NEWSLETTER 03.02.2023

Ein mächtiger Gegner beschert dem deutschen Staat sinkende Einnahmen – Geht die Stadt Köln nicht sorgfältig mit ihrem Eigentum um?

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

der deutsche Staat hat einen mächtigen Gegner, der ihm Ansehensverlust und sinkende Einnahmen beschert. Der Gegner strapaziert die Bürger, indem er ihnen Lasten aufbürdet, die er sich selbst im Traum nicht zumuten würde. Und wehe, diese Bürger nähmen sich an dem Gegner ein Beispiel. Sie würden des Staates ganze Härte zu spüren bekommen. Dabei geht es nicht um Clans oder Cum-Ex-Betrüger. Wer dieser mächtige Gegner ist? Der deutsche Staat selbst. Er vernachlässigt, was ihm anvertraut ist: Brücken, Straßen, Schienenstränge, Flüsse und deren Verlauf, Schulen, Museen, Theater und Verwaltungsgebäude.

Nach acht Jahren Planungs- und Bauzeit soll das Römisch-Germanische Museum in 2026 wieder eröffnet werden.
Die Stadt rechnet – zurzeit – mit Kosten von €91 Millionen.
Bild: Peter Pauls

Das tut er schon lange. Warum ich dann jetzt erst mit dem Thema komme? Weil Corona und der Ukraine-Krieg schärfer konturiert haben, was sonst nur knapp über die Wahrnehmungsschwelle gerutscht ist. Erst durch die Pandemie erfuhr auch die breite Öffentlichkeit von der miserablen Ausstattung der Schulen. Von Fenstern, die zum Lüften nicht geöffnet werden konnten, blockierenden Türen, feuchten Klassenräumen.

Corona ließ Menschen wieder auf den Pkw umsteigen, weil sie fürchteten, sich im Nahverkehr anzustecken. Das fiel leicht, da dieser wenig Komfort bietet. Der Ukraine-Krieg deckte mittelbar auf, wie überfordert unsere Verkehrsinfrastruktur ist und welche unmittelbaren Folgen Niedrigwasser für unsere Versorgung haben kann. Damit sind wir schon beim Klimawandel, dem dritten großen Faktor, der unser Leben verändert. Bundeswehr und Bahn lassen wir außen vor.

Wie ein Elefant besonders große Dunghaufen hinterlässt, hat auch Köln im Bereich Vernachlässigung große Beispiele hervorgebracht. Für mich vorne steht das RGM, das Römisch-Germanische Museum. Seit Ende 2017 ist es zu, die Betriebserlaubnis seit 2018 „erloschen“. Eine milde Formulierung. Die Bauaufsicht wurde tätig und schloss die Einrichtung zur Gefahrenabwehr, 46 Jahre, nachdem sie eröffnet worden war. 2026, nach acht Jahren, soll der Publikumsmagnet, wie das Haus in städtischen Mitteilungen heißt, saniert wieder eröffnet werden zu Kosten von dann €91,2 Millionen.

Ob Köln nicht bauen oder erneuern könne, habe ich Stefanie Ruffen gefragt. Die Architektin ist baupolitische Sprecherin der FDP und sie kann Sätze wie fürs Lehrbuch formulieren. „Im öffentlichen Sektor werden Gebäude solange nicht gepflegt, bis ein Abriss die einzig wirtschaftliche Lösung ist“, sagt sie und begründet das rechnerisch mit Jahresabschreibungen, in denen der Bau zu zehn Prozent der Gesamtkosten verkümmert.

Im Fall des RGM aber schlug das fehl. Es wurde unter Denkmalsschutz gestellt, somit war ein Abriss unmöglich. Im Lauf dieser Recherche war ich andererseits mehrmals froh, nicht im Bauamt arbeiten zu müssen. Die Stadt selbst hat im Internet den Sachstand zum RGM zusammengefasst. Ein Irrgarten von Regeln, Beschlüssen, Sonderaufgaben, die vom Denkmalsschutzamt zurück auf Null gestellt wurden. Sie finden den Text hier.

Auch über das Kölner Justizzentrum sprach ich mit Stefanie Ruffen. Es ist erst 42 Jahre alt, 105 Meter hoch, hat 24 Stockwerke, umgerechnet €64 Millionen gekostet und soll nun abgerissen werden. In einem früheren Newsletter habe ich den Bau des Landes NRW deshalb provokant „Wegwerfhaus“ genannt. Die Ratsfrau relativierte meinen Ärger. Da sich Teile der Fassade lösen, das Gebäude neu gedämmt werden müsse und man nicht wisse, welche Schadstoffe im Inneren verbaut seien, sollte ein Abriss nicht ausgeschlossen werden, da die Sanierungskosten ins Unermessliche steigen könnten. So geschah es mit dem Deutsche-Welle-Hochhaus in Raderberg, das wirtschaftlich nicht zu sanieren war. Die Losung „Kein Abriss“ sei zu einfach. Eine Faustregel formulierte Stefanie Ruffen dennoch: „Bauen ist nie nachhaltig. Nachhaltig ist nur Nicht-Bauen.“ Schließlich trägt der Bausektor mit acht Prozent zu den deutschen Treibhausgas-Emissionen bei.

Eigentlich müssten da in Köln die Alarmglocken klingen, denn die Stadt hat den „Klimanotstand“ ausgerufen. Bisher aber wird er eher wie ein Joker genutzt, um lästige Debatten abzuschneiden. Wie etwa: Wortbruch gegenüber dem 1. FC Köln? Klimanotstand! Verkehrsberuhigung mit der Brechstange? Klimanotstand! Ford nicht mehr Standard-Dienstwagen? Klimanotstand!

Welche Pflichten legt dieser Notstand aber der Stadt Köln auf? Kann der Abriss der 1979 eröffneten Zentralbibliothek vor diesem Hintergrund noch ernsthaft diskutiert werden? Welchen Plan hat die Stadt, ihre Liegenschaften so zu ertüchtigen, dass sie nicht abgerissen werden müssen. Wegen eben dieses Klimanotstands? Oder ist sie außen vor?

Eigentümerin der städtischen Gebäude sei eben diese Stadt Köln, sagt die Architektin Ruffen. Die Politik müsse sich auf den ordnungsgemäßen Umgang der Stadt mit ihrem Eigentum verlassen können. Ganz nimmt sie die Politik aber nicht aus der Haftung: Für Folge- und Unterhaltungskosten gebe es keinen öffentlichen Applaus. Neue Projekte hingegen seien viel attraktiver und verführerischer. Aber eine Trennungslinie zur Verwaltung zu ziehen, vermag Stefanie Ruffen nicht – wie viele andere auch. „Die Verwaltung in Köln ist politisch. Die Politik kann beschließen so viel sie will – die Verwaltung entscheidet, was sie umsetzt.“ So komme es, dass Politiker sich im Gegenzug im Verwalten versuchen.

Um der Ausgewogenheit willen muss ich sagen, dass Köln nur naheliegende und daher eindringliche Beispiele liefert. Die Last der maroden Gebäude- und Infrastruktur hingegen liegt über dem ganzen Land. Bundesweites Fanal ist die Autobahnbrücke Rahmede, die wegen Mikro-Rissen gesperrt ist. Sie steht allein für rund 4000 Brücken, die bundesweit in einem so schlechten Zustand sind, dass Sanierung oder Neubau anstehen. Alle leiden unter Alter, Vernachlässigung und Überbelastung.

Wie die Brücke Rahmede. 1968 wurde sie fertiggestellt. Das 453 Meter lange und 75 Meter hohe Bauwerk war für einen prognostizierten Verkehr von circa 25.000 Fahrzeugen ausgelegt. Tatsächlich nutzten 2021 rund 64.000 Fahrzeuge täglich die Strecke, die als Lebensader des Sauerlandes gilt. Heute zwängt sich der Verkehr notgedrungen durch Nadelöhre. Allein 6000 Lastwagen kriechen täglich durch Lüdenscheid.

Merke: Köln ist eigentlich überall. Diese Erkenntnis hilft uns nicht. Doch sie bietet ein wenig Trost in grauen Tagen.

Möge der Himmel aufreißen und blau werden. Das wünsche ich Ihnen.

