mehr aus der Vergangenheit gelernt, habe ich mich angesichts dieses Bündels an alten Maßnahmen gefragt. Stefan Löcher sieht genau darin auch einen Grund, warum das Publikum vielerorts zögert: „Diese ganzen Andeutungen der Politik, allen voran von Karl Lauterbach, was alles im Herbst kommen könnte – so etwas verunsichert natürlich die Menschen und sie bleiben zu Hause. Einen weiteren Lockdown oder Kapazitätsbeschränkungen darf es aus meiner Sicht nicht mehr geben.“

Stefan Löcher, Geschäftsführer Lanxess-Arena, will im kommenden Herbst nicht auf leeren Stühlen sitzen,
denn die Verunsicherung beim Publikum liegt auch an der neuen Coronapolitik.

Foto: Bopp

Während Deutschland wieder Einengungen nicht nur im Kulturleben plant, sieht es im Rest von Europa erstaunlicherweise ganz anders aus: Frankreich, Dänemark, Portugal, Norwegen und viele andere Länder haben offenbar gelernt, mit den zu erwartenden und auch schon überstandenen Infektionswellen zu leben. Zum Schutze von Einrichtungen mit geschwächten Menschen gibt es nur noch gezielt vereinzelte Maßnahmen. Ein Modell, mit dem auch Löcher als Veranstalter und Arbeitergeber leben könnte: „In den meisten Ländern in Europa herrscht eine völlig gegenläufige Politik, die ganz klar auf Selbstbestimmung und mehr Selbstverantwortung setzt. Dort will man mit dem Virus leben und sogar die Quarantäne wird abgeschafft. Aus meiner Sicht geht man im Ausland wesentlich intelligenter mit dem Coronavirus um als in Deutschland. Wir sollten wieder mutiger sein und auch mehr in Selbstverantwortung und auf Selbstbestimmung gehen und schauen, für wen Corona wirklich gefährlich ist.

Bis zu 20.000 Besucher fasst die mehrfach ausgezeichnete Lanxess-Arena pro Konzert- und Sportveranstaltung. 

Foto:Claudia Hessel

Angesicht der geplanten Corona-Politik und der allgemeinen Verunsicherung schaut Löcher mit gemischten Gefühlen auf sein nächstes Großevent: „Wir freuen uns natürlich sehr für Köln auf die Basketball-Europameisterschaft, die jetzt Anfang September kommt. Da holen wir wieder ein Riesenevent mit fünf Deutschlandspielen in die Stadt. Das heißt erneut mindestens 100 Millionen EUR Umweg-Rendite durch tausende Hotelübernachtungen und Gastronomiebesuche usw. für Köln. Als privatwirtschaftliches Unternehmen gehen wir dafür selbst hoch ins Risiko. Deshalb müssen die verantwortlichen Politiker sehr aufpassen, dass sie mit ihrer Coronapolitik im internationalen Vergleich nicht deutliche Wettbewerbsnachteile für Deutschland schaffen, und wir uns dadurch selbst stark beeinträchtigen – gerade nach dem, was wir die letzten zwei Jahre durchgemacht haben.“

Der vom Kabinett gebilligte Entwurf des Infektionsschutzgesetz geht nun in den Bundestag und könnte am 8. September beschlossen werden. Im Gespräch mit Stefan Löcher wird deutlich, eine öffentliche Diskussion auch über die wirtschaftlichen Konsequenzen des geplanten Infektionsschutzgesetztes muss jetzt und vor allem auch mit Veranstaltungsexperten geführt werden und nicht, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dürfen wir von Politikern nicht erwarten, dass sie genauer zuhören und neue Wege finden? Nicht nur in Köln steht eine ganze Branche mit vielen Arbeitsplätzen und Existenzen auf dem Spiel, wenn das Publikum aus Angst oder Frust zu Hause bleibt.

Kommen Sie dennoch gut und gesund durch die letzte Augustwoche, das wünscht Ihnen

Ihre

Claudia Hessel

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Newsletter 1. Juli 2022

Newsletter vom 1.07.2022

Für die einen ärgerlich teuer, für andere unbezahlbar – Lebensmittel werden auch in Deutschland knapp

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

es ist schon richtig, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Aber ein Leben ohne Brot, also ohne Nahrung, geht erst recht nicht. Diese Erkenntnis hat uns Corona, vor allem aber der unselige Krieg im Osten Europas wieder ins Bewußtsein gerückt. Die umfassende Versorgung mit Lebensmitteln aller Art gehörte zu den fast schon langweiligen Selbstverständlichkeiten unseres Alltagslebens. Auch das zerschellt gerade an etwas, das der Kanzler mit „Zeitenwende“ bezeichnet hat. Lebensmittelknappheit ist hierzulande nicht mehr nur Geschichte, sie scheint auch Teil unserer Zukunft zu werden.

Schon jetzt sind Lücken in den Regalen von Rewe und Edeka, von Aldi und Lidl an der Tagesordnung. Und da, wo das Angebot noch üppig ist, sind die Preise es ebenfalls. Billig war gestern. Wer beim Tanken und beim Strom noch nichts von Inflation gemerkt hat, spürt das spätestens im Supermarkt. Ist das erst der Anfang einer besorgniserregenden Entwicklung? Etliche Produkte gibt es kaum oder gar nicht mehr, bei den anderen lernen die Preise gerade einen zügigen Galopp. Für viele Haushalte, die bislang schon scharf rechnen müssen, eine Schreckensvorstellung, denn was für die einen nur ärgerlich teuer wird, wird für die anderen unbezahlbar.  Was kommt auf uns zu und was sind das für Ursachen? Jemand der das wissen muss ist Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbandes und des Dachverbandes der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Lebensmittelindustrie
(Foto: Matthias Martin)

Beruhigen kann Minhoff auch nicht, aber erklären kann er. Nach zwei Jahren Corona sieht er die deutsche Ernährungsindustrie „in der größten Krise seit 70 Jahren“. Es gebe kaum einen Bereich, in dem die Kosten nicht stiegen. Haupttreiber sind nach seiner Darstellung Rohstoffe, Energie, Verpackung und Logistik. So lagen die Rohstoffpreise im April 2022 satte 52,6 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Für Weizen hat sich an den Handelsplätzen der Preis innerhalb eines Jahres verdoppelt, für Hartweizen gar verdreifacht.

Die Energieabhängigkeit der Branche mit ihren über 6.000 Betrieben ist enorm: Die Erzeugnisse müssen erhitzt und gekühlt werden, gemahlen, gepresst oder auch gemischt. Das geschieht überwiegend mit Gas (die Lebensmittelindustrie ist der viertgrößte Gasverbraucher) – doch da gab es binnen Jahresfrist einen Preisanstieg von mehr als 300 Prozent – und der Aufwährtstrend ist keineswegs gebrochen, gleichzeitig herrscht völlige Unklarheit, ob die Versorgung überhaupt gesichert ist. Als Nachteil erwies sich auch, dass die Lebensmittelhersteller im Zuge der Energiewende ihre Produktion auf Gas umgestellt haben – und sich damit ein sattes Problem eingehandelt haben.

Nimmt man noch die gerissenen Lieferketten wegen des Fahrer- und Containermangels hinzu, verdüstert sich das Bild vollends und wir müssen uns, so macht das Gespräch mit Minhoff deutlich, auf kräftige Preisschübe und gelegentlich leere Regale einstellen. Angesichts weltweit drohender Hungersnöte ist das immer noch verkraftbar. Aber die Welt, wie wir sie kannten, gibt es nicht mehr. Auch nicht im Supermarkt.