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 27.01.2023

Wozu eigentlich noch ARD , ZDF und Deutschlandradio?
Die Öffentlich-Rechtlichen in der Krise

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

na sicher, Artenschutz ist absolut notwendig. Ohne ihn wird es auch für uns Menschen irgendwann eng. Darüber gibt es grundsätzlich wohl keinen ernsthaften Streit. Doch brauchen wir auch Artenschutz für Unternehmen? Für Institutionen? Vereine? Auch hier gibt es galoppierenden Arten-Schwund. Gestern noch scheinbar so mächtig, ruhen sie heute auf dem Friedhof eines gnadenlosen Fortschritts: Ob Kodak oder Dresdner Bank, PanAm oder Nokia – alle waren mal groß, alle sind nun Geschichte.

Auch Kirchen und Gewerkschaften leiden unter Auszehrung, Vereine wie Parteien kämpfen mit dem Verlust an Bedeutung und Mitgliedern. Das Wort Sportverein wirkt im Vergleich zum Fitness Center muffig wie eine ungelüftete Umkleide. Wenn sich etwas daraus lernen lässt, ist es, dass die Welt sich immer rasanter verändert – und nichts für die Ewigkeit ist.

WDR Vierscheibenhaus
Foto: Hirz

Womit wir bei beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wären. Denn auch der ist alles, aber er ist für viele nicht mehr selbstverständlich. Anders jedoch als aus der SPD oder der Katholischen Kirche kann man aus ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht austreten. Daran ändern weder aktuelle Skandale wie beim RBB noch eine anhaltende Unzufriedenheit mit dem Programm etwas. Da ist schon das Bundesverfassungsgericht vor, das dem Öffentlich-Rechtlichen eine Bestands- und Entwicklungsgarantie gegeben hat. Doch was heißt sowas in extrem volatilen Zeiten? Was heißt das, wenn das Publikum überaltert, Zuschauerzahlen schrumpfen und Hörer sich abwenden, weil andere Angebote – Netflix lässt grüßen – attraktiver erscheinen? Lässt sich dann noch der Anspruch geltend machen, von jedem Haushalt einen Beitrag zu kassieren, selbst wenn dort niemand mehr guckt und hört, was WDR und Deutschlandfunk, ZDF und SWR so senden? Der Nutzen einer Einrichtung zeigt sich vor allem in ihrer Nutzung.

Diese existenzbedrohende Botschaft, davon darf man ausgehen, ist in den Funkhäusern angekommen. Längst weiß man, dass die finanziell sorgenlosen Zeit vorbei ist. Mehrere Ministerpräsidenten haben bereits zu Protokoll gegeben: Mehr Geld gibt es nicht. Angesichts einer zumindest trabenden Inflation eine Nachricht, die Reformen erzwingt. Was heißt das aber im Klartext für das Publikum (weniger und/oder schlechteres Programm, reduziertes Internetangebot, Auflösung von Orchestern und Chören?) und für die Beschäftigten (Gehaltskürzungen, Stellenstreichungen, betriebsbedingte Kündigungen?)?

Gesundschrumpfen oder Kaputtsparen, zwischen diesen Positionen müssen die Verantwortlichen gerade navigieren, ohne die Titanic sinken zu lassen. Klar ist: Die Sender müssen sich gegenüber den Beitragszahlern neu legitimieren, ihren Wert für die Gesellschaft, der sie gehören, deutlich machen. Angesichts der gewachsenen Zahl von Kritikern links wie rechts ist das ein schwieriges Unterfangen. Einer, der in diesem Kampf viel Fronterfahrung hat, ist Jörg Schönenborn. Für den Programmdirektor des WDReins der bekanntesten Gesichter und der führenden Köpfe der ARD, ist das Alltag. Er gilt als erfahren, reformorientiert, unideologisch und pragmatisch. Doch wozu braucht es noch die Öffentlich-Rechtlichen, wie und wo sehen sie ihre Zukunft und was tun sie, damit sie diese Zukunft auch erleben? Müssen ARD und ZDF fusionieren? Einige der Angebote abgeschaltet werden? Ist der Rundfunkbeitrag eine „Demokratieabgabe“, wie Jörg Schönenborn es einmal formuliert hat? In Zeiten von Fake News, Shitstorms und einer zunehmend polarisierten Gesellschaft ist der Zustand der Medien nicht irrelevant, das zeigt nicht zuletzt die Entwicklung in den USA. Deshalb hat der Kölner Presseclub Jörg Schönenborn eingeladen, zu diesen und anderen Fragen Rede und Antwort zu stehen (Montag, 30. Januar ab 19.30 Uhr im Hotel Excelsior Ernst). Eine gute Gelegenheit also, sich selbst ein Bild zu machen. Gerne nehme ich Ihre Fragen auf, schicken Sie die bitte per Mail an info@koelner-presseclub.de. Ich freue mich über Rückmeldungen und Anregungen.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 20.01.2023

Köln muss nicht Everybody’s Darling sein! Warum der Chef von Köln-Tourismus mehr Selbstbewusstsein fordert.

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Köln gilt als Eventstadt. Hier ist immer was los. Jetzt im Karneval, aber auch ansonsten vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht auf Kölner Plätzen irgendwas aufgebaut wird oder das Partyvolk aus dem Umland die Stadt erobert. Das passt zur Stadt, die sich gern als gesellig, vielfältig und weltoffen präsentiert. Köln ist halt der Spaßvogel unter den Großstädten.

Damit ist nicht jeder einverstanden. Köln sei doch mehr als eine Eventstadt, in der nur Party ist, kritisieren Institutionen wie die Kölner IHK oder Vereine wie die Bürgergemeinschaft Altstadt immer wieder. Wo bleibt die Fokussierung auf 2000 Jahre Kultur oder die wirtschaftliche Bedeutung einer Metropole wie Köln. Sie fordern eine andere, vor allem einheitliche Linie mit der sich die Stadt präsentieren sollte.

Warum die Außensicht auf Köln viel besser ist als die Innensicht. Hat Dr. Jürgen Amann, Geschäftsführer Köln-Tourismus recht?
Foto: Hessel

Einer der für die touristische Außenvermarktung Kölns verantwortlich ist, ist Dr. Jürgen Amann, Geschäftsführer Köln-Tourismus. Ein Franke, der seit drei Jahren in Köln lebt. Davor war er Geschäftsführer fürs Stadtmarketing in Dresden. Wo das Marketing von Köln-Tourismus langgeht, zeigt ein Blick auf die aktuelle Website: „Köln ist ein Gefühl“ und „Verliebe dich in Köln“. Ein Deja vu? Marketingversuche, die auf das offenherzige Lebensgefühl in unserer Stadt abzielen, gab es schon einige. Diese haben aber alle nicht zum gewünschten Ziel geführt, Köln strahlen zu lassen. Wie denn auch, fragt sich mancher Kölner: Schmuddelecken an unseren Tourismusmagneten wie dem Dom oder Dauerbaustellen bei unseren Kulturbauten. Die Fakten sind für jeden unübersehbar; Kölner Gefühl hin oder her.

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“, entgegnet Amann. „Unsere Aufgabe ist die Außensicht auf Köln und die ist positiv. Köln wird als tolle Stadt wahrgenommen. Hier wird viel geboten und die Offenheit in dieser Stadt ist nun mal ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Das ist tatsächlich etwas, das Touristen in anderen Städten wie Hamburg oder München nicht im selben Maße vorfinden.“ Da bei den Franken im Allgemeinen die Gefühlsduselei nicht so ausgeprägt zu sein scheint, wie bei uns  Rheinländern, kann man sagen: Der Mann, der jeden Tag von seinem Büro aus auf den Dom schaut, hat einen anderen Blick auf Köln. Die Analyse von renommierten Marktforschungsinstituten im Tourismus ergab: Dreiviertel aller Aktivitäten, die Gäste in Köln unternehmen, sind kulturelle Aktivitäten. „Unser Ziel ist es, die Wahrnehmung Kölns als Kulturstandort zu verbessern und zu stärken.“ Dabei ist für Amann Kultur mehr als Hochkultur wie die Oper und das Schauspiel und er zählt auf: „das Rockkonzert in der Lanxess Arena mit internationalen Top-Stars, die populäre Andy Warhol-Ausstellung, die c/o pop oder das City Leaks-Festival. Kultur hat hier in Köln einen ganz anderen Zugang. Der ist niederschwelliger.“