Weitermachen, wo wir vor Corona aufgehört haben? So einfach ist das auch auf anderen Feldern nicht mehr. Flughäfen und Luftverkehr sind europaweit ein so plakativ wie extremes Beispiel dafür. Man kann nicht einfach einen Schalter umlegen und komplexe wirtschaftlich-gesellschaftliche Bereiche schnurren, wie man es vor der Pandemie gewohnt war.

Wie steht es mit der Kölner Messe? Sie ist für diese Stadt und ihr Umland ein Vitalfaktor. Die Hälfte aller Übernachtungsgäste sind Messe- oder Kongressbesucher. Sie sorgen für rund eine Milliarde Euro Umsatz in der Region. In China, Brasilien und Indien zahlt die Koelnmesse direkt auf das Ansehen der Stadt ein. Wie hat ihr Publikum sich verändert und sie sich selbst? Wie sieht es mit der Konkurrenz in Europa aus? Wie ist sie durch die Covid-Jahre gekommen? Wo hat der Staat wie unter die Arme der dortigen Messe-Gesellschaften gegriffen? Welchen Einfluss hat der Ukraine-Krieg?  Über all das wollen Hildegard Stausberg und Peter Pauls am Donnerstag, 14. Juli, 19.30 h, im Kölner Presseclub im Excelsior Hotel Ernst mit Messechef Gerald Böse sprechen (Anmeldung info@koelner-presseclub.de).

Das ist gleichzeitig auch ein Gespräch über diese Stadt, denn der Messe-Manager sieht sie aus zwei Perspektiven: als Kölner, der freundlich für seinen Messestandort wirbt. Stets jedoch auch mit dem kritischen Auge seiner internationalen Kunden. Nähe darf da nicht den Blick trüben.  Freuen wir uns auf einen interessanten Abend, der mit Gesprächen bei Sekt und Selters endet.

Nicht enden, aber eine Sommerpause einlegen wird unser wöchentlicher Newsletter. Ab Ende August werden wir Sie wieder verlässlich jede Woche freitags mit ausgewählten Themen aus Stadt, Land und der weiten Welt versorgen. Bleiben Sie gesund und ich wünsche Ihnen im Namen des Kölner Presseclubs eine sonnige, erholsame Zeit.

In diesem Sinne grüßt Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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Newsletter 24. Juni 2022

Newsletter vom 24.06.2022

Ein „sensationeller“ Sieg der Stadt über Holzkohle-Grills an der Weidengasse? – Bitterer Abschied für Opernintendantin Birgit Meyer

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

kehrt endlich Ruhe ein am Eigelstein? Das wuselige Viertel hinter dem Kölner Hauptbahnhof ist bekannt für seinen Bevölkerungsmix, das Nebeneinander von Sündern und Heiligen, von unten und oben. Seit der Bürgerverein Eigelstein seinem Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) einen Hilferuf lieferte, erlebe ich das Viertel als gespalten. Trauriger Höhepunkt: Der Vorwurf, Holzkohlegrills in der Weidengasse verbreiteten „extrem giftige Gase.“ Nun liegt ein Gutachten vor, welches das städtische Umweltamt in Auftrag gegeben hat. Der Verein nennt es auf facebook einen „Durchbruch“, Andreas Hupke in der Kölnischen Rundschau (KR) „sensationell“. Als habe man einen mächtigen Gegner besiegt.

Das Wort „extrem giftig“ wird im Gutachten nicht belegt. Stattdessen heißt es: Es sind „schädliche Umwelteinwirkungen“ durch Geruch nachgewiesen. Diese sachliche Sprache ist anders als die des Bürgervereins, die aggressiv und polarisierend ist. Restaurantbetreiber wie Ali Bozkurt lenkten nun mir gegenüber demonstrativ ein. Sie wollten keinen Streit und das Ihre tun, um zu einem guten Miteinander zu kommen. Geruchsfilter würden installiert.

Laut KR will der Bürgerverein, was Aufgabe städtischer Ämter wäre: die Umsetzung des Gutachtens „eng begleiten“. Die Situation bleibt also schwierig. Zudem gibt es im Gegensatz zu Emissionen von Chemikalien für Gerüche keine quantitativen Analysemethoden. So steht es im Anhang 7 der „Technische Anleitung Luft“, auf der das Gutachten Weidengasse fußt. „Da Geruchsbelästigungen meist schon bei sehr niedrigen Stoffkonzentrationen und im Übrigen durch das Zusammenwirken verschiedener Substanzen hervorgerufen werden, ist ein Nachweis mittels physikalisch-chemischer Messverfahren äußerst aufwändig oder überhaupt nicht möglich. Hinzu kommt, dass die belästigende Wirkung von Geruchsimmissionen stark von der Sensibilität und der subjektiven Einstellung der Betroffenen abhängt,“ heißt es weiter in Anhang 7. Er erwähnt nicht, ob die Regeln überhaupt auf Imbissbuden und Grills anwendbar sind. Aufgeführt sind nur Großbeispiele wie Industrie, Landwirtschaft, Abfallentsorgung und Straßenverkehr. Der Weisheit letzter Schluss ist auch dieses Gutachten nicht.

Seit geraumer Zeit schaue ich genauer hin, was am Eigelstein geschieht, wie Bürgerverein und Bezirksbürgermeister im Schulterschluss unterwegs sind. Als gehöre das Viertel ihnen, spricht Andreas Hupke davon, dass alle Geschäftsleute hinter den Verkehrsberuhigungsmaßnahmen stünden. Obwohl 300 Kritiker eine mehrsprachige Resolution unterzeichneten, kommen sie im Reden und Handeln der Politik nicht vor. Sie und ihre Existenzsorgen existieren politisch nicht. Da ist es hilfreich, dass eine Buch-Veröffentlichung des Kultursoziologen Prof. Dr. Wolf-Dieter Bukow zum Thema bevorsteht.

Wie bewertet man den Geruch von Döner und Kohlegrills in der türkisch geprägten Weidengasse?
Die Stadt Köln hat dazu ein Gutachten erstellen lassen, das zum Einbau von Filtern rät.

Foto: Peter Pauls

Kürzlich traf ich Dieter Endemann. Der frühere evangelische Pfarrer lernte Anfang der 90er Jahre Andreas Hupke in der Bürgerinitiative Eigelstein kennen. Deren Ziel war, die damalige städtische Sanierung so umsichtig zu gestalten, dass nicht ganze Bevölkerungsgruppen verdrängt würden. Heute äußert Endemann sich mitunter in Leserbriefen. „Mehr Entgegenkommen, mehr Verständnis für die Lebensgeschichte, das Lebensrecht und die Lebensbedingungen der Menschen mit Migrationshintergrund will beachtet sein“, schrieb er im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu den Grills. Neben der Grundregel „Leben und leben lassen“ formuliert er Kernpunkte für das Zusammenleben von Kulturen: Gegenseitiger Respekt, aufeinander zugehen und miteinander reden.

Wie schwer Menschen es ohnehin miteinander haben, zeigt der Abschied, den die „KÖLNERINNEN“ Opernintendantin Birgit Meyer bereiteten. Er trug eine herbe Note. Für das Frauennetzwerk hatten Christine Kronenberg, Stefanie Haaks und Katharina Hamma eingeladen, Barbara Schock-Werner hielt die Abschiedsrede. Ohne Umschweife und direkt in der Ansprache, wie es ihre Art ist. „Seit ihrer Berufung als Intendantin wurde ihr versprochen, dass sie nach vielen Jahren der Provisorien das fertig gestellte Opernhaus wiedereröffnen dürfe,“ sagte die frühere Dombaumeisterin und kritisierte, dass Meyer nun gehen müsse. Deren größte Herausforderung habe eine starke Leistung hervorgebracht. Nachdem Büros und provisorische Spielstätten geräumt waren, stand Meyer mit 600 MitarbeiterInnen praktisch auf der Straße, als 2015 plötzlich die Wiedereröffnung der sanierten Oper platzte. In nur acht Wochen richtete das Opernteam das leere Staatenhaus so her, dass im November dort gespielt werden konnte. Zusätzlich werde sie die Oper, die sie mit vier Millionen Euro Schulden übernahm, lastenfrei übergeben. Trotz Pandemie und Exil-Quartier. Wäre man so derb mit einem Mann umgegangen?

Was Barbara Schock-Werner eine Schande für die Stadt und ein großes Versagen der Parteien nannte – nicht eine habe sich für Birgit Meyer eingesetzt – erregte Aufmerksamkeit auch über die Grenzen Kölns hinaus. Waren Eifersüchteleien und Unverträglichkeiten im Spiel, wie Schock-Werner es andeutete? Das habe ich auch so gehört. Tatsache ist, dass niemand sich vor die Intendantin stellte. Halt! Einer tat es schon. Gefühlt schon immer ist Hans Mörtter auf einer Linie mit Schock-Werner. Der scheidenden Birgit Meyer gebühre großer Dank für die Umsicht, mit der sie das Haus durch die herausfordernde Vergangenheit gesteuert habe, teilt der Südstadt-Pfarrer mit. Ihr diesen Dank durch die Umstände ihres Abschieds zu verweigern, sei einfach nur unanständig.

„Frauen an die Spitze“ und „Köln muss weiblicher werden“ hieß es im Wahlkampf von Henriette Reker für das Spitzenamt in dieser Stadt. War das nur eine gut klingende Plakatbotschaft? Wer der OB wohlgesonnen ist, wählt den Vergleich zu Angela Merkel. Die frühere Kanzlerin habe die Erwartung, eine große Schwester ziehe weitere Frauen nach, ebenso wenig erfüllt wie bisher die OB, sagen Gutmeinende.

Diese Sicht gestattet einen versöhnlichen Schluss. Vielleicht kommt ja noch etwas?

Erwartungsvolle Grüße sendet

Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 17. Juni 2022

Newsletter vom 17.06.2022

Die unberechenbare Atommacht – Wie gefährlich ist Putin wirklich?
Ein Abend mit dem Russlandexperten Udo Lielischkies im Presseclub

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

es ist wohl so: Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Es ist auch eine Medienschlacht, ein Kampf um die öffentliche Meinung, der in der Ukraine ausgefochten wird. In den seriösen Nachrichtenangeboten wird deshalb bei Berichten aus dem Kriegsgebiet immer darauf hingewiesen, wenn sie nicht unabhängig überprüfbar sind. Für unser Verständnis von der Welt, von Hintergründen und Zusammenhängen ist eine solide, möglichst unparteiische Quelle also von zentraler Bedeutung. Was passiert also wirklich gerade in der Ukraine, was denken die Russen über Putins Überfall, wie beeinflusst das den Alltag in Moskau und Kiew? Davon hängt auch ab, wie lange der Krieg mit seinen schrecklichen Folgen noch dauern wird.

Es ist der Job der Auslandskorrespondenten, uns darüber zu informieren. Von ihrer Expertise, ihrer Qualität hängt es ab, wie gut und vor allem schnell wir uns auf Ereignisse einstellen können, deren Auswirkungen wir auch hierzulande in Form von verknappten Gaslieferungen, unterbrochenen Lieferketten, steigenden Preisen und hohen Flüchtlingszahlen zu spüren bekommen. Einer der bekanntesten ist Udo Lielischkies. Der gelernte Volkswirt war in den 90er Jahren für die ARD NATO-Korrespondent in Brüssel, er berichtete als Kriegsreporter unter schwierigsten Bedingungen aus Bosnien und dem Kosovo, sechs Jahre arbeitete er auch in Washington.

Den größten Teil seiner Korrespondentenzeit verbrachte er allerdings in Moskau, wo er das ARD-Studio leitete. Seine Berichte aus dem Tschetschenienkrieg und aus Afghanistan fanden nicht nur in Deutschland Aufmerksamkeit und wurden, wie auch andere Beiträge und Filme, ausgezeichnet. Den Ukraine-Konflikt beobachtete er von Anbeginn an, 2014 war er beim russischen Überfall als Augenzeuge in der Ost-Ukraine. Was Udo Lielischkies auszeichnet: Er ist einer der besten Putin-Kenner. Er ging nach Moskau, als der damals 47-jährige Wladimir Putin, ein blasser Geheimdienst-Apparatschik, russischer Präsident wurde. Immer wieder widmete Lielischkies dem lange unterschätzten Kreml-Chef Reportagen und Dokumentationen, vor drei Jahren erschien auch sein Buch „Unterwegs in Putins Russland“. Vermutlich gibt es in Deutschland wenige Experten, die den Moskauer Kriegsherrn so genau kennen und beurteilen können wie Lielischkies.

Umso interessanter verspricht ein Abend im Kölner Presseclub mit diesem langjährigen, erfahrenen Korrespondenten. Am Montag, 27. Juni, 19.30 h, ist er unter dem Titel „Putins Angriff auf die Weltordnung“ mein Gesprächsgast im Hotel Excelsior Ernst (Anmeldung: info@koelner-presseclub.de). Er soll uns helfen zu verstehen, was Wladimir Putin antreibt, mit wem er sich umgibt, wer ihm möglicherweise nachfolgt und was das für uns alle bedeutet. Ich kenne Udo Lielischkies seit fast 40 Jahren, wir haben beide in der Frühzeit unseres Berufslebens in einer Redaktion zusammengearbeitet. Ihn hat es immer schon hinausgezogen in die weite Welt, er wollte aus der Nähe sehen und verstehen, wie Weltereignisse ablaufen. Ich habe mich für den deutlich weniger gefährlichen Job als Geschäftsführer und Moderator eines Fernsehsenders entschieden, der immer wieder auch Filme von Lielischkies im Programm hat. Nun freue ich mich sehr auf einen so kenntnisreichen und klugen Gesprächspartner, der uns zum aktuell brennendsten Thema Informationen aus erster Hand geben kann. So wie wir immer mit unseren Veranstaltungen im Kölner Presseclub versuchen, diese so komplizierte, oft widersprüchliche Welt ein bisschen besser zu verstehen. Es wäre schön, wenn wir uns am 27. Juni im Hotel Excelsior Ernst sehen.

In diesem Sinne grüßt Sie nachdenklich, doch herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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Newsletter 10. Juni 2022

Newsletter vom 10.06.2022

Der Hunger in Ostafrika tritt gegen den Krieg in der Ukraine an. Oder: Wie unterschiedlich die Welt mit Elend und Sterben umgeht

 

Sehr geehrte Mitglieder,

liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Oxfam ist ein Großer unter den internationalen Hilfswerken, die gegen Hunger und Unterentwicklung in der Welt antreten. Die Überschrift für diesen Newsletter – Hunger gegen Krieg – hat der Verbund, der aus 21 nationalen Organisationen mit 3000 Partnern in über 90 Ländern besteht, sinngemäß in einer Denkschrift formuliert. Oxfam macht damit einen Zwiespalt öffentlich, der seit Wochen schwelt. Während für die Kriegsopfer in der Ukraine so viel Geld wie nie gespendet wird, muss – zum Beispiel – der afrikanische Osten buchstäblich betteln. Dieser Konflikt spaltet nicht nur die Welt, er ist auch eine Zerreißprobe für die Helfer.