Köln ist ein Gefühl, sagt Dr. Jürgen Amann, Geschäftsführer Köln-Tourismus. Reicht das?
Foto: Hessel

Amann stellt auch fest: „Köln ist nicht Everybody’s Darling. Und deshalb müssen wir eine Profilschärfung in Richtung derer vollziehen, die uns gut finden. Wir sollten keine Energie darauf verschwenden, die anzusprechen, die uns nicht mögen.„ Vielleicht hat Amann ja recht, es gibt Menschen, die Köln unattraktiv finden und auch wir Kölner sind oftmals zu kritisch mit unserer Stadt. Er fordert mehr gesundes Selbstbewusstsein im Umgang mit dieser Kritik. Ob eine negative Darstellung von Köln, wie in der bundesweiten Presse zu den Abläufen am 11.11.,  der Tourismusattraktivität der Stadt schade? „Die kritische Berichterstattung in diesem Fall stört mich nicht,“ konstatiert Amann. Grundsätzlich gilt für ihn: „Bei denjenigen, die Köln mögen, stößt sie auf taube Ohren. Und bei denen, die Köln nicht mögen, muss es uns ein Stück weit egal sein. So viel Selbstbewusstsein als Millionenstadt müssen wir haben und sagen: Wer München mag und gerne am Maximilianplatz flaniert, der ist halt bei uns in Köln nicht so gut aufgehoben. Köln hat andere Stärken. Das ist dieses Lebensgefühl, dass man in Köln hat und das sich in vielen Angeboten widerspiegelt.“

Sind dieses Lebensgefühl von uns Kölnern gepaart mit der Vielfalt von Kulturangeboten nun die entscheidenden Marketingfaktoren, weshalb Gäste nach Köln kommen wollen? Ich selbst bin immer wieder überrascht, dass die Außensicht auf unsere Stadt besser ist als die Innenperspektive. Köln verfügt tatsächlich über eine hohe Anziehungskraft. Dennoch bleibt am Ende die Frage nach dem einheitlichen Image. Denn wie passt das zusammen: Einerseits Eventstadt mit viel Gefühl und andererseits geht es auch um Wahrnehmung und Stellenwert der Millionenstadt Köln, die ein wichtiges Drehkreuz der Wirtschaft und einen einzigartigen Wissenschaftsstandort darstellt. München schafft es auch, trotz Oktoberfest-Sause und Brauhäusern als Metropole ernstgenommen zu werden. Warum nicht auch Köln, fragt sich

mit herzlichen Grüßen

Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 13.01.2023

Der Staat muss nicht nur Flagge, sondern Kante zeigen“, fordert Polizeichef Schnabel – Fernab der Kölner Wirklichkeit: Die Verkehrspolitik

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

es geschieht mit verstörender Regelmäßigkeit, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste unruhig ins neue Jahr gehen. Sie müssen nicht nur mit besonders viel Arbeit rechnen, sondern auch mit Beschimpfungen. Zudem werden Sie tätlich angegriffen und mit Raketen beschossen oder Böllern beworfen. Der Gipfel sind planmäßig angelegte Hinterhalte, in die man Beamte und Helfer lockt.

Über aktuelle Herausforderungen sprach Polizeipräsident Falk Schnabel (lks.) mit Peter Pauls (Kölner Presseclub).
Bild: Ulrike Brincker

„Fassungslos und wütend“ sei er gewesen, als er die Bilder aus der Silvesternacht sah, sagt der Kölner Polizeipräsident Falk Schnabel in unserem Jahresauftaktgespräch im Excelsior Hotel Ernst. Den Saal hätten wir zweimal füllen können, so stark war das Interesse am Thema. Kein Wunder. Wer möchte schon seine Gesundheit riskieren, nur weil er mit anderen ins neue Jahr feiert? Und wer will, dass der Staat und seine Vertreter und damit letztlich man selber blindwütig angegriffen werden?

Andererseits liest man Statistiken, wonach die Gewaltkriminalität gesunken sei. Auf diese vermeintliche Diskrepanz sprach ich den Polizeichef an. Die Verrohung auf der einen und die Statistik auf der anderen Seite helfe den Opfern nicht, erklärte Falk Schnabel. Bilder aus jenen Nächten veränderten das Sicherheitsgefühl. Nicht nur bei Bürgern, sondern auch bei denen, die in solchen Nächten für das Zusammenleben stehen. „Ich werde angegriffen, bespuckt, beleidigt. Was passiert da eigentlich? Werde ich eigentlich noch beschützt?“ fragten viele. Früher hätten ältere Kollegen gesagt, das gehöre zum Beruf dazu. Inzwischen habe ein Umdenken eingesetzt. Die Zahl der Verfahren nehme zu und sie werden nachdrücklicher verfolgt. „Der Staat muss nicht nur Flagge, sondern auch Kante zeigen,“ sagt Schnabel. „Er muss mit Strafverfolgung schnell und streng reagieren.“

Falk Schnabels Karriere ist wie aus dem Bilderbuch: Oberstaatsanwalt, Ministerialrat, Leitender Ministerialrat, Leitender Oberstaatsanwalt, Leiter der der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, Polizeipräsident Münster. Und kurz darauf – Polizeipräsident in Köln. Ein gewaltiger Schritt, denn in der größten Stadt unseres Landes NRW ist praktisch immer etwas los (den Bericht vom Abend lesen Sie hier). Eine Zahl greife ich noch heraus. 83 Prozent derjenigen, die Polizeibeamte angreifen, sind Männer.

Das führt zu meinem nächsten Punkt. In Afghanistan hat eine frömmelnde, militante und frauenfeindliche Kriegergruppe von Männern die Herrschaft übernommen: Die Taliban. Sie glauben, in ihrem Religionsverständnis auf alles eine Antwort zu finden, und können nicht einmal Städte, geschweige denn ihr eigenes Land regieren. Nun haben sie internationalen Hilfswerken untersagt, afghanische Frauen zu beschäftigen. Das führt in einigen Bereichen faktisch zum Erliegen der humanitären Arbeit.

Wieder steigt die Zahl der Flüchtlinge aus dem Land am Hindukusch deutlich. Wir haben daher Shikiba Babori, Journalistin und Ethnologin, um ein Gespräch gebeten. Die starke Frau traf ich jüngst, als der China-Experte Shi Ming im Presseclub zu Gast war – die beiden hatten in der Deutschen Welle übrigens ein Büro miteinander geteilt. Anfang November sagte der China-Experte vorher, was sich jetzt ereignet: Dass die Führung in Peking in der Coronakrise ihr Volk verliert. Auch Shikiba Babori weiß die Zeichen zu lesen und uns ein Land zu erklären, dessen Bevölkerung der Westen Hals über Kopf und unter entwürdigenden Umständen sich selbst überließ. Hören wir, was sie zu sagen hat. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung unter info@koelner-presseclub.de. Donnerstag, 26. Januar, treffen wir uns um 19:30 Uhr im „rheingold salon“ (3.Stock), Hohe Straße 160 – 168, 50667 Köln.

Was mir noch auffiel: Unbeirrt von aller ernüchternden Wirklichkeit schiebt sich die städtische Verkehrspolitik voran. Unterschriftensammlungen, Proteste, Ungereimtheiten, sachliche Einwürfe, Wünsche, Gehör zu finden, die Krise des Schienenverkehrs – die Zeitungen sind voll davon. Doch all das wird beiseite geschoben mit der Unerschütterlichkeit eines Räumfahrzeugs, das lästige Schneeverwehungen entfernt.

Den öffentlichen Nahverkehr, die KVB, der BürgerInnen ja eine Alternative zum Auto bieten soll, regiert der Zufall. Die Einlassung des Grünen-Faktionschefs, dann müsse es statt eines Fünf-Minuten- auch mal ein Zehn-Minuten-Takt tun (gelesen in der Kölnischen Rundschau), beruht wohl auf einer Verwechslung. Vielleicht verwechselt er Köln mit Berlin? Oder seine Uhr tickt nicht richtig?

Würde einer der Verkehrsverantwortlichen den Dienstwagen stehen lassen und selber KVB fahren, gäbe es womöglich praxisgerechte Ticket-Automaten und sie hätten gar noch einen Haltegriff. Kaufen Sie mal einen Fahrschein, wenn die Bahn anfährt – rasch finden Sie sich im hinteren Teil des Waggons auf dem Boden wieder. Doch wollen wir fair bleiben: Überfüllt wie die Waggons meist sind, sichern die dicht an dicht stehenden Mitreisenden Strauchelnde. Hat da etwa jemand „Mer stonn zesamme“ falsch verstanden?