Aus dem großen Topf für die Ukraine etwas abzuzweigen, ist aus gutem Grund nicht möglich. Die Spender haben ihr Geld an einen Zweck gebunden, der in Aufrufen formuliert wurde. Aufsichtsgremien – in Deutschland sind das die Finanzämter – wachen genau darüber, dass Geld nicht zweckentfremdet wird. Dies führt dazu, dass es mitunter Jahre dauern kann, bis Mittel abfließen. So ist es auch jetzt. An Geld für die Ukraine mangelt es den Hilfswerken nicht, wohl aber an geeigneten Projekten.

Könnte man künftige Aufrufe nicht ändern? fragt der Chef des britischen Hilfswerks „Health, Poverty, Action“ (Gesundheit, Armut, Aktion), Martin Drewry. Um auch Menschen zu helfen, die weltweit an den Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine leiden. Indirekt kritisiert er das große Bündnis von 15 englischen Hilfswerken DEC, das „Katastrophen-Nothilfe Komitee“, diesen Aspekt internationaler Betroffenheit aus den Augen verloren zu haben.

Teil des Ukraine-Konflikts ist, dass seine Folgen sich wie ein Elend und Zerstörung bringendes Netz um die Welt legen. Es reicht von den Schlafstellen in den überbevölkerten Elendsvierteln der ägyptischen Metropole Kairo, dem menschenarmen kenianischen Norden oder dem Bürgerkriegsland Somalia überall dorthin, wo ukrainische Produkte Menschen ernähren. Auch der Transport dieser Güter – Speiseöle, Mais und Weizen – bleibt mitunter aus oder hat sich enorm verteuert. Bereits wir stellen an den Zapfsäulen der Tankstellen oder beim Blick auf Heizungsabrechnungen fest, wie teuer Energie geworden ist.

23 Millionen Menschen sind von Hunger bedroht allein in Somalia, Äthiopien und Kenia, dem Horn von Afrika, 181 Millionen sind es weltweit. Doch während nur in Deutschland aktuell umgerechnet rund 800 Millionen US-Dollar für das Bürgerkriegsland gespendet wurden, sind bislang nur drei Prozent der 4,4 Milliarden US-Dollar zusammengekommen, die die Vereinten Nationen (UN) für das Horn von Afrika benötigen. 350.000 Kinder werden in Somalia bis zum Sommer sterben, fürchtet Oxfam.

Nothilfe für Nomaden – Malteser International aus Köln verteilt in Nord-Kenia Lebensmittel wie hier, in der Chalbi-Wüste. Wegen Dürre und Ukraine-Krieg sind Mais und Weizen für viele Menschen unerschwinglich geworden.

Foto: Peter Pauls

Vor zwei Monaten habe ich Kenias Norden bereist und die Chalbi Wüste durchquert. Große, säuberlich abgenagte Skelette von Tieren lagen neben der unbefestigten Piste. Die wenigen Lebewesen, die uns inmitten der Sand- und Geröllfelder begegneten, waren verendende Kamele. Die Tiere hatten sich auf der Piste zum Sterben niedergelegt. An einigen Stellen hatte Malteser International aus Köln unterirdische Wasserspeicher befüllt und Nahrung verteilen lassen. Je zehn Kilo Mais, Bohnen und Maismehl bekamen hilfesuchende Frauen für ihre Familien sowie zwei Liter Speiseöl und einen großen Kanister voll Wasser. Die Preise stiegen da bereits. Wie mag es diesen Menschen, die Deutschland so freundlich für seine Hilfe dankten, in Zukunft ergehen?

Zurück zu uns und unserem Überfluss: Vor zwei Wochen haben wir über die Pläne von Stadt Köln und Land NRW berichtet, das knapp über 40 Jahre alte Justizzentrum abzureißen. Die 24 Stockwerke mit 105 Metern Höhe haben damals 127 Millionen D-Mark gekostet. Zahlreiche kritische Reaktionen gingen bei uns ein – Empörung über den Verbrauch von Ressourcen ebenso wie nachdenkliche Worte, in denen Kommunen die Eignung abgesprochen wurde, Bauten zu sanieren. Vielleicht sagen die politisch Verantwortlichen mal etwas dazu und erklären sich und ihr Handeln?

Das scheint einmal mehr nötig, da der Kölner Rat vor einem Jahr entschieden hat, die Stadt zu einer „Null Abfall City“ zu machen – „Zero Waste City“ nannten die Kommunalpolitiker das wenig bürgernah. Durch gemeinsames Handeln sollen Abfälle vermieden, Wertstoffe besser getrennt und Wiederverwertung gefördert werden. Wie will man diesem hehren Anspruch vor dem Hintergrund des Abrisses gerecht werden?  Oder handelt es sich nur um politisches Lametta, mit dem man die öde Wirklichkeit behängt, damit sie glitzert und leichter erträglich wird? So sehr eine Antwort mich interessieren würde – ich bin mir fast sicher, dass sie nicht gegeben wird. Schließlich lebe ich schon ein halbes Jahrhundert in dieser Stadt.

Nachdenkliche Grüße sendet

Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 3. Juni 2022

Newsletter vom 03.06.2022

Aus Kölner Fehlern für Düsseldorf lernen
Hendrik Wüsts schwieriger Weg zu Schwarz-Grün

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

natürlich bringt es nichts, über den Lieblingssong von Hendrik Wüst zu spekulieren. Aber vielleicht ist es ja ein alter Hit von Wolf Biermann: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“ Denn der NRW-Ministerpräsident, der gerade mit den Grünen eine Koalition schmieden will, hat nur wenig gemein mit dem stramm konservativen CDU-Posterboy Hendrik Wüst von 2007, als er mit einer Streitschrift unter dem Titel „Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss“ die Partei mehr nach rechts rücken wollte. Doch das war gestern und natürlich ist der Konrad Adenauer zugeschriebene Satz richtig, dass ihn niemand daran hindern könne, jeden Tag klüger zu werden. Aber ob es dann wirklich klüger ist, weiß man erst hinterher.

Doch geht mit Schwarz und Grün da wirklich zusammen, was zusammenpasst? Eine CDU, die sich lange als Gralshüterin bürgerlicher Werte verstanden hat, und die alternative Bürgerschreck-Partei von einst? In keinem Bundesland war der Graben tiefer zwischen Union und Grünen als in Nordrhein-Westfalen. Zu dieser jahrzehntelangen Unversöhnlichkeit hatten vor allem scharfe Konflikte in der Energiepolitik beigetragen: Während etwa die CDU-Landesregierung mit einem wochenlangen massiven Polizeieinsatz den Hambacher Forst 2018 räumen lassen wollte (geschätzte Kosten: 50 Millionen Euro), protestierten Grüne gemeinsam mit Besetzern gegen diese Maßnahme. Der Weg zu einer gemeinsamen Energie- und Klimapolitik im Industrieland NRW ist weit.

1000 neue Windräder, zum Teil dichter ran an die Wohnbebauung als bisher erlaubt? Bisher hat die CDU das aus Sorge vor Bürgerprotesten abgelehnt. Und wie weiter in der Inneren Sicherheit? Herbert Reuls populärer Kampf gegen die Clan-Kriminalität? Analyse-Software? Flächendeckende Videoüberwachung? Ausrüstung der Polizei mit Elektroschockern und Bodycams? Alles das, sagen Grüne, ist mit ihnen nicht zu machen. Dafür setzen sie auf eine Mietpreisbremse, fordern „absoluten Vorrang für Fuß- und Radverkehr“, plädieren für Ausbau des Schienennetzes und des Öffentlichen Personennahverkehrs, für eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

CDU und Grüne – Zankapfel Energie- und Klimapolitik.

Bildquelle: RWE Power

Der Blick von der Landeshauptstadt nach Köln zeigt: Für die CDU ist im Zweifel ihr Tafelsilber nur Handelsware. Nun sind traditionell bürgerliche Parteien wie die Union keine Programmparteien, sondern pragmatische Machtmaschinen. Aber auch da gibt es einen Punkt, an dem ihnen die Wählerschaft nicht mehr folgt. Weil sie den Unterschied zwischen Pragmatismus und Prinzipienlosigkeit durchaus kennt. Erfolgreich hat das der grüne Ministerpräsident und praktizierende Katholik Winfried Kretschmann vorgeführt, der mit seiner „neuen Idee des Konservativen“ in Baden-Württemberg fest im bürgerlichen Milieu verankert ist und trotz seines Alters eine junge Wählerschaft begeistern kann.

Inzwischen nämlich hat sie – vor allem in den Metropolen – die mittlerweile moderaten Grünen als neue Heimat einer modernisierten Bürgerlichkeit entdeckt. Ziele wie der Klimaschutz und Umweltbewusstsein sind längst keine politischen Nischenprodukte mehr, sie gehören zur DNA dieses tonangebenden Milieus der Besserverdienenden und Bessergebildeten. Nur wer solche Ziele glaubwürdig als seine eigenen präsentiert, kann Wählerinnen und Wähler überzeugen.

Für Hendrik Wüst heißt das, aus Kölner Fehlern für Düsseldorf zu lernen. Flexibel, aber auch erkennbar zu bleiben. Welche Position muss aufgegeben werden, welche verteidigt? Denn seine eigene Jugendlichkeit steht im Kontrast zu einer bei der Union deutlich überalterten Wählerschaft, bei der die CDU gegenwärtig nur noch in der Generation Ü-70 eine Mehrheit hat. Bei aller Euphorie über sein gutes Ergebnis der NRW-Wahl weiß Wüst, dass die Mitte der Gesellschaft längst kein Erbhof der CDU mehr ist, dass die Partei die aktiven Jahrgänge wieder für sich einnehmen muss, um Macht und Einfluss zu erhalten, um nicht aus der Zeit gefallen und altbacken zu wirken. Und das geht nur über Veränderung.

Der bekannte Historiker Andreas Rödder hat das in seinem Buch „Konservativ 21.0“ ziemlich gut beschrieben. Es handelt von der Kunst, werteorientiertes Profil zu entwickeln und dennoch an den Zeitgeist anschlussfähig zu werden. Aber gute Lektüre will auch gelesen und gute Ratschläge wollen befolgt werden.

In diesem Sinne grüßt Sie nachdenklich, doch herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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Newsletter 27. Mai 2022

Newsletter vom 27.05.2022

Ist das Kölner Justiz-Zentrum ein Wegwerf-Hochhaus? – Wie Stadt und Land in Zeiten des Klima-Notstands Ressourcen vernichten

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ich weiß jetzt, wie ein Wegwerf-Hochhaus aussieht. Es ist 105 Meter hoch, hat 24 Geschosse, ein ziemlicher Brocken also, und ist 41 Jahre alt. Die Rede ist vom Kölner Justiz-Hochhaus, das im April 1981 fertig wurde, heute „marode“ genannt wird und deshalb abgerissen werden soll. In diesem Zusammenhang wird von defekten Aufzügen, schlechter Wasserversorgung und Kabelsalat in Gerichtssälen berichtet. Mich lässt das mit der Frage zurück, ob man diesen Mängeln durch Reparatur nicht hätte abhelfen können oder sie – besser noch – durch Pflege der Substanz gar nicht erst entstanden wären?

Egal – der Abriss ist wahrscheinlich. Kölns OB Henriette Reker und NRW-Justizminister Peter Biesenbach begrüßten ihn in den Kölner Medien öffentlich. In einem Papier, das beide unterzeichneten, ist jedoch auch von der „hilfsweisen Option“ einer Kernsanierung des Gebäudes die Rede, die aber „keine Alternative“ darstelle. Und der Baubetrieb NRW schließlich nennt den Abriss lediglich ein „Szenario“. Was für ein Hin und Her. Keiner der Beteiligten hat bisher Anstalten gemacht, es den Bürgern zu erklären.

Oder sollte etwa der Anschein eines schlechten Gewissens daraus sprechen, will man sich vielleicht Alternativen offenhalten? Denn an den 127 Millionen D-Mark, die das Hochhaus seinerzeit kostete, sind wir alle über unsere Steuern beteiligt. Ebenso ist es mit dem geplanten Neubau, der angesichts explodierender Preise und Baustoff-Knappheit ungeahnte Kostenhöhen erreichen dürfte. Auch er wird aus Steuergeld finanziert. Dabei ist in dieser Stadt Wohnraum so knapp, dass der Mangel zu einem Dauerthema geworden ist.

Ist nicht die Uni Köln nur wenige Schritte vom Justiz-Zentrum entfernt? Zumindest die Umwandlung des Gebäudes für studentisches Wohnen oder Universitätszwecke könnte eine alternative Nutzungsmöglichkeit sein. So ähnlich war es vor acht Jahren geplant. Damals hatte die SPD in Stadt und Land NRW noch mit den Grünen das Sagen und auch jetzt erinnerte die Kölner SPD wieder daran.

RWird das Kölner Justiz-Zentrum abgerissen? Nach ursprünglicher Planung sollte die Justiz einen Neubau bekommen.Der ältere Bau sollte nach seiner Sanierung der Universität oder studentischem Wohnen dienen.

Foto: Peter Pauls

„Jeder Abriss ist die Vernichtung einer Ressource und muss sorgfältig geprüft sein,“ sagten fast gleichlautend die Architekten Kaspar Kraemer und Reinhard Angelis (Bund Deutscher Architekten in Köln) sowie Andreas Grosz, Gründer und Leiter des KAP-Forums für Architektur und Stadtentwicklung. Gebäude sind Rohstoff-Zentren, die Zeiten der Wegwerf-Häuser vorbei, zumal konventionelle Bauweise als CO2-Schleuder gelte und selbst Sand so knapp sei, dass Plünderer sich über Strände in der 3. Welt hermachten. „Kiesgruben sind heute Goldgruben“ – auf diese Formel bringt es Andreas Grosz. Ressourcen sind knapp und teuer geworden. Das ist keine ideologische Betrachtung, sondern wirtschaftliche Realität.

Ob die Verantwortlichen diese Argumente hin- und her gewendet haben, als sie über Abriss oder Sanierung nachdachten? Ob sie in die Kalkulation einbezogen haben, dass in Köln demonstrativ der Klimanotstand ausgerufen wurde, der jedoch schnell zur tagespolitischen Routine-Begründung für Einschnitte im täglichen Leben verkam. Wie lässt sich ein Abriss mit diesem Notstand vereinbaren? All das sind Fragen, auf die man eine Antwort haben möchte. Das ist eine Bringschuld der Politik, keine Holschuld der Bürger.