Bitte umsteigen, kann ich da nur rufen und zwar doppelt: in der lästigen Wirklichkeit und gleich noch im Kopf.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 6.01.2023

Dauerstress für die Kölner Polizei? Polizeipräsident Schnabel im Gespräch – Eine Elfjährige schrieb aus Furcht vor Krieg an Kanzler Adenauer

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wir wünschen Ihnen ein gesundes, friedvolles und erfolgreiches Jahr 2023.

Ganz ausdrücklich auch der Kölner Polizei. Seit der Silvesternacht 2015 liegt zum Jahreswechsel Unruhe über der Stadt. Sicher erinnern Sie sich an die anarchischen Zustände um Dom und Hauptbahnhof. Köln machte weltweit Schlagzeilen als Fanal einer verfehlten Einwanderungspolitik. Blieb die Silvesternacht 2015 nicht Einzelfall, sondern markierte eine Trendwende, nur unterbrochen von den Lockdown-Jahren? Seit dem Elften im Elften 2022 muss man diese Frage stellen. Köln war im Ausnahmezustand. Nichts ging mehr. Wie durch ein Wunder wurde niemand ernsthaft verletzt.

Dieses Silvester wurden Pöbler und Betrunkene registriert sowie Knaller, die in Menschenmengen geworfen wurden. Chaoten beschossen andernorts Ordnungskräfte und Helfer mit Raketen. Doch bedeutet NACH dem Jahreswechsel auch VOR Weiberfastnacht am 16. und Rosenmontag am 20. Februar. Was blüht dann? Die Kölner Polizei ist in allen Belangen gefordert. Sie steht unter Dauerstress. Die Kriminalitätsparameter zeigen nach dem Ende der Lockdowns nach oben. Als hätten Chaoten, Drogenhändler und andere Kriminelle etwas nachzuholen.

Darüber möchten wir im Kölner Presseclub zum Jahresauftakt sprechen am Mittwoch, 11. Januar, 19.30 Uhr, Excelsior Hotel Ernst (Trankgasse 1-5). Der neue Polizeipräsident Falk Schnabel berichtet von einem aufreibenden Alltag, in dem Ordnungs- und Sicherungskräfte generell unter Druck stehen. In buchstäblich letzter Instanz bekommen sie ab, was vorher in der Gesellschaft versäumt wurde – zum Beispiel Regeln und Respekt zu vermitteln. Aber vielleicht sehe ich das auch zu schwarz? Hören wir, was der Chef der Polizei sagt. Anmeldung unter info@koelner-presseclub.de. Ihr Blick wird allemal geschärft.

Das ist das Stichwort für eine Geschichte, die ich zum Jahreswechsel erzählen möchte. Vor über 71 Jahren, Ende 1951, schrieb die elf Jahre alte Elisabeth aus Kevelaer einen Brief an den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Als Fünfjährige hatte sie in Rolandseck in Remagen erleben müssen, wie in der Endphase des 2. Weltkrieges Bomben um sie herum einschlugen und detonierten. Wie durch ein Wunder explodierte der Sprengkörper nicht, der vor das Haus fiel, in dem sie und ihre Familie sich zu jener Zeit aufhielten. Ein Blindgänger. Seither hatte das Kind einen geschärften Sinn für das, was es in Nachrichtensendungen hörte oder aus den Reden der Erwachsenen mitnahm.

„Ich habe eine große Bitte an Sie,“ schrieb sie an den „lieben Herrn Dr. Adenauer“. „Ich höre so oft, dass wir mit Russland keinen Frieden haben. Ich muss immer daran denken, dass es Krieg geben könnte und kann schon nicht mehr ruhig schlafen.“  In schöner Schreibschrift schlägt sie Adenauer vor, den Diktator Josef Stalin und seinen Außenminister Wischinski einzuladen und zu bewirten, um anderntags die anstehenden Probleme zu lösen. „Vielleicht sagen sie dann zu allen Vorschlägen ja. Wie wäre das schön, und wir könnten alle wieder ganz beruhigt sein und ohne die Angst, dass wieder Krieg käme. Ich würde mich freuen, wenn Sie auf meinen Vorschlag eingehen. Schreiben Sie mir recht bald.“ Den kompletten Wortlaut des Briefes finden Sie hier.  Adenauer antwortete tatsächlich. „Du brauchst keine Angst zu haben, dass wir Krieg bekommen“, schrieb der damals 75-jährige Kanzler an die „liebe Elisabeth“. „Der liebe Gott wird schon helfen, dass wir Frieden behalten.“

Der Brief von Elisabeth ist vor wenigen Wochen im Archiv der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus entdeckt worden. In dessen Vorstand sitzt seit 32 Jahren der Kölner Kanzler-Enkel, der Notar Konrad Adenauer. Er schickte mir eine Kopie und nach einigen Telefonaten gelang es mir, mit der Schreiberin zu sprechen, die heute zwar über 80 Jahre alt ist, am Telefon jedoch klingt, als sei sie eine junge Frau. Ob ihr die Eltern halfen, das Schreiben zu formulieren? „Die hatten keine Ahnung.“ Und wie sie davon erfuhren? „Ich wurde in das Büro meines Vaters zitiert. Der sagte: Du hast einen Brief bekommen. Da ist ein Adler drauf.“ Waren die Eltern stolz auf ihre Tochter? „Ich denke mal.“ Wie sie heute über die Elfjährige denkt, die sich damals ein Herz fasste? „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke.“

Im Grunde hat Elisabeth eine diplomatische Grundregel formuliert: Man soll versuchen, im Gespräch zu bleiben und aufeinander zuzugehen. Ob das im Fall des Ukrainekriegs gelingen kann? Die Bundesregierung hat jetzt den Vorschlag des ukrainischen Außenministers zu einer internationalen Friedenskonferenz begrüßt. Doch zu einem Gespräch gehören beide Kriegsparteien und im besten Fall teilen sie etwas wie Werte oder eine Kultur.

Das erinnert mich an Nelson Mandela, der als Verhandlungsführer der schwarzen Bevölkerungsmehrheit einen Bürgerkrieg in Südafrika abwendete. 1993 hatte der Mord an dem schwarzen Freiheitskämpfer Chris Hani die Lage zwischen Schwarzen und rechtsgerichteten Weißen so zugespitzt, dass man mit einem Bürgerkrieg rechnen musste.

Mandelas Gesprächspartner war der frühere Armeegeneral Constand Viljoen, der als wahrscheinlicher Anführer eines Aufstands galt. „Jetzt sitzen wir an diesem Tisch und reden“, erinnerte sich Mandela gegenüber Journalisten – einer davon war ich – an das Gespräch. „Wenn wir gegeneinander kämpfen, wird viel Blut fließen und das Land zerstört werden, das wir beide lieben. Und doch werden wir eines Tages wieder an diesem Tisch sitzen müssen, um Frieden zu finden. Warum tun wir es nicht jetzt und zerstören unser gemeinsames Land nicht?“ Mandelas Worte überzeugten Viljoen, der fortan in reaktionären Kreisen „Judas“ genannt wurde. Der Bürgerkrieg fand nicht statt und Nelson Mandela wurde 1994 der erste schwarze und demokratisch gewählte Präsident aller Südafrikaner.

Hoffen wir, dass der Ukrainekrieg ein Ende findet. Es wird ja nicht nur ein Land und seine Bevölkerung zugrunde gerichtet, auch der Aggressor ruiniert sich. Gewinner kennt dieser Krieg nicht. Vielleicht findet sich ein Mensch von der Statur eines Nelson Mandela? Oder wenigstens ein Funke Einsicht?