Wenn ich mir vor Augen führe, dass in Köln-Mülheim das gewaltige frühere KHD-Gelände vor sich hingammelt wie eine verlassene Geistersiedlung im Wilden Westen, werde ich schwach im Glauben an die Kraft der Stadt. Jüngst las ich von der „Möhringhalle“ in Mülheim, die ein „Juwel“ der Industriearchitektur genannt wurde. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung ist das „Juwel“ dermaßen verkommen, dass es allenfalls noch als Kulisse für Mad-Max-Filme taugt. Da schmerzt der Abriss eines fast neuen Hauses um so mehr.

Klar ist eins: Die fetten Jahre der Bedenkenlosigkeit, des unbeschwerten Verbrauchs von Rohstoffen und des Glaubens an die Allmacht des Menschen sind vorbei. Das sagt auch Jens Lönneker vom „rheingold salon“. Klimawandel, Flutkatastrophen, Krieg, neue Viren und Epidemien zeigen uns die harte Wirklichkeit auf. Es wundert mich, dass man das ausgerechnet einer Stadtführung sagen muss, in der die Grünen den Ton angeben.

Mit dem Psychologen Lönneker sprach ich auch über die NRW-Wahl. Ihm war aufgefallen, dass die FDP Wähler an fast alle anderen Parteien verloren hatte. Ein Indiz, dass die Liberalen ihre Klientel enttäuscht hat, die einen Verrat an liberalen Positionen konstatiert. Nun sind die Zeiten für Christian Lindner und Co. schwer. Das Finanzministerium, eigentlich ein Schlüsselressort, ist zum Erfüllungsgehilfen der Corona- und Kriegspolitik mutiert, der Minister ein Schatten seiner selbst.

Warum Robert Habeck laut jüngster Forsa-Umfrage im Vertrauensranking an vorderer Stelle steht? Weil er seine Politik in jedem Schritt in einer Sprache erklärt, die man versteht und er dies auf eine Weise tut, in der man sich als Bürger ernst genommen und respektiert fühlt. Ach, wenn der Bundeskanzler das auch so könnte, statt wie so häufig nur in vielsagendes Schweigen zu verfallen. Oder – und so schließt sich der Kreis – die Kölner Oberbürgermeisterin und der NRW-Justizminister.

Bitte erklärt den Bürgerinnen und Bürgern, warum ein 40 Jahre altes Haus abgerissen werden muss. Dann steigt Ihr in meinem persönlichen Vertrauensranking und dem eines jeden Häuslebauers. In der Welt des normalen Bürgers reißt niemand sein Haus nach 40 Jahren ab. Es sei denn, er hat den Verstand verloren oder im Lotto gewonnen.

Ich wünsche Ihnen ein gewinnträchtiges Wochenende.

Herzlich grüßt
Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 20. Mai 2022

Newsletter vom 20.05.2022

Wo Friedrich Merz irrt – Das Ende der politischen Lagerbildung?

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

vielleicht ist das eigentlich nachhaltige Ergebnis der Landtagswahlen, dass sie das politische Lagerdenken auch in Nordrhein-Westfalen endgültig auflöst. Kaum irgendwo sonst überlebte der parteipolitische Stellungskrieg so lange wie im Land zwischen Rhein und Weser: Hier Rot-Grün, dort Schwarz-Gelb – das wird möglicherweise schon bald Vergangenheit sein, sollte es Hendrik Wüst gelingen, eine Koalition mit Mona Neubaurs Grünen zu schmieden. Das wäre ein Anschluss an die Gegenwart, wie sie andernorts – von Stuttgart bis Kiel – längst undramatischer Alltag ist.

Köln ist da schon weiter. Die Zusammenarbeit zwischen Schwarz und Grün gibt es schon länger – was den Grünen offensichtlich besser bekommen ist als den Unionschristen. Geradezu dramatisch aus Sicht der CDU ist der Verlust ihrer Wählerhochburgen in der Stadt. Für eine Partei, die im Selbstverständnis die bürgerliche Partei ist, kommt es geradezu der Vertreibung aus ihrem Wohnzimmer gleich, in einem Stadtbezirk wie Lindenthal zulasten der Grünen auf die Plätze verwiesen zu werden. Sicher, da war auch noch Ursula Heinen-Essers Mallorca-Ausflug zur Unzeit, die der CDU in Köln bei dieser Wahl auf die Füße gefallen ist. Aber es scheint auch, dass personelles und inhaltliches Angebot der Union nicht zur Nachfrage einer Metropolen-Wählerschaft passte. Beim Kampf um die Mittelschicht, die Besserverdienenden und Bessergebildeten, sind die Grünen enorm erfolgreich.

Das landesweit überraschend gute Abschneiden der CDU überdeckt, dass die Christdemokraten ein strukturelles Problem haben. Denn längst sind die Grünen dabei, die Mitte der Gesellschaft zu besetzen – und vielleicht das Erbe der Union als bürgerliche Partei anzutreten. Für sie spricht nicht zuletzt die Demografie. Denn die treueste Stütze der Union sind die über 70-Jährigen, nur bei ihnen rangiert sie noch auf Platz eins. „Das ist für die CDU absolut eine Gefahr“, diagnostiziert Prof. Manfred Güllner, Chef des Forsa-Instituts. Ähnlich wie die FDP, aber in viel stärkerem Maß, gewinnen sie die Jungen für sich, weil sie offensichtlich Ton und Bedürfnisse eines sich neu formierenden Bürgertums treffen, Codes und Habitus besser verstehen. Hier steht der Union, in Köln deutlich stärker als in Land und Bund, eine Herkulesaufgabe bevor, um die CDU zu einer vitalen Großstadtpartei zu machen, die auch bei den Alterskohorten unterhalb der 70 eine attraktive Alternative ist.

Rednerpult im Düsseldorfer Landtag – der Ort, an dem künftig eine schwarz-grüne Koalition regiert?

Bild: Peter Pauls

Mit Hendrik Wüst hat die CDU erst einmal Zeit gewonnen. Sein Wahlsieg überdeckt die Schwächen der Christdemokraten im Bund, wo ihre Zustimmungswerte, wie Forsa ermittelt hat, auf niedrigem Niveau stagnieren. Er scheint, wie Daniel Günther in Kiel, ein Modernisierungsversprechen zu sein – das aber eingelöst werden will. Dem Satz von CDU-Chef Friedrich Merz („Die CDU ist zurück“) widerspricht Manfred Güllner unter Hinweis auf seine demoskopischen Erkenntnisse eindeutig: „Völlig irrig.“ Der Bundes-Einfluss auf die Wahl zum Düsseldorfer Landtag werde überschätzt.

Jetzt wird sich zeigen müssen, wie sehr altes und neues Bürgertum zusammenpassen, wie unterschiedliche Werthaltungen in zentralen Fragen wie Innerer Sicherheit und Schulpolitik, Finanzen und Soziales kompatibel sind. Interessant ist in dem Zusammenhang eine Untersuchung der Uni Münster, wonach die Anhänger von CDU und Grünen sich wesentlich einiger sind als es die Programme der beiden Parteien nahelegen.

Bleibt der traurige Befund, dass die mit Abstand größte Partei bei dieser Landtagswahl die Partei der Nichtwähler war. Sie sind häufig dort zu Hause, wo der öffentliche Scheinwerfer nicht so genau hinreicht, in den Regionen und Stadtteilen, um die selbst in Zeiten der Wohnungsknappheit Immobilienmakler einen Bogen machen. Es wird eine der großen Herausforderungen für alle Parteien sein, die Entwicklung hin zu einer Demokratie ohne Demokraten zu verhindern. Das betrifft, sieht man es geografisch, vor allem große Teile des Ruhrgebiets. Die wenigen Stimmen, die dort abgegeben wurden, gingen übrigens nicht an CDU und Grüne, von der FDP ganz zu schweigen. Aber dort, wo sie nicht gewählt worden sind, werden die voraussichtlichen Koalitionspartner CDU und Grüne investieren müssen.

Die gute Nachricht zum Schluss: Köln kann noch Vorbild sein. Nirgendwo sonst in Nordrhein-Westfalen war die Wahlbeteiligung höher als im Südwesten der Stadt, in Lindenthal. Hier, so scheint es, gehört das Wahlrecht zu den bürgerlichen Pflichten.

In diesem Sinne grüßt Sie nachdenklich, doch herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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Newsletter 13. Mai 2022

Newsletter vom 13.05.2022

Wo Schönheit an Verwahrlosung grenzt oder: Ist Köln hübsch hässlich? Was Pater Brown mit unserer Stadt zu tun hat

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

„Hübsch hässlich habt ihr’s hier“, sagte der Schauspieler Heinz Rühmann, als er 1960 den Pater Brown spielte. Ein klassisches Film-Zitat. Das würde auch auf Köln zutreffen, dachte ich, als ich einen der Punkte streifte, an denen Schönheit von Verwahrlosung kontrastiert wird. Die „römische Hafenstraße“ etwa. Die 33 Meter lange Strecke aus historischen Pflastersteinen liegt unweit des Kölner Doms und ist eine klassische Sehenswürdigkeit. Wer ihr nahe tritt, dem schlägt nach wenigen Metern der beißende Uringeruch entgegen, auf den man hier so häufig trifft. Was für ein harter Schnitt, um im Filmjargon zu bleiben.

Oder die Johannisstraße. Wer bis vor kurzem deren Endstück unter den Bahnhofgleisen durchquerte, wurde nur von der Nähe des Doms davon abgehalten, das eigene Schuhwerk verbrennen zu wollen – angesichts des Drecks, den Menschen, Tiere und Witterung dort hinterlassen hatten. Mittlerweile hat der Ort eine Grundreinigung erfahren. Aber als Kulisse für einen Gruselfilm taugt er noch immer. Es gibt noch mehr Gleichzeitigkeit an Hui und Pfui. Markiert wird sie von Fragen amtlicher Zuständigkeit und Lethargie. Aber ich will Ihnen nicht den Appetit verderben.

Zumal Köln sich verändert. Die Gerch-Gruppe reißt Bauten südlich des Doms ab, um Platz für das geplante „Laurenz Carré“ zu schaffen. Auch die Industriebrache, auf der Klöckner-Humboldt-Deutz bis Anfang der 90er Jahre Motoren in Mülheim baute, scheint wieder ins Bewusstsein gerückt. Mittlerweile muss die Stadt sich einem Wettlauf mit dem Verfall der historischen Bausubstanz stellen. Womöglich entsteht dort wirklich noch ein neuer Stadtteil. Das Potential ist vorhanden.

Augenfällig sind die Verkehrsmaßnahmen. Straßen werden zu Fußgängerzonen umgewidmet, Stellplätze fallen weg. Ein Thema von Belang nicht nur für die rund 280.000 Menschen, die täglich nach Köln pendeln, sondern auch für den Einzelhandel. Er ist von der Pandemie gezeichnet und schaut mit Sorge auf den nächsten Herbst. Gibt es Gewinner und Verlierer dieses Wandels? Wie kann Köln für Arbeitgeber und -nehmer gleichermaßen attraktiv sein? Die Anziehungskraft dieser Stadt ist ungebrochen, die City randvoll mit Menschen aus nah und fern. Sind Urteile wie „hübsch“ oder „hässlich“ nur eine Frage der Perspektive?

Darüber wollen wir im Kölner Presseclub am Donnerstag, 2. Juni, 19:30 Uhr, im Excelsior Hotel Ernst diskutieren mit Dr. Nicole Grünewald, IHK-Präsidentin, Dr. Jürgen Amann, Chef von KölnTourismus und Dr. Witich Roßmann, Chef des Kölner DGB. Anmeldungen erbitten wir unter „info@koelner-presseclub.de“. Bitte Bestätigung abwarten. Und: Es gilt die aktuelle Corona-Verordnung.

Um in Stimmung zu kommen, habe ich mit Roberto Campione gesprochen, der in der jüngsten OB-Wahl kandidierte. Was der studierte Stadtplaner sagt, ist stets interessant. Ob Kopenhagen und Amsterdam als Radfahrerstädte ein Beispiel für Köln sein könnten, wie es in mancher Wahlwerbung hieß?  „Aber sicher„, stimmt der 49-jährige zu. Wäre es so, böte der öffentliche Nahverkehr in Köln tatsächlich eine Alternative zum Auto. Dann würden Quartiersgaragen eingerichtet. Womöglich entstünde ein echtes Miteinander von Fußgängern, Rad- und Autofahrern.

Campione gerät ins Schwärmen, wenn er von Kopenhagen berichtet, wo Auto- und Radfahrer sich lächelnd und winkend verständigten. Dieses freundliche Miteinander vermisst er im hiesigen Verkehrsalltag. „Da herrscht Ellenbogenmentalität und keiner ist zufrieden.“ Neulich erst sei er von einem Kampfradler angebrüllt worden, als er in einer der neu eingerichteten „Flaniermeilen“ tat, was der Name verspricht: flanieren.

Seit kurzem ist Roberto Campione 1. Vorsitzender des Wirtschaftsclubs Köln. Er will sich einbringen, weil er an die Zukunft der Stadt glaubt. Sie müsse das weltstädtische Potential heben, das sie auszeichnet, sagt er. Der Rhein als d e r deutsche Fluss verbinde die zwei Hälften Kölns, der Dom als Weltkulturerbe habe internationale Geltung, Karneval bringe der Stadt nicht nur eine Milliarde Euro an Umsätzen. Vielmehr sei er als Kulturgut tief verwurzelt sowohl in Alltags- als auch in Hochkultur und damit ein Alleinstellungsmerkmal.

Straßen-Möblierung in Deutz mit welkem Gewächs –
Roberto Campione kritisiert, die Stadt agiere halbherzig.

Foto: Peter Pauls

Mit der Via Culturalis, die praktisch bereits vorhanden sei, der archäologischen Zone sowie der dem Dom benachbarten historischen Mitte verfüge Köln über weiteres weltstädtisches Potential, das nur gehoben und professionell präsentiert werden müsse. Das gelte auch für die Entwicklung neuer Hafenprojekte wie in Deutz. Warum nicht auch hier um Rat fragen, regt er an. Etwa in Hamburg, wo der Wandel des Hafens perfekt umgesetzt worden sei.

Schließlich entwirft er die Idee einer Laufbandverbindung zwischen Hauptbahnhof und dem Deutzer Nachbarn sowie einer Ost-West-U-Bahn, die den Rhein unterquert und erst auf Höhe des Melatenfriedhofs oberirdisch wird. Die Deutzer Brücke könne als weltstädtische Flaniermeile zur grünen Querung des Rheins werden. Zwei Rennradler, die forsch nebeneinander über die Deutzer Freiheit brettern, reißen ihn mit ihrer lauten Unterhaltung aus den Träumereien.

In Kürze wird auch diese Straße Fußgängerzone. Offiziell heißt es, das sei mit dem Handel positiv abgestimmt. Wie auch am Eigelstein stellt sich das anders dar, wenn man mit Geschäftsinhabern spricht. „Nie sei er gefragt worden“, sagt etwa Ralf Luhr, der in dritter Generation ein Lotto-Toto-Tabakwarengeschäft betreibt, stellvertretend für andere. Corona habe er mit einem blauen Auge überstanden. Nun sorgen ihn erneute Umsatzeinbußen.