Ich wünsche Ihnen einen hoffnungsfrohen Start in das neue Jahr.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

Newsletter 16.12.2022

Der Kölner SPD-Fraktionschef ist bei sich selbst beschäftigt – Alles Theater? Oder: Wie das Schauspiel Mülheim veränderte

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

dieser Newsletter soll so vorweihnachtlich wie möglich sein. Sehen Sie mir nach, dass das beim ersten Thema nur bedingt gelingt. Seit wenigen Wochen ist Christian Joisten, SPD-Fraktionschef im Kölner Rat, gleichsam bei sich selber, seiner SPD-Ratsfraktion, in Teilzeit beschäftigt. Dies sei zur „Stärkung des Fraktionsvorsitzendenamtes in Deutschlands zweitgrößter Kommune nach München beschlossen“ worden, antwortete die Fraktion auf meine Anfrage. Eigentlich ist der Fraktionsvorsitz ein Ehrenamt. Unter vergleichbaren Umständen liegen die Bezüge bei €2410 plus Sitzungsgelder (circa €250 im Monat).

Da ist noch Luft nach oben. Wer mehr verdienen will, musste das bislang ohne Wenn und Aber außerhalb des Ehrenamtes tun. In seinen Anfangsjahren als CDU-Fraktionschef konnte man mit Bernd Petelkau zum Beispiel nur in größtmöglicher Frühe sprechen. Danach ging er seinem Broterwerb in Frankfurt nach. Erquicklich war das für keinen. Der Zustand änderte sich, als Petelkau als Landtagsabgeordneter über Einkünfte aus diesem Mandat verfügte. So hatte es auch Joisten geplant. Eigentlich. Denn er verlor seinen Wahlkreis. Nun gelten andere Regeln.

Was, wo und wie wird Joisten nun für Joisten arbeiten? Die Frage liegt nah, denn die Fraktionsführung ist gut und mit professionell bezahlten Kräften besetzt, die dem „irgendwie Ehrenamtler“ zuarbeiten sollen. Es gibt den Geschäftsführer Mike Homann, seinen Stellvertreter und vier Referentenstellen. Art und Umfang der „Teilzeitbeschäftigung“ Joistens sowie deren Bezahlung sind zentrale Punkte, allein schon um der Glaubwürdigkeit nach außen willen. „Sicherlich haben Sie Verständnis, dass die SPD-Ratsfraktion grundsätzlich keine Inhalte von Arbeitsverträgen öffentlich macht“, lautet die knappe Antwort, die ich erhielt. Der Kölner Stadt-Anzeiger weiß von einer Entlohnung auf Basis von 25 Wochenstunden. Bemisst die sich am Gehalt des Geschäftsführers, kommt einiges zusammen. Tatsächlich steht „Stärkung des Amtes“ also ganz schlicht für „höhere Bezüge“. Ob man das Amt mit solchen Winkelzügen nicht eher schwächt? Schöne Bescherung!

Eine wirklich schöne Bescherung entstand, als das Schauspiel Köln über den Rhein nach Mülheim in ein Areal direkt neben der Keupstraße zog. Sie steht für das türkische Köln. „Zu Beginn meiner Intendanz war das Schauspiel Köln quasi heimatlos, bis wir diesen Industrieort ausfindig und zu einem Theater- und Kulturort gemacht haben“, erinnert sich Intendant Stefan Bachmann, der sich als Glücksgriff erwies. Sein Team und er „erspielten“ Mülheim buchstäblich. Als 2015 die Nachricht kam, vorerst gebe es keine Rückkehr in die angestammte Heimat am Offenbachplatz, hatte das Theater schon Wurzeln geschlagen. „Das Schauspiel ist für Mülheim ein Segen und Mülheim ist für das Schauspiel ein Segen,“ sagt Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs (SPD) rückblickend, der wie kein anderer für diesen Stadtteil steht, in dem Vergangenheit und Zukunft aufeinandertreffen.

Newsletter 9.12.2022

Newsletter vom 9.12.2022

Geht nicht, gibt’s nicht. Der Kölner, der die Stadt bewegt – auch wenn seine Hauptfigur fast an Köln verzweifelt.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

kennen Sie Igus? Die meisten Kölner nicht. Das könnte sich bald ändern. Das Unternehmen aus Köln-Porz gewinnt einen Wirtschaftspreis nach dem anderen und knackte jetzt die erste Umsatzmilliarde. Igus stellt neue und recycelte Hochleistungs-Kunststoffe für bewegliche Anwendungen her, die in Büromöbeln bis in Weltraum-Raketen stecken. Der Chef des Familienunternehmens mit mehr als 5.000 Beschäftigten in über 30 Ländern ist ein gebürtiger Kölner: Frank Blase. Mit seinen 63 Jahren will der Unternehmer jetzt quasi umsatteln. 2023 soll von Porz aus die Fahrradwelt revolutioniert werden: mit einem Rad, das nicht rostet, keine Wartung braucht und komplett aus Kunststoff besteht.

„Ich möchte da etwas produzieren, was völlig neu ist.“, sagt Frank Blase. Im Porzer Showroom, in dem vom kleinsten Kugellager bis zum vollautomatisierten Low Cost-Roboter alles aus Kunststoff präsentiert wird, steht es: Das Igus Urban Bike. Knallorange, tiefschwarz und robust im Style. Das ist wichtig,  denn künftig sollen auch recycelte Shampooflaschen für Stabilität garantieren. „Das neue Bike kann bei Wind und Wetter im Freien stehen. Da alle Bauteile aus Kunststoff bestehen, rostet nichts“, so Frank Blase, „selbst ein Fahrradgetriebe aus Kunststoff war lange Zeit undenkbar. Davon leben wir, dass man sich etwas nicht vorstellen kann.“ Der Daniel Düsentrieb aus Köln tüftelt mit seinem Team daran, wertvollen Rohstoff wiederzuverwerten, bevor er umweltschädlich verbrannt wird. Am Ende steht ein Bike komplett aus Kunststoff und demnächst womöglich aus wiederverwertbarem Plastik von den Müllhalden dieser Welt – Was unmöglich klingt, wollen Kölner Köpfe auf die Beine stellen.

Ein Rad komplett aus Kunststoff. Was unmöglich klingt, wollen Kölner Köpfe 2023 auf die Beine stellen. Wie die Fahrradwelt aus Porz revolutioniert werden könnte

Foto: Claudia Hessel

Vom Herzen her ist Frank Blase Kölner durch und durch. Liebe Deine Stadt ist für ihn kein Spruch, sondern Tat: Statt mit dem FC oder im Karneval zeigt er sie aber mit einem Musical: „Himmel & Kölle“.  Die Produktion hat er mit einem Millionenbetrag aus eigener Tasche finanziert. „Ein eigenes Musical war immer mein Traum. Ich war sofort Feuer und Flamme als mir die Autoren Moritz Netenjakob und Dietmar Jacobs die Idee vorstellten, ein Stück über unsere Heimatstadt zu schreiben, “, so Blase.  Daraus ist eine bissige Liebeserklärung voller Witz geworden,  aber auch mit Jeföhl, wie man in Köln so schön sagt. Die Hauptfigur im Stück  – gutgläubig und fromm – verzweifelt an der lauten und sündhaften Stadt. Eine Erfahrung, die vielen von uns nicht fremd sein dürfte und vielleicht genau deshalb bereits tausende Besucher in das mehrfach ausgezeichnete Erfolgsmusical in die Volksbühne gelockt hat. Für Blase liegt es auch an der Mentalität des Publikums: „Der Kölner reibt sich doch gern an der Stadt“, und fährt fort: „Ich glaube allerdings auch, dass wir fast schon stolz darauf sind, wie das hier so läuft und übersehen dabei, dass es in den meisten Städten im Prinzip genauso ist. Aber der Kölner zelebriert ja gern seine Fehler. Und die Stadt hat Fehler, so wie jeder von uns auch.“ Vielleicht macht gerade das Unperfekte unser Köln so menschlich. Im Musical jedenfalls ruckelt es sich am Ende zurecht.