Auch das ist ein Thema für Köln. Setzt sich eine eloquente Schicht politisch durch?  Menschen, die sich artikulieren und organisieren können und der Politik Vorlagen liefern? „Da lässt sich keiner den Mund verbieten“, sagt Campione nüchtern und setzt spitz hinzu: „Das geschieht höchstens mit Andersdenkenden.“

Vor uns liegt ein spannendes Wochenende. NRW wählt. Das größte Bundesland ist ein Inkubator, ein politischer Brutkasten. Hier werden Richtungen vorgegeben.

Neugierige Grüße sendet

Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 6. Mai 2022

Newsletter vom 06.05.2022

Häuser mit Stroh bauen – eine märchenhafte Idee, die in Afrika begann, in Köln Unterstützer fand und in Deutschland Zukunft hat

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

vor mehr als vier Jahren hörte ich zum ersten Mal von einem deutschen Unternehmer, der in Ostafrika Wohn- und Geschäftshäuser aus gepresstem Stroh baut. Was für eine faszinierende Idee, landwirtschaftlichen Abfall so zu nutzen! Es hat etwas Märchenhaftes, erinnert an Rumpelstilzchen, das aus Stroh Gold spinnt. Schließlich lernte ich Eckardt Dauck in seiner Fabrik in Lolim im Norden von Uganda kennen und sah, wie dort unter Druck und Wärme Stroh zwischen Lagen aus festem Papier gepresst wurde. Das in den Halmen enthaltene Lignin, das Pflanzen Festigkeit gibt, wirkt dann wie Kleber. Auf diese Weise werden industriell 80 Zentimeter breite, sechs Zentimeter dicke und erstaunlich feste Paneele gefertigt. In doppelter Lage bilden sie eine stabile, selbsttragende Außenwand.

In der Hauptstadt Kampala sah ich mir ein Trainingszentrum für Rettungssanitäter an, das aus solchen Paneelen besteht. Es wurde mit Geld aus der Alfred-Neven-DuMont-Stiftung gebaut. Meine Begeisterung hatte sich auf Hedwig Neven DuMont und ihre Tochter Isabella übertragen, die heute die Stiftung leiten. Überzeugt hatte die Stifterinnen, dass dieses Verfahren in Afrika und Asien neue Maßstäbe für ressourcenschonendes Bauen setzt. Doch dann kam Corona. Der ugandische Präsident legte sein Land still und damit auch die Fabrik. Heute arbeitet sie wieder.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil durch Corona, die Folgen des Klimawandels und den Überfall auf die Ukraine die Stroh-Paneele über Nacht in Europa ein Baustoff erster Wahl geworden sind. Gips etwa, unerlässlich für Innenausbau, entsteht unter anderem als Nebenprodukt in Entschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken, deren Abschaltung die Politik immer weiter vorzieht. Baustoffe wie Zement, Sand, Kies und Holz sind ebenfalls im Preis gestiegen und in der Verfügbarkeit begrenzt, zumal es auch hier zu Hamsterkäufen durch Unternehmen kommt.

Hält Hitze und Kälte ab: Aus zu Paneelen verarbeitetem Reisstroh baut Eckardt Dauck Decken und Wände für Häuser

Quelle: Peter Pauls

Demgegenüber bilden die rund 30 Millionen Tonnen Stroh, die nach Angaben des Umweltbundesamtes jährlich in Deutschland anfallen, ein unerschlossenes Potential. Ein Drittel davon ist für den Bau von Paneelen verwendbar und würde die unvorstellbare Menge von 400 Millionen Quadratmetern dieser Elemente ergeben. Es ist kein Wunder, dass Eckardt Dauck 2023 auch in Deutschland produzieren will.

Interessant ist, dass in unserer von Schlagworten wie Disruption und Digitalisierung geprägten Welt dieses bodenständige Verfahren eine Wiedergeburt erlebt. Es gibt uns Zuversicht und kommt aus einer Vergangenheit, in der Achtsamkeit kein Gebot in einer Welt des Überflusses war, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit. Mit solchen Paneelen wurde in Europa seit den 30er Jahren gebaut. Allein in England ist der Baustoff bei etwa 250.000 Häusern in Dachkonstruktionen oder im Trockenbau verwendet worden. Das Verfahren sei auch nach englischem Standard zertifiziert worden, erklärt Dauck. Das habe ihm in Uganda bei der offiziellen Anerkennung seines Verfahrens geholfen. Gern führt der Unternehmer auch die 1958 in Essen errichtete „Grugahalle“ an, die mittlerweile unter Denkmalsschutz steht. Im Dach seien 7500 Quadratmeter Stroh-Paneele verbaut.

Es gibt übrigens eine starke Kölner Komponente in dieser Geschichte, die etwas Freundliches hat, denn der Wandel kommt buchstäblich natürlich und organisch daher. Das Hilfswerk Malteser International, dessen Zentrale in Deutz liegt, hat als Pionier früh schon auf die Reisstroh-Methode gesetzt. Die international tätige Organisation gab mehrere Stroh-Gebäude bei Daucks Firma in Auftrag, was dieser Vorzeigeprojekte verschaffte und den Maltesern Gebäude, die frei von CO2 hergestellt sind.

Der 62-jährige Dauck will die Welt ein klein wenig zum Guten verändern. Er ist ein „Social Impact-Investor„, wie es in der Fachsprache heißt. Eine große Rolle haben seine Kinder gespielt, sagt er. Worin denn seine Lebensleistung bestünde, was er durch seine Arbeit in der Welt verändert habe, hätten sie ihn gefragt und dadurch nachdenklich gemacht. Der materielle Gewinn stehe für ihn nicht im Vordergrund, sagt Dauck. „Sonst wäre ich nicht hier.“ Nachdem ich einige Tage mit ihm verbrachte, glaubte ich ihm das aufs Wort.

Was für uns in Europa einfach klingt, ist in Afrika schwer umzusetzen. Widerpart für Eckardt Dauck sind die Umstände und das Gewohnte, die trügerische Verfügbarkeit von illegal geschlagenem Brennholz, mit dem aus illegal abgegrabenem Lehm illegal Ziegel gebrannt werden. Unmittelbar bezahlt niemand dafür, doch zunehmend wird das Land dadurch verwüstet. Es ist eine Rechnung, die erst in der Zukunft beglichen werden wird.

Wären die Umstände andere, würden die Menschen sich um Häuser aus Stroh-Paneelen reißen, statt die eigene Umwelt zu zerstören, was sie kurzfristig billiger und ihre Kinder langfristig teuer zu stehen kommt. Hier treffen Nord und Süd aufeinander. Weltweit besteht die Tendenz, Kinder und Kindeskinder die Klimasuppe auslöffeln zu lassen, die ihnen die Eltern eingebrockt haben. Die Kunst sei, sich nicht entmutigen zu lassen, sagt Eckardt Dauck nach zehn Jahren Afrika, die ihm engelsgleiche Geduld abverlangten. Das von mir eingangs erwähnte Rumpelstilzchen, das am eigenen Wutanfall zugrunde ging, hätte hier keine Chance.

Auch dieser Gedanke birgt einen Verweis auf die aktuelle Lage. Mir sind beherrschte PolitikerInnen lieber als solche, die aus dem Affekt heraus handeln. Wie immer sie heißen und welcher Partei sie angehören mögen.

Ich wünsche Ihnen ein zuversichtliches Wochenende!

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Pauls

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