Und in Wirklichkeit? So mancher fragt sich, wie lange das hier noch gut geht, wenn Köln immer weiter abgehängt wird? Die Kölner Oberbürgermeisterin war bislang noch nicht zu Gast. Ob sie es nicht anschauen mag, wenn das Köln-Musical ihre Stadt auf die Schippe nimmt? Vielleicht zu übertrieben? „Nein, da ist eigentlich nichts übertrieben, widerspricht Frank Blase, „teilweise vielleicht ein bisschen überspitzt. Aber es stimmt doch alles“. Und er zählt auf: „Die Stadt ist doch oft chaotisch und dreckig, der Kölner Klüngel, die Brücke, die von Schlössern zusammen gehalten wird. Der U-Bahnbau dauert ewig, und die Oper ist millionenfach überteuert.“

Frank Blase hat als Unternehmer klein angefangen. Er weiß sehr gut aus eigener Erfahrung, dass Dinge, die man ändern möchte, einen langen Atem brauchen und dass man sich von Rückschlägen nicht unterkriegen lassen darf. Er glaubt weiter an die Stärken der Stadt und an die vielen Menschen, die sie mitgestalten: „Köln hat so viel Potenzial, in Wirtschaft, Kultur und auch in der Verwaltung! Wir könnten Europas Vorzeigestadt werden, wenn wir gemeinsam offen für neue Gedanken wären und nicht immer sagen: Das geht nicht.“  Wohin die Reise für Köln in 30 Jahren ökologisch, wirtschaftlich und auch städtebaulich gehen könnte, soll ein Multimedia-Modell öffentlich zeigen. Finanzieren will er das Projekt selbst. Nur bei der Stadtspitze findet er für sein Engagement kein Interesse – zumindest noch nicht. Und so bleibt am Ende ein bitterer Beigeschmack und Köln wieder einmal unter seinen Möglichkeiten. Das Potenzial kluger Köpfe wird vernachlässigt – kein Einzelfall und auch keine gute Prognose für das Köln der Zukunft. Hoffentlich ruckelt es sich auch hier zurecht.

Trotz aller Fehler, die diese Stadt zu bieten hat, gibt’s zum Schluss die Liebeserklärung aus Himmel & Kölle im Original:

„Ich weiß der Ebertplatz ist hässlich, der Barbarossaplatz zu laut,
und Kölle ist oft korrupt, mittelmäßig und verbaut,
es ist auch selbstverliebt und peinlich, ohne Kopf und ohne Bauch,
doch mein Köln ist die Kulisse, die ich zum Atmen brauch.
In Köln will ich leben, und ich weiß auch warum,
mein Köln ist oft chaotisch, dreckig, schief und krumm,
doch die Stadt hat ein Geheimnis, und damit kriegt sie mich,
im tiefsten Dreck da strahlt der Jeck, die Stadt hat Fehler so wie ich,
hat viele Fehler grad wie ich!“

Eine stressfreie Weihnachtszeit wünscht Ihnen mit ruckeligen Grüßen

Ihre Claudia Hessel

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Newsletter 2.12.2022

Newsletter vom 2.12.2022

Studie bescheinigt Köln eine „teilweise dysfunktionale Verwaltung“ – Das enorme Potential der Stadt kann sich nicht entfalten

Sehr geehrte Mitglieder,

liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

bislang gehört Donald Trump nicht zu den Heiligen des katholisch geprägten Kölns. Doch der GRÖPAZ, also laut Selbsteinschätzung Größte Präsident aller Zeiten, brächte eine für die Stadt passgenaue Fähigkeit mit: Er kann hässliche Wahrheiten ins Gegenteil umdeuten, unangenehme Tatsachen durch sogenannte alternative Fakten ersetzen. In dieser Spezialdisziplin hat auch die Stadt am Rhein erheblichen Ehrgeiz entwickelt und verteidigt in der Liga der Selbstüberschätzung schon lange souverän die Tabellenführung.

Deshalb wird die Verantwortlichen in der „schönsten Stadt Deutschlands“ auch das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wenig anfechten. Das arbeitgebernahe  IW hat nämlich (mit seinen Partnern Wirtschaftswoche und Immoscout24) einen Vergleich aller 71 deutschen Großtädte mit über 100.000 Einwohnern angestellt und – wen wundert’s – Köln rangiert in diesem Ranking oben. Oder genauer: In der oberen Hälfte. Und ganz genau: Auf Platz 30, und damit immerhin einen Rang vor Pforzheim. Nun ist, ohne Pforzheim zu nahe treten zu wollen, die Stadt nicht die erste, mit der sich Köln vergleichen möchte. Das tut man lieber mit glanzvollen Metropolen wie Paris, London, Barcelona. Aber die Studie kommt mit ihren ausdifferenzierten Kriterien bei den Indizes Status Quo, Dynamik und Nachhaltigkeit zu keinem tröstlicheren Ergebnis.

Und wo bleibt das Positive? Zyniker würden sagen, dass Köln im nationalen Städtevergleich nur um drei Plätze abgerutscht ist. 2021 rangierte es noch auf Rang 27. Hätte schlimmer kommen können. Aber selbst notorisch antriebslosere Kommunen sähen allmählich Handlungsbedarf, um das Selbstbild wieder halbwegs in Einklang mit der Wirklichkeit zu bringen. Es ist ja auch nicht so, dass die Stadt nicht ganz erhebliches Potential hätte, dass Köln nicht das Zeug hätte, ganz oben mitzuspielen.

Die Lage im Herzen Europas, als Zentrum eines Ballungsraums in der Nähe zu wichtigen deutschen Nachbarländern, mit einer starken Hochschullandschaft, einer kraftvollen, leistungsstarken Wirtschaft – aus diesen Zutaten müsste ein Rezept zu entwickeln sein, das die Region beflügeln könnte. Doch die Rezeptur muss in Rat und Verwaltung entstehen, braucht Kreativität und den Mut zu Entscheidungen – womit wir beim Kern der Malaise angekommen wären.

Es ist eine von den Studien-Autoren diagnostizierte „teilweise dysfunktionale Verwaltung“, die eine Entfaltung der vorhandenen Kräfte verhindert, und ein Rat, von dem weder kühne Zukunftsentwürfe noch eine konstruktive Kontrolle der Verwaltung zu erwarten ist.  Dabei bräuchte es nur einen Blick ins Geschichtsbuch der Stadt, um zu sehen, dass es durchaus mal anders ging. Im Augenblick aber schafft die Stadt es nicht einmal, ihr großartiges, einmaliges kulturelles Erbe angemessen zu präsentieren. Bestenfalls macht sie daraus Dauerbaustellen.

Der Kölner Presseclub nimmt die Studie mit zum Anlass, mit dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Prof. Dr. Michael Hüther, über Stand und Entwicklung der Region zu sprechen, natürlich auch über die Chancen und Risiken der wirtschaftlichen Lage in Deutschland. „Abschied vom Wohlstand?“ haben wir unser  Jahresabschlussgespräch 2022 überschrieben. Hüther, bekannt als scharfsichtiger Ökonom und eloquenter Diagnostiker der Gesellschaft, ist am Donnerstag, 8. Dezember, als Gast des Presseclubs im Excelsior Hotel Ernst. Beginn der Veranstaltung ist 19.30 Uhr, Anmeldung unter info@koelner-presseclub.de.

Die erste Voraussetzung dafür, dass Verhältnisse sich zum Besseren entwickeln, ist die nüchterne, schonungslose Analyse. Von Michael Hüther darf man sie erwarten. Das Beispiel Donald Trump lehrt, dass man nicht dauerhaft in einem einem politischen Phantasialand leben kann. Die Wirklichkeit ist stärker und will gestaltet werden. Das gilt auch für Köln. Frau Reker, übernehmen Sie.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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Newsletter 25.11.2022

Newsletter vom 25.11.2022

Der Rat hat Weichen für das KHD-Areal  gestellt. Wohin führen sie? Der Investor: vergrault. Die Künstler: hält man hin. Die Gebäude: verkommen.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

leidet Köln unter Gedächtnisschwäche? Die Frage stellt sich mir, wenn ich zurückblicke auf den 14. August 2021. Da forderten auf dem Heumarkt Politik und gesellschaftliche Kräfte, die Stadt müsse ihr Vorkaufsrecht nutzen und die historische KHD-Zentrale erwerben. Die Kunstinitiative „Raum 13“ hatte sie erschlossen und zehn Jahre lang geprägt, bis ihr gekündigt wurde. Unterstützer sammelten Unterschriften, die Kundgebung entwickelte ihre eigene Dynamik, als sei sie inspiriert vom ewigen Höhner-Lied „Da simmer dabei, dat ist prima“. Kurz darauf setzte die Verwaltung einen fraktionsübergreifenden Ratsbeschluss tatsächlich um und schlug für einen zweistelligen Millionenbetrag zu.

Dennoch herrscht 15 Monate später Katerstimmung. Die Initiative ist bisher nicht in die KHD-Zentrale zurückgekehrt, obwohl es doch gefühlt alle so wollten. Vielmehr verhandelt sie erfolglos mit der Stadt. Aktueller Stand, so die Künstler: Für einen vierjährigen Mietvertrag sollen sie einen Antrag wie für einen Neubau stellen, dessen Kosten allein sich auf €150.000 belaufen.

Eine weitere Sorge gilt der Bausubstanz, so Anja Kolacek und Marc Leßle, der Geschäftsführung von „Raum 13“: Wassereinbruch, mangelnde Instandhaltung und Lüftung, Kondenswasser, Schimmel und Einbrecher setzen ihr zu. Entlang der Deutz-Mülheimer Straße kann man die Verwahrlosung leerer Industriehallen beobachten – ein Blick durch zerschlagene Fenster reicht. Leerstand bringt Verfall.

Hier besteht Einigkeit zwischen Künstlern und dem Investor Christoph Kahl von der Kölner Firma „Jamestown“, der das Gelände vor zwei Jahren erwarb und selber entwickeln wollte, sich aber ohne Umschweife dem städtischen Vorkaufsrecht beugte. Beiden Seiten liegt an dem Projekt und sie fragen sich, wie lange dessen Zustand Zukunftsplanungen noch erlaubt.

In einem Gespräch mit „Raum 13“ haben mich Ernsthaftigkeit, Engagement und Zielstellung der Künstler beeindruckt. Ihr Anliegen versuche ich kurz zu fassen: Seit 1876 wurde auf der anderen Rheinseite der Otto-Motor hergestellt. Er löste weltweit eine technische Revolution aus, schrieb Industriegeschichte. Diesem Geist verpflichtet, will „Raum 13“ Modelle für künftiges Wohnen, Leben und Arbeiten entwickeln und nennt das „Reallabor“.

Leerstand bringt Verfall. Das zeigt ein Blick hinter die Kulissen in Köln-Mülheim.

Foto: pixabay//Florian Waechter

Damit dies konsequent geschehen kann, müsste die Stadt Köln  auch den zweiten Teil der KHD-Zentrale erwerben und der Initiative überlassen. Er gehört dem Land NRW und ist seinerzeit sinnfrei wie mit einem Linealstrich durch das Gebäude markiert worden. Vor jedem, der das Gelände erschließen will, liegt daher eine gewaltige Aufgabe.

Die Künstler wollen die Fläche über eine Quartierssatzung parzellieren und per Erbbaurecht an Institutionen, Investoren und Baugruppen vergeben, die dann – jeder für sich – zum großen Ganzen von Wohnen, Leben, Arbeiten, Kunst und Kultur beitragen. Als Beispiele führen sie die Leipziger Baumwollspinnerei oder den ehemaligen Blumengroßmarkt in Berlin an. Einen Bereich will „Raum 13“ für sich selbst entwickeln. Mehr erfahren Sie, wenn Sie den Link anklicken.  Dort stößt man auf ein digitales Buch mit Namen „Zukunftswerk Stadt_Das Buch“.

Hier findet sich einiges, was mich nachdenklich machte. Die Dokumentation einer Diskussion etwa, in der das KHD-Gelände „kaum begehbar“ und „feuerpolizeilich eine Katastrophe“ genannt wurde. Es war kein ausgewiesener Experte, der so sprach. Aber eines ist klar: In den seit Jahrzehnten verfallenden Hallen schlummern gewaltige (Kosten-)Risiken. Wer hat Erfahrung und Mittel damit umzugehen? Das Foto eines Raumes, den Künstler beim Auszug voller Erde zurückließen, fiel mir auf. Ebenso Sätze aus dem digitalen Buch wie dieser: „Auf das Bauprojekt Quartier bezogen, soll hierbei bewusst auf gängige Methoden, Gewohnheiten oder Denk-Einheiten aus dem Bereich Stadtplanung und Stadtentwicklung verzichtet werden. Auf einer Linie mit dem Fluchtpunkt Stadt befindet sich der Baustein Quartier.“

Mit den Künstlern habe ich diesen Satz für mich übersetzen können. Er bedeutet in etwa, dass es keine Lösungen aus dem Regal gibt, nur eine Summe von Einzelfällen. Aber wie will man sich darüber mit einer herkömmlichen Verwaltung verständigen? Der wurde überdies gerade vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bescheinigt, wie Berlin „teilweise dysfunktional“ zu sein. Sich einen verantwortlichen Projektansprechpartner und einen konstruktiven Geist in der Verwaltung zu wünschen, eint die Künstler mit anderen Investoren. Doch werden die einen verstehen, was die anderen meinen?

Öffentliche Debatten sind in Köln eine Verführung für die lokale Politik. Sie verleiten zu Schaufensterbeschlüssen. Das Wort ist dann fast so gut wie die Tat und groß ist die daraus folgende Begeisterung über sich selbst. Der Ratsbeschluss zum Kauf hat zwar Weichen gestellt. Doch wohin führen sie? Den Investor Kahl hat man vergrault. Und die Künstler hält man hin. Das historische Areal, das stellenweise erbärmlich aussieht, verkommt weiter. Mich erinnert das an den Schauspieler Ralf Richter. In der Kölnischen Rundschau sagte er: „Die Menschen hier sind sehr zuvorkommend – wie der Kölsche so ist. Wenn Dir 120 Leute versprechen, beim Umziehen zu helfen, hätte schließlich einer beinah Zeit gehabt, wenn seine Mutter nicht Geburtstag gefeiert hätte.“

Christoph Kahl hat den meisten Ratsparteien die Pläne seiner Firma erläutert. Weltweit hat „Jamestown“  erfolgreich vorgeführt, was jetzt in Köln ansteht: Industriebrachen zu revitalisieren. In jeder anderen Stadt würde man Kahl den roten Teppich ausrollen. Nicht so in seiner Heimat. Immerhin – er war beeindruckt von der Tiefe und Ernsthaftigkeit, in der die Ratsfrauen und -herren sich mit seinen Sanierungsplänen auseinandersetzten und sie für gut befanden. Um dann am Ende doch auf den Beschluss zu verweisen, das Gelände anderweitig zu nutzen.

Der 68-jährige lebt und engagiert sich in Köln. Eher zufällig habe ich erfahren, dass seine Millionenspende den Bau des Basketball-Zentrums in Bickendorf ermöglichte. Er ist sozial aktiv, fährt einen Mittelklassewagen, ist ein ruhiger, unprätentiöser Zeitgenosse und bietet die Sicherheit, dass die KHD-Zentrale von einer kompetenten Firma revitalisiert wird. Ich hätte mir gewünscht, dass er zum Zuge kommt. Und „Raum 13“ auch seinen Platz findet. Das geht nicht? Mag sein. Doch ist das unerheblich. Derzeit geht in Köln-Mülheim rein gar nichts.

Zum Schluss: Wie steht es mit der Kommunikation in der Kölner SPD? Deren Fraktionsvorsitzender Christian Joisten forderte jetzt, die stadteigene GAG, mit rund 45.000 Wohnungen Kölns größte Vermieterin, solle angekündigte Mieterhöhungen aussetzen. Da hätte er gezielter vorgehen können. Denn sein eigener Fraktionsgeschäftsführer, Mike Homann, ist Aufsichtsratsvorsitzender eben dieser GAG und sitzt an den entscheidenden Hebeln. Merke: Kommunikation ist nicht alles. Aber alles ist nichts ohne Kommunikation.  

Apropos Kommunikation: Mona Neubaur, stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin, ist kommenden Montag, 28.11., 19.30 h, zu Gast im Kölner Presseclub (siehe Einladung unten). Für Leser unseres Newsletters haben wir einige Plätze freigehalten.  Bitte anmelden unter info@koelner-presseclub.de. Sie sind willkommen.

Es grüsst herzlich

Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 18.11.2022

Newsletter vom 18.11.2022

Die kölsche Machtfrage: Wem gehört die Stadt? Womöglich niemandem?

Sehr geehrte Mitglieder,

liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

eine Woche ist der Elfte im Elften nun her. Von nun an stampfen wieder verkleidete oder auch uniformierte Jecke durch unsere Stadt. Im Kontrast zu dem schon weihnachtlichen Ambiente löst das bei manchen Touristen eher ungläubige Blicke aus. Die Kölnerinnen und Kölner kennen das – und leider auch die Schattenseiten. Nach dem Massenansturm zum Sessionsauftakt, nach dem viel Müll liegenblieb, die Straßenbahnen nicht fuhren und das Sicherheitskonzept augenscheinlich nichts im Griff hatte, hat die Suche nach den Schuldigen begonnen. „Für die Anwohner der Zülpicher Straße und für den inneren Grüngürtel war der Tag leider wieder einmal ein Desaster“, formuliert es Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval im Kölner Stadt-Anzeiger. „Es wird Zeit, dass die Stadt ihrer Verantwortung im öffentlichen Raum gerecht wird, um das Treiben in der Altstadt und auf den Rheinbrücken erfolgreich zu kanalisieren.“

Doch der „Elfte im Elfte 2022“ scheint nur ein weiteres Beispiel in einer langen Liste (unter anderem Kölner Silvesternacht, Opernsanierung, Geißbockheim-Erweiterung) zu sein, bei der man sich fragt: Wer eigentlich hat in Köln das Sagen? Wer gibt die Richtung vor? Wer entscheidet – und übernimmt dann auch Verantwortung? Eine Frage, die immer wieder hier im Newsletter gestellt wird. Und der ich (mit dem NRW-Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Christian Wernicke) für die jüngste Ausgabe des Magazins Klatsch. Klartext für Köln aus dem emons-Verlag nachgehen konnte.

Und der Dom der blicket stumm, auf der ganzen Stadt herum. Wer mag in Köln wohl das Sagen haben? So richtig mag das niemand wagen.

Foto: Peter Pauls

Ums es kurz zu machen: Eine einfache Antwort gibt es nicht. Minister und andere hochrangige Amtsträger in der Düsseldorfer Staatskanzlei sagten mir schon vor Jahren, Köln sei nicht regierbar. Andere sehen eher ein Vakuum, die Macht über die Stadt liege „auf der Straße“. Stimmt, sagen wiederum Dritte, doch seien da auch jene, die sich die Macht einfach nähmen. Und dann gibt es – natürlich – eine gesetzliche Grundlage. Die Gemeindeordnung, die die Regeln definiert für das Zusammenspiel von Rat, Verwaltung, Parteien und Oberbürgermeister-Amt. Zwischen all den Institutionen also, die als „die Politik“ wahrgenommen werden. Was auffällt: Die Oberbürgermeisterin geht nicht mit lauten Wortmeldungen voran. Henriette Reker ist eher der Typ Verwaltungsexpertin. Als Parteilose musste sie Politik erst lernen. „Es kostet enorm viel Zeit und Energie, allein mit sachlichen Argumenten die nötigen Mehrheiten zu finden,“ sagt sie dazu. Und dann, nach einer Pause: „Und manchmal ist es unmöglich.“

Reker ist Kölnerin. Vielleicht ist es ihre kölsche Seele, die sie bei fernen Problemen regelmäßig sehr konkret werden lässt. Die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei, der russische Krieg in der Ukraine – da kann sie schneidend scharf sein. Auch während der Flüchtlingskrise stand sie, als Verbündete von Angela Merkel, aufrecht ihre Frau – und verfasste anschließend noch einen Aufsatz für einen Sammelband zu Ehren der Bundeskanzlerin a.D. Titel: „‚Wir schaffen das!‘ Ein kommunaler Blick auf die europäische Migrationskrise“. Global konkret – aber lokal eher vage und ausweichend abstrakt? Im Streit um den Geißbockheim-Ausbau mied Reker monatelang jede klare Ansage, bis sie sich im Nachhinein (im Kölner Presse-Club) anders positionierte. Und die für viele (auch tolerante) Kölner durchaus sensible Frage, ob der Muezzin in Ehrenfeld, Südstadt oder Kalk zum Freitagsgebet rufen darf, beantwortete das Rathaus ohne Debatte. Er darf, wenigstens für zwei Jahre, dank eines überraschenden „Pilotprojekts“. Macht ist ein Wort, das Reker sofort relativiert. „Die Leute glauben immer, die OB könne alles entscheiden. Die wahre Lage zu vermitteln ist mühsam.“ Wenn Kinder bei einem Ortstermin fragen, ob sie hier „alles entscheiden“ dürfe,  erklärt Reker das so: „Nein, hier bestimmen viele. Und ich sorge dafür, dass das, was die meisten wollen, dann auch gemacht wird.“

Es hat aber auch mit der kölschen Mentalität tun, wie mir Volker Hauff erzählt hat. Jahrzehntelang regierte  in Köln die SPD. Über 40 Jahre war sie stärkste Kraft im Rat, besetzte das Oberbürgermeister-Amt. Der SPD-Fraktionschef war der starke Mann, der OB der verlängerte Arm. Die SPD regierte, die CDU fügte sich ein als zweite Kraft – auf Ratssitzungen, bei Posten-Vergaben, auf Karnevalsfeiern. „Es gibt keine Feindschaften – und dadurch keine Gegner“, beschreibt Volker Hauff diesen verlässlichen Zustand. „Die Opposition hat sich arrangiert, jeder bekommt genug.“ Hauff, selbst SPD-Mitglied, einst fünf Jahre Bundesminister sowie anschließend Oberbürgermeister von Frankfurt am Main: „Die Frankfurter lieben Konflikte, die Kölner hassen sie“. Seit vierzig Jahren lebt Hauff im Kölner Süden. „In dieser Zeit ist der Clodwigplatz mindestens sechs Mal umgebaut worden“, erzählt er. Irgendwann habe mal einer nach einem Nutzungskonzept gefragt. „Das gab es nicht“, erinnert er sich. Sein Fazit: „Bei den Kölner gehört das auch zur Mentalität, da gibt es eine Toleranz bis zur Gleichgültigkeit.“ Wenn man ihn fragt, wer aktuell die Stadt regiere, sagt Hauff: „Niemand. Man möchte einfach keinen Streit.“

Rekers Kandidatur und Karriere zur ersten Oberbürgermeisterin Kölns im Jahr 2015 war letztlich auch die Antwort auf zwei Mängel, zwei Vakua. Die Kölner hatten die Nase voll von den Parteien – und CDU wie Grünen fehlten profilierte Köpfe als Spitzenkandidaten. Bei der früheren Öko-Partei war Jörg Frank, der Fraktionsgeschäftsführer, der Stratege. Und bei der CDU zog schon damals Bernd Petelkau als Fraktions- und Parteichef sämtliche Strippen. Frank wie Petelkau sind gleichsam „Maschinisten der Macht“, wie es sie schon oft gab in Köln. Männer, die im Bauch des kölschen Stadt-Schiffes alles regeln und lenken – die aber weder Charisma noch Schneid haben, als Kapitän sichtbar auf der Brücke zu stehen und für höchste Ämter zu kandidieren. Und Reker, die Parteilose, versprach einen Bruch mit dem alten System. Das Resultat? Eine verquere Umkehr der Verhältnisse: In Köln macht die Verwaltung oft Politik. Und die Politik Verwaltung. Zumindest aktuell.

Nun werden die Weichen für die Zeit nach Reker gestellt. Klar scheint, CDU, SPD, aber auch die Grünen, werden wohl eigene Kandidaten finden müssen – aus Selbsterhalt. Wer das sein könnte? Achselzucken, betretenes Schweigen, bei jedem, den man fragt. Die Alternative zur Rückkehr der Parteien wäre eine neue, eine zweite Henriette Reker. Parteilos, über den Institutionen schwebend – weil es das kölsche Vakuum zulässt. Die Machtfrage in Köln ist also weiter offen.

Wer aber könnte Köln regieren? Was meinen Sie? Schreiben Sie uns gerne.

Herzliche Grüße

Ihr

Moritz Küpper

P.S.: Ein Hinweis in eigener Sache: Seit über zehn Jahren darf ich mich in verschiedenen Formen im Kölner Presse-Club einbringen. Als Moderator von Veranstaltungen, als Organisator einer Herbstkonferenz für jüngere Mitglieder, als Kassenprüfer oder auch im Vorstand. Mit der kommenden Mitgliederversammlung endet nun meine zweite Amtszeit in diesem Gremium. Ich danke Ihnen nochmals sehr für das Vertrauen, aber private und berufliche Aufgaben fordern mich an anderer Stelle und ich bin froh, dass es mit Claudia Hessel nun eine Nachfolgerin gibt. Sie kennen Sie bereits durch diesen Newsletter. Und ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen im Kölner Presse-Club.

